Der Nebel (Film): Rezension
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Tiberius (4 / 5)
Es ist der 14. Januar und wie jeden Montag ist Sneak-Preview angesagt. Nach einer geheimnisvollen Ankündigung vorangegangener Woche standen die Chancen auf Frank Darabonts Verfilmung von Kings Der Nebel sehr gut und jeder der diesen Tipp abgegeben hat, wurde nicht enttäuscht. Vor allen anderen wurde uns die deutsche Fassung von Der Nebel (orig. The Mist) gezeigt.
Was soll man von einem Regisseur erwarten, der mit Die Verurteilten und The Green Mile riesige Erfolge feierte (Die Verurteilten ist unter den Top-Fünf der bestbewertesten Filme bei imdb.com, The Green Mile ist der kommerziell erfolgreichste Film nach einer Stephen-King-Vorlage)? Alles, und zugleich recht wenig, weiß man doch als Kingfan um die literarische Vorlage.
Eines vorweg: Die Verfilmung ist zum Glück nicht hundertprozentig nachempfunden. Es gibt zum Teil kleinere und ein paar wenige größere Abweichung. Doch im Gegensatz zu mancher Verfilmung von Kurzgeschichten, bleibt Darabont (der als Drehbuchautor und Regisseur fungierte) bei der Kernaussage. Die Monster sind nicht das Schlimmste. Sie mögen blutrünstig sein, sie mögen Menschen auf grausame Art umbringen. Dennoch verhält sich der Mensch, fehlt es ihm an Sicherheit und Geborgenheit, ebenso grausam und gemeingefährlich.
Marcia Gay Harden in der Rolle der Mrs. Carmody zeigt uns, wie man eine Horde verängstigter Menschen um sich und gegen andere aufbringen kann. Sie ist klasse. Zuerst mag der Zuschauer über ihre Sprüche lachen oder von ihnen genervt sein (ganz wie die anderen Gefangenen im Supermarkt), doch beginnt man nicht ein wenig zu zweifeln, wenn eines der Wesen aus dem Nebel auf ihr entlang kriecht, kurz davor ist sie zu stechen (und ihr damit den sicheren Tod zu bringen) und dennoch - beinahe wie von einer höheren Macht gelenkt - von ihr abweicht? Fühlt man nicht mit ihren Anhängern, die sich in einer Zeit großer Angst (und ohne die bereits erwähnte Geborgenheit) an jemanden orientieren wollen? Darabont schafft es, nachdenklich zu stimmen, zu überlegen, wie es wäre, seinen eigenen Sohn beschützen zu müssen, sich gegen eine Horde aufgebrachter Menschen zur Wehr setzen zu müssen.
Und, Darabont schafft es, Grauen zu verbreiten. Das, wofür wir die Verfilmung von Kings Novelle erwartet haben. Er zeigt uns die Kreaturen, die riesigen, gefährligen Tentakeln, die tödlichen Moskitoartigen, und er zeigt uns auch eine Menge an Blut. Nicht, wie bei Die Veurteilten nur eine blutige Nase, sondern einiges, was bei zartbesaiteten Nerven nicht gut ankommen dürfte. Zu Recht gab es in Nordamerika R-Rated, und bei uns eine FSK-18 Freigabe.
Es sind nur kleinere Sachen, die dafür sorgen, dass an dieser Stelle keine fünf Punkte vergeben wurden. Es fehlt mir an einigen Stellen an Glaubwürdigkeit, die es aber schon in der Novelle nicht gab. Frances Sternhagen (in der Rolle der Lehrerin Irene) spielt eine fabelhafte Rolle, verkommt aber ein wenig zu einer Spaßfigur. Auch die Effekte sind zwar sehr gut eingesetzt. Aber sind wir doch mal ehrlich: Wenn ein riesiger Fangarm von mehreren Metern Länge und gut einem Meter Durchmesser beschließt irgendwo hineinzukommen, kann ihn dann ein elektrisches Tor, dass nicht gerade vertrauenserweckend ist, davon abhalten, sich zu holen, was es will? Aus diesen Gründen, ein Abzug, der den Film aber dennoch in die obere Klasse der King-Filme katapultieren sollte. Nur sehr selten hat man wahrscheinlich einen echten Horrorfilm gesehen, der sehr intelligent Schrecken verbreitet.
Zum Ende über eben jenes. Man kann viel lesen. Vom erschreckendsten und überraschendsten Ende der Filmgeschichte, von einem Meisterwerk Darabonts, von einer schluderigen Leistung. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen. Darabont hätte aufhören können, als Thomas Jane (in der Rolle des David Drayton) mit seinem Sohn Billy und den anderen Drei endlich im Auto sind und einen Weg suchen. Ganz wie King es getan hat. Darabont geht einen Schritt weiter. In meinen Augen einen, der Kings Ende seines Dark-Tower-Zyklus gleicht. Hat man ihn nicht gesehen, hält man es vor Spannung kaum aus. Hat man ihn gesehen, ist eine der ersten Reaktionen eventuell Enttäuschung auf den Macher. Jetzt, ein wenig später, bin ich der Meinung: Wie sonst? Ein mutiges Ende. Wer es sich ohne den Film vorher ansieht oder in einer Quelle durchliest, verdirbt sich den Spaß am Film.
Croaton (5 / 5)
Trotz aller persönlicher Enttäuschungen der jüngsten Zeit (siehe Zimmer 1408: Rezension und vor allen Dingen Brennen muss Salem (Remake): Rezension) ging ich ohne große Bedenken in Der Nebel. Der Grund für meine Unbekümmertheit hat einen Namen: Frank Darabont. Er ist selbst King-Fan und hat mehrfach bewiesen, dass der Stoff des Autors bei ihm in guten Händen ist.
Als ich zwei Stunden später das Kino verließ, tat ich das mit einem fast süffisanten Lächeln auf dem Gesicht: Wusste ich doch, dass Darabont es wieder hinkriegt! Wer frühere Rezensionen von mir kennt, weiß, wie wichtig mir immer Werkstreue ist; mein Motto lautet: Wenn man eine Geschichte verfilmen will, sollte man das auch tun (die Macher von Zimmer 1408 etwa wollten 1408 verfilmen, taten es dann aber nicht!). Der Einzige, dem ich Änderungen durchgehen lasse, ist Darabont, ganz einfach, weil er so auf Kings Wellenlänge liegt, dass diese Eingriffe eher Erweiterungen als Verstümmelungen seines Werks sind. Wie schon in Die Verurteilten und The Green Mile trifft der Regisseur und Drehbuchautor den richtigen Ton und lockert mit dem ihm eigenen Humor die Handlung stets im richtigen Moment wieder auf.
Ihm gelingt es erneut, seinen Schauspielern zu Höchstleistungen zu verhelfen. Zwar blieb mir schleierhaft, warum er Hattie Turman so unerklärt und schnell sterben ließ (Herzinfarkt?), doch dass etwa die Rolle des Soldaten wesentlich ausgebaut wurde und Darabont die in der Novelle völlig unpassende Sexszene zwischen David und Amanda wegließ, zeigt, was für ein Fingerspitzengefühl dieser Mann hat. Mit Jeffrey DeMunn (einem meiner Lieblingsschauspieler), William Sadler und Frances Sternhagen (aus Misery) finden wir alte King-Bekannte wieder und auch wenn Billy Draytons Rolle etwas zu kurz kommt, so spielt der kleine Junge doch sehr eindrucksvoll.
Gut, die computeranimierten Monster konnten mich nicht recht überzeugen, aber mal ehrlich: Ist es überhaupt möglich, die von King heraufbeschworenen Wesen im Nebel bildlich umzusetzen, ohne irgendwie lächerlich zu wirken? Ich sage nur: Tentakel!
Die letzten fünf Minuten dürften derzeit der wohl meistdiskutierte Schluss der Filmwelt sein. Mir als Lass-die-Finger-von-der-Vorlage-Prediger müsste er ein Gräuel sein, so weit weg ist er von Kings offenem Ende. Aber wieder gilt: Was für eine Idee! Ich werde hier nichts verraten, doch stellt für mich der Schluss in der Tat alles in den Schatten, was uns in der letzten Zeit so serviert wurde. Und geben wir es zu: King hätte so einen Schluss nicht schreiben können, da er vieles kann, aber kein Spezialist ist für Überraschungs-Enden (neudeutsch Twists genannt), wie Autor Roald Dahl oder Regisseur M. Night Shyamalan (The Sixth Sense) sie beherrschen. Somit sehe ich den Film Der Nebel als überaus gelungene Zusammenarbeit von King und Darabont – von beiden das Beste genommen und perfekt gemischt.
Fazit: Ein dritter Coup des Duos, der mich jetzt schon mit Ungeduld erfüllt – doch der Film zu Todesmarsch wird ja irgendwann kommen!