Der Nebel: Rezension
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Inhaltsverzeichnis
Croaton (5 / 5)
Diese Novelle gehört für mich zu den besten von Stephen King - eigentlich erstaunlicherweise, kann ich doch David Drayton, den Protagonisten und Ich-Erzähler der Geschichte, so gar nicht leiden. Er greift leicht einmal zum Alkohol, kann plötzlich vor Aggressionen gefährlich werden und nutzt die erstbeste Gelegenheit, seine Frau mit einer völlig Fremden zu betrügen.
Die Geschichte besticht vielmehr durch die von David heraufbeschworenen Bilder einer Welt, die urplötzlich in die Hände grauenvoller Monster fällt, über deren Herkunft es nur wilde Spekulationen gibt (siehe auch Arrowhead Project). Die Handlung ist beschränkt auf einen Supermarkt, wo einige zufällig zusammengewürfelte Kunden gegen den Wahnsinn und ums Überleben kämpfen. Dann kommen die ersten Kreaturen ...
Viele Einzelbilder bleiben in Erinnerung - für mich vor allem das riesige, dinosauriergleiche Wesen, das über Davids Wagen hinwegläuft, ohne diesen wahrzunehmen (siehe rechts). Auch der offene Schluss passt gut, eine Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung.
Sehr gelungen ... und nicht umsonst eine der beliebtesten Novellen des Meisters.
Mr. Dodd (5 / 5)
Diese Novelle vereint sehr viele Elemente, die ich an Horror-Storys mag. Das plötzliche Eindringen einer unbekannten Macht in das normale Leben der Menschen; seltsame Monster, die keiner so recht erklären kann; eine Gruppe von Menschen die einen Ausweg aus ihrer verzweifelten Situation suchen; nur vage Andeutungen der Herkunft und ein düsteres Ende, welches wenig Anlass zur Hoffnung gibt.
King schafft es hier innerhalb von nur ein paar Seiten eine düstere Stimmung aufzubauen, die eine komplette Hoffnungslosigkeit vermittelt und dabei gekonnt die schaurigsten Elemente im Hintergrund hält. Die Bedrohung durch die Monster und den Nebel ist allgegenwärtig und wird am besten durch die Angst der Leute im Supermarkt ausgedrückt, ohne aber selbst zu viele zu zeigen. Sie wissen nicht ob der Nebel verschwindet und was noch von der Außenwelt existiert. Höhepunkt ist das Wesen, welches so groß ist, dass noch nicht einmal der Bauch vom Boden aus gesehen werden kann.
Einziger kleiner Kritikpunkt ist, als Ich-Erzähler David Drayton mal eben so mit einer Fremden schläft, mit der er kaum drei Worte gewechselt hat. Völlig unpassend.
Tiberius (5 / 5)
Es gibt einige Geschichten, die Stephen Kings wirkliches Können auf wunderbare Art und Weise zeigen. Der Nebel, eine Novelle, ist eine von diesen. Je mehr man sich darauf einlässt, je tiefer man in die verschiedenen Schichten abtaucht, die King uns hier präsentiert, desto tiefgründiger und phänomenaler wird die Geschichte in meinen Augen.
Ganz oberflächlich haben wir hier eine wunderschöne Horrorgeschichte. Auf Grund eines Sommersturms öffnet sich ein Portal zu einer anderen Dimension. In bester Lovecraftmanier brechen durch diese Lücken Monster unbeschreiblichen Ausmaßes. Diese machen in einem schier undurchdringbaren Nebel Jagd auf alles Lebendige. Der Mensch, die Krönung der Schöpfung, ist innerhalb weniger Stunden Gejagter von hundsgroßen Spinnen, tötlichen übergroßen Fluginsekten und von extrem starken und riesigen Tentakelmonstern. Es gibt viele herz- wie fleischzerreißende Szenen von grässlichen Toden. Fans des 'klassischen Horrors' dürften richtig viel mit der Geschichte anfangen können.
Doch in meinen Augen ist der Nebel nur eine Art Katalysator dessen, was King uns hier wirklich beibringen will. Es geht nicht nur darum, gegen einen scheinbar ungreifbaren Gegner zu überleben, es geht auch darum wie Menschen darauf reagieren, wenn ihre heile Welt aus den Fugen gerät. Und, wie sie Verantwortung übernehmen. Für sich, für ihre Schutzbefohlenen und für ihre Taten.
Fangen wir bei der Hautpfigur an. David Drayton ist nicht der erste Ich-Erzähler, aber er gehört zu den Wenigen, die King alles andere als sympathisch darstellt. Er wirkt beinahe wie Lester Billings aus Das Schreckgespenst, der Unsympath, der seine Familie letztlich auf dem Gewissen hat. Drayton findet für alles einen Grund, um es ins Negative oder mindestens ins Lächerliche ziehen zu können. Er wirkt selbst gescheitert. Im Gegensatz zu seinem Vater kann er seine Familie nur gerade so mit seiner künstlerischen Arbeit über Wasser halten. Das Boot, welches kleiner ist, die Motorsäge aus dem Sonderangebot, der Jeep, den er bei einem saufendem Schrauber reparieren lassen muss, der Alkohol, dem er häufig schon vor dem Mittag stark zugesagt hat.
Überhaupt zieht sich das Verhältnis von Vater und Sohn durch die gesamte Geschichte. David zu seinem Vater und Billy zu David. Während Drayton auch in einer Notsituation vor allem damit hadert, nie so gut wie sein alter Herr zu sein, ignoriert er das Hilfebedürfnis seines einzigen Sohns (selbst dort scheitert er an seinen Vorfahren, die alle mehrere Söhne hatten). Er schiebt ihn zu fremden Frauen ab, mehrmals mit der Begründung, Billy brauche wohl in dieser Situation eine Mutter, keinen Vater. Während er sich fast sehnsüchtig daran erinnert, wie ihn sein Vater zum einkaufen mitnahm, sind ihm seine Kopfschmerzen und der Durst nach der ersten Nacht im Supermarkt am allerwichtigsten. Dass sein Sohn wie von selbst die Hand seines verhassten Nachbarn nimmt, um über die Straße zu gehen, sollte ihn eigentlich nachdenklich machen, wie schnell für Billy das Bild eines Beschützers wechseln kann. Stattdessen lobt er sich, wie toll er Billy vor Jahren erzogen haben will.
Natürlich wäre es enorm hart, aber seinem Sohn so lange Hoffnung zu machen, Stephanie wäre noch am Leben halte ich für extrem fatal. Wahrscheinlich ist die Reaktion auf das Weinen des Kindes auch nur die Unzulänglichkeit Draytons der auswegslosen Realität ins Auge zu sehen. Dazu kommt Draytons Zwang die Führung zu übernehmen. Er ist einer der Lautesten, verhält sich wie ein Anführer ohne wirklich Substantielles zu Tage zu bringen. Im Gegenteil. Zwar handelt er richtig, aber schlussendlich ist er direkt verantwortlich für den Ausfall des Stroms im Supermarkt. Man kann ihm indirekt sogar das Zweifeln Brent Nortons und damit auch seinen Tod andichten. Auch sein Jeep bedeutet für mich vor allem den Tod für einen der tollsten Charaktere der Novelle. Ollie Weeks stirbt in einer der fiesesten Situation, die man ihm wünschen könnte. Mit der zarten Hoffnung auf das Überleben dieser Katastrophe.
Weeks, der sich von einem unscheinbaren kleinen Mann zum abgeklärten Held mausert, steht für mich genau entgegengesetzt zu Drayton und auch zu Personen wie Mrs. Carmody oder sogar Myron LaFleur. Er, der zu Beginn abfällig von Drayton in die homosexuelle Ecke gedrückt wird, handelt beinahe als Einziger rational, überlegt und mitfühlend. Er erkennt, dass Mrs. Carmodys Predigten zur Gefahr werden können. Er bunkert rechtzeitig Lebensmittel für ihre Flucht. Während Drayton in der Apotheke völlig chaotisch reagiert, ist Weeks kühl und konzentriert an der Waffe und rettet Drayton und Hilda Reppler vorübergehend das Leben. Während Dan Miller für mich für Kings Hoffnung steht, dass es im größten Chaos Menschen gibt, die wirklich Verantwortung und positive Führung zeigen, ist Weeks für mich die Hoffnung darauf, dass in solchen Situationen manch eine unscheinbar und schwach erscheinende Figur zu ihrem Höhepunkt geraten kann.
Auf der anderen Seite dagegen ist es mal wieder eine Predigerin, die unseren Hass primär auf sich zieht. Mrs. Carmody in ihrem leuchtenden Trainingsanzug und der grotesken Handtasche, die sie mit sich trägt. Die spirituell angehauchte Verrückte, die ihnen Allen den Tod prophezeit und sogar Menschenopfer fordert. King lässt es Drayton passend zum Ausdruck bringen (wenn auch nicht durch seine Gedanken, sondern die eines Schriftstellers den er mal kannte). Mrs. Carmody ist für ihn das Beispiel, dass die Menschen an irgendetwas glauben wollen. Je extremer die Situation, desto extremer und fundamentaler können Missionare sein um vermeintlichen Halt und Trost anzubieten. Dass sie ausgerechnet von Ollie Weeks erschossen wird (und dieser sogar noch Selbstzweifel danach hat), zeugt von Kings ganz eigener Meinung zu dem Thema.
Es gibt noch so vieles, was ich gern an dieser Stelle schreiben würde, aber erneut ist das mit dem Platz so eine Sache. In aller Kürze: Wir sehen weitere Beispiele, wie mit dem Chaos umgegangen werden kann. Dass Drayton sarkastisch anmerkt, man habe inzwischen einen Bestattungsbetrieb auf Grund der Selbstmorde am Laufen, wirkt kühler wie das, was damit wirklich symbolisiert wird. Die Frage, wie sehr King sich vielleicht selbst in Drayton wiedersieht (wenn man dem Anhang von Susannah Glauben schenken mag), oder was Amanda Dumfries' vermeintlicher Ehemann von Bridgton und der Kleinstadtgegend hält, wenn er ihr einen Revolver schenkt und sie regelmäßig zum Schießtraining schenkt.
Es bleibt aber noch etwas Platz für einen Vergleich. Frank Darabont hat einen ziemlich tollen - wenn auch sehr unterschätzten - Film aus der Vorlage erstellt. Dieser ist anders und muss es auch sein. Vor allem Drayton und Carmody werden anders dargestellt. Während Mrs. Carmody nur eine Spur deutlicher herausgearbeitet wurde, ist Drayton im Film der positive und sympathische Held. Das muss er in meinen Augen auch sein, schließlich identifizieren wir uns besser mit einem Film, wenn wir uns mit dem Helden identifizieren. Und dazu braucht es ersteinmal ebenjenen Helden. Während King in meinen Augen Drayton bewusst nicht zum scheinenden Ritter macht, muss Darabont, Hollywood sei Dank, genau das tun. Das passt auch für den Film, nimmt ihm aber die gedankliche Hürde, mit der ich mich in der Novelle so gern beschäftige. Wäre Drayton in Kings Vorlage das positive Leuchten, wäre es einfach für mich zu sagen, ich würde mich natürlich ganz genauso verhalten. So, fällt es mir leichter, wirklich darüber nachzudenken, was ich denn besser machen würde. Im Supermarkt bleiben? Ebenso versuchen nach einem Ausweg zu suchen? Oder vielleicht doch etwas ganz anderes, wo doch sowieso keine Hilfe eintreffen wird?
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