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Ein Tod: Rezension

11 Byte hinzugefügt, 11:51, 26. Nov. 2018
Horaz Klotz (4 / 5)
Auf den ersten Blick wirkt ''Ein Tod'' wie ein kleiner, bitterböser Streich, den King seinen treuen Lesern spielt. Eine kleine Erinnerung des Meisters, es sich in seiner Welt nicht zu gemütlich zu machen, nur weil man glaubt alle Kniffe durchschaut zu haben. Nach wenigen Seiten glaubt man zu wissen wie das alles ausgehen muss - mal wieder eine Anklage des US-Justizsystems, eine weitere Geschichte über einen unschuldig Verurteilten, ein weiteres Opfer des Systems. Aber irgendetwas stimmt nicht. Der mutmaßliche Mörder wirkt eine Spur zu unschuldig, der heldenhafte Kampf des einsamen Sheriffs gegen das ungerechte System (mit Staatsanwalt und Richter in Personalunion!) eine Spur zu klischeehaft. Und plötzlich zieht unser Autor seinen Twist aus dem Ärmel und bricht mit allen Erwartungen. Trusdale war doch schuldig. Der Sheriff lag falsch. Der Leser auch. Ätsch. Aber funktioniert die Geschichte auch noch beim zweiten Lesen, wenn man den Schluss kennt? Ich finde ja.
Gerade durch das Ende wird die Story nämlich zur unerwartet schonungslosen Auseinandersetzung mit dem ur-amerikanischen Konzept der Todesstrafe. Dass King hier nicht schon wieder einen Unschuldigen an den Galgen schickt eröffnet ganz neue Argumentationsräume. Es ist immer sehr einfach gegen die Todesstrafe zu sein, wenn es ein magisches Unschuldslamm wie John Coffey (auf die ''Green Mile'') trifft geschickt wird - oder wenn der Täter einen abgrundtief bösen Dämon ausschalten wollte, der nur zufällig wie ein ''Böser Kleiner Junge'' aussieht. Aber um wirklich ernsthaft über ein so radikales Thema zu schreiben, muss man das ganze übernatürliche Drumherum irgendwann streichen. Und die Frage stellen ob es in Ordnung ist einen ganz normalen Menschen aus Fleisch und Blut für seine Verbrechen hinzurichten. Das gelingt im nachdenklichen Schlussabsatz dieser Geschichte ganz gut. Nachdem der Leser dem hilflosen, offenbar geistig eingeschränkten Trusdale über Seiten hinweg die Daumen gedrückt hat, bleibt er am Ende mit seinen Gedanken allein zurück. Dass King uns hier nicht weiter an die Hand nimmt und nicht etwa mit einer pathetischen Rede gegen die Todesstrafe schließt ist für mich ein großer Pluspunkt der Geschichte.
Bei so einer zeitlosen philosophischen Frage spielt das Setting eigentlich keine große Rolle. Und tatsächlich habe ich mir nicht besonders viel vom Wild West-Hintergrund versprochen. Für mich funktioniert King eigentlich immer am besten, wenn er halbwegs zeitgemäß bleibt und sich nicht zu sehr in seine Revolvermann-Cowboy-Romantik verliert. Aber damit hält er sich hier zum Glück ziemlich zurück, stattdessen nutzt er die Epoche für ein paar recht interessante kurze Einblick in das damalige Rechtssystem und als gute Ausrede warum nicht nach verlässlicheren Beweisen gesucht wird als einem zurückgelassenen Hut. Die Figuren funktionieren jedenfalls auch in diesem Setting - Barclay als engagierter Sheriff, dem zum ersten Mal Zweifel am Justizsystem kommen und der vielleicht eine Spur zu einfältige Trusdale, der aber schlau genug ist seine Beweismünze wieder und wieder zu verschlucken - ein Motiv das Fans zum Beispiel aus ''Musterschüler'' bekannt vorkommen dürfte.
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