Alpträume: Rezension

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Mr. Dodd (3 / 5)

Diese Kurzgeschichtensammlung hat es mir nicht einfach gemacht. Quälende vier Monate habe ich seinerzeit gebraucht, um alles zu lesen und war kurz davor nie wieder eine Kurzgeschichtensammlung von King anzurühren. Zum Glück habe ich mich eines besseren besonnen und bin mit Im Kabinett des Todes und Sunset zumindest wieder halbwegs versöhnt worden.

Dass ich gutgemeinte drei Punkte gebe für die komplette Sammlung (bestehend aus 24) liegt daran, dass es richtig gute Kurzgeschichten gab. Da wäre die absurd verrückte Rachetat aus Dolans Cadillac, das Ende der Menschheit durch Verdummung in Das Ende des ganzen Schlamassels, Der rasende Finger, das überraschend gute Hausentbindung, die Geschichte mit den Kindern, die sich gegen ihren Stiefvater auflehnen in Das Haus in der Maple Street, das düster-beklemmende Crouch End oder auch Umneys letzter Fall. Alles Geschichten die zeigen, dass King auch bei kurzen Geschichten eine unnachahmliche Begabung besitzt.

Dann gibt es da noch die mittelmäßigen, die Vampirgeschichten Popsy und Der Nachtflieger, Klapperzähne, Verdammt gute Band haben die hier, Turnschuhe, das absurde Regenzeit, die traurige Geschichte in Drehbuchform Entschuldigung, richtig verbunden und die Sherlock Holmes-Hommage Der Fall des Doktors (die ich vermutlich besser finden würde, wenn ich was von Sherlock Holmes gelesen und keine Antipathie gegen Kriminalgeschichten hätte).

Doch leider beweist King auch oft genug in dieser Kurzgeschichtensammlung, dass er auch großen Mist produzieren kann und nicht einmal merkt, dass es solcher ist, sonst würde es sich schwerlich in dieser Sammlung wiederfinden. Da wäre zunächst Die Zehn-Uhr-Leute, bei denen man das Gefühl hat King, könne zu jenen Anhängern von Verschwörungstheorien gehören, die daran glauben, dass die Politik von Echsenwesen in Verkleidung bestimmt wird (in der Geschichte sind es eben Fledermäuse) oder Das fünfte Viertel, eine brutale Gangstergeschichte, bei dem einem die Hauptperson so derart anwidert, dass ich mir gewünscht habe er möge seine gerechte Strafe noch auf der letzte Seite bekommen. Dann ist da noch das völlig verwirrende, inhaltslose Es wächst einem über den Kopf, die King zwar als Nachwort für In einer kleinen Stadt angekündigt wird, jedoch ungefähr soviel mit diesem genialen Roman zu tun hat wie banale Baseballessays mit Horrorgeschichten (siehe weiter unten). Zueignung dürfte das ekelhafteste sein was King geschrieben hat und wäre, wenn ich nicht Marquis de Sade gelesen hätte, auch das ekelhafteste sein, was ich je gelesen habe. Mein hübsches Pony sieht wie der verzweifelte Versuch aus, höhere anspruchsvollere Literatur zu schreiben, scheitert jedoch besonders daran, dass ich sowas nicht lesen will, wenn King auf dem Umschlag steht. Recht nichtssagend sind hingegen das Gedicht August in Brooklyn, ein Gedicht in dem es auch irgendwie um Baseball ging, und Der Bettler und der Diamant (dessen Inhalt ich ehrlich gesagt sofort nach dem Lesen vergessen habe, so froh war ich endlich durch zu sein).
Bei weitem der größte Fehlschlag ist aber Kings Essay über Baseball Kopf runter. Leider bin ich Perfektionsleser (d. h. ich lese alles in einem Buch und würde niemals ein Buch abbrechen, egal wie schlecht es ist) und habe mir daher auch das angetan, wohl wissend, dass ich nach fünf Zeilen nichts mehr verstehen würde und mich nur noch die 50 Seiten zu Tode langweilen werde. Ich weiß nicht was King auf die schlaue Idee gebracht hat, den Bericht über die Baseballmannschaft seines Sohnes in eine Kurzgeschichtensammlung hineinzunehmen. Selbst Leser im Original müssten davon angeödet sein und auch Baseball-Fans dürften nur mäßig Interesse zeigen, schließlich würde ich als großer Fußball-Fan auch keinen 40-Seiten-Aufsatz lesen, wenn angenommen Günther Grass über die Fußballmannschaft seines Sohnes schreiben würde, die vermutlich in der tiefsten Provinzliga spielt. Ein Leserklientel dürfte für diese Geschichte also praktisch nicht existent sein. Ganz davon abgesehen ist ein Baseball-Essay in einer Sammlung von Horrorgeschichten so fehl am Platze, wie eine Horrorstory in einem Sportmagazin. Und dennoch, abgesehen von diesen Punkten, wird die Geschichte sogar in einem Hörspiel veröffentlicht!, wenn ich dieser Rezension Glauben schenken darf und noch schlimmer, sie wird ins Deutsche übersetzt, wo das Leserklientel für Baseball noch einmal weit mehr geringer sein dürfte (zurecht wird eine andere Baseballgeschichte Blockade Billy, womöglich gar nicht erst im Deutschen veröffentlicht). Die Energie, die man hier für das Übersetzen verschwendet hat, hätten besser in eine genauere Übersetzung der anderen Geschichten investiert werden sollen.

Fazit: Wer kein Perfektionsleser wie ich ist, dem rate ich die im dritten Absatz genannten Geschichten, besonders Kopf runter wegzulassen, da ist nichts dabei was den Geist irgendwie erhellen würde. Die Geschichten im zweiten und besonders im ersten Absatz sind jedoch auf jeden Fall das Lesen wert.