Der Musterschüler: Rezension
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Croaton (4 / 5)
Stephen Kings Novelle Der Musterschüler ist ein Schlag ins Gesicht, eine Geschichte wie eine Dampfwalze, nach der man schlicht und ergreifend platt und ausgelaugt ist. Die Tour de Force um den Kriegsverbrecher Kurt Dussander und den psychopathischen Jugendlichen Todd Bowden entführt den Leser in Bereiche, in denen er sich vielleicht nicht allzu gerne aufhält und doch lässt sie einen nicht ruhen, zwingt einen, am Ball zu bleiben.
Natürlich hat die Novelle ein großes Problem: Man findet nirgends eine Identifikationsfigur. Beide Protagonisten, der Kriegsverbrecher und sein sadistischer und psychisch kranker Gegenspieler sind an Widerwärtigkeit kaum zu übertreffen; der Betreuungslehrer Edward French ist eine wandelnde Witzfigur; Todds Vater Dick ein Rassist. Dies hat erheblichen Einfluss auf die Spannung. In der fiebrig erzählten Szene etwa, in der Todd und Dussander den Mord an einem Landstreicher vertuschen müssen, weiß man nicht, ob man wirklich mit den beiden mitfiebern oder sich lieber wünschen soll, dass es ihnen nicht gelingt und sie endlich in ihrer parasitären Abhängigkeit voneinander auffliegen.
Mich stört außerdem, dass King sich in dieser Geschichte als einer jener typischen sprachnaiven Muttersprachler des Englischen entpuppt, die schlicht nicht in der Lage sind, sich vorzustellen, dass jemand ihre Sprache nicht beherrscht. Ob J.K. Rowling, deren Austauschschüler und Lehrer in Harry Potter and the Goblet of Fire grammatisch und wortschatzmäßig brillantes Englisch sprechen oder eben hier Kurt Dussander, um dessen Idiomatik und Ausdruckskraft ihn mancher Amerikaner beneiden würde – er macht nicht einen einzigen Fehler, spricht wie ein Professor. Umgekehrt jedoch hat King keinerlei Mühe in die Recherche der deutschen Sprache gesteckt. So zählt Dussander im Original "ein, zwei, drei" oder befiehlt Todd mit dem Befehl "Gehen!", sich vom Acker zu machen. Das ist schlampig und nervig.
Das alles ist für mich noch keinen Punktabzug wert; den gibt es für die übertriebene Ausartung der Landstreicher-Morde. Während Dussander im Film "nur" einen Mann ermordet, gehen er und Todd in der Novelle unabhängig voneinander auf einen wahren Feldzug, werden zu Serienmördern. Das passt für mich nicht in das Gesamtbild der Geschichte und ist ein Störfaktor.
Aber dennoch ist diese unbequeme Novelle unvergesslich und eine gut durchdachte sowie zu keinem Zeitpunkt die jetzigen Deutschen anklagende Abrechnung mit dem Wahnsinn der Konzentrationslager. Wer King kennt, könnte meinen, dass er die Grausamkeiten des KZs in Patin in allen Details ausschöpft, doch dazu ist er zu sensibel; zwar gibt es Andeutungen und Verweise auf die Gräuel, aber liegt der wahre Schrecken tiefer: Dussander bereut niemals, was er tat, Todd ist so sehr von ihm fasziniert, dass er am Ende zum Amokläufer wird. Sam Weiskopf fast zusammen, was uns das Lesen der Geschichte so schwer macht:
Was die Deutschen taten, übt vielleicht auf uns alle eine Art tödliche Faszination aus – es erschließt die tiefsten Abgründe unserer Phantasie. | ||
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