Der Bibliothekspolizist: Rezension
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Inhaltsverzeichnis
Croaton (3 / 5)
Stephen Kings Novelle Der Bibliothekspolizist ist eine Auseinandersetzung mit den Urängsten des Menschen, die so schlimm sein können, dass sie ein ganzes Leben beeinträchtigen können. Sam Peebles' eigene Urangst vor dem Bibliothekspolizisten lähmt ihn – unterbewusst – sein ganzes Leben lang. Nicht nur, dass er Bibliotheken meidet, ohne eigentlich zu wissen warum. Sein Erwachsenendasein fristet er weitgehend allein, ohne Freunde geschweige denn eine Frau in seinem Leben. Warum das so ist, begreift er nach mühsamer Erinnerungsarbeit: Er ist als Kind brutal vergewaltigt worden, von einem Perversen, der sich als Bibliothekspolizist ausgab – eine Szene, die King in all ihrer Brutalität konsequent beschreibt.
Die erste Hälfte der Novelle schafft eine überaus beklemmende Atmosphäre: Sams Zusammentreffen mit Ardelia Lortz in der Bibliothek von Junction City, die sich im Nachhinein als die Bibliothek des Jahres 1960 erweist; seine Erkenntnis, dass die Bibliothek innerhalb einer Woche komplett umgebaut wurde und niemand etwas von einer Lortz weiß (schließlich ist das jetzt wieder das aktuelle Gebäude); seine Angst vor dem mythischen Bibliothekspolizisten, als er seine entliehenen Bücher nicht mehr findet und schließlich das tatsächliche Auftauchen dieses Wesens in seiner Küche sind Momente purer Gänsehaut.
Leider driftet die Geschichte mit Dave Duncans (noch dazu sehr ordinär erzählter) Geschichte von Ardelia Lortz' Vergangenheit ins Surreale ab. Surreal und King ist in der Regel eine gelungene Kombination (siehe Der Rasenmähermann oder Der rasende Finger), aber die Idee eines zwergenhaften Wesens mit einem Riesenrüssel, das die Angst in Form dickflüssiger Tränen aus den Augen seiner Opfer saugt, geht dann doch etwas weit. Dass Sam sich roter Lakritz als Waffe bedient, setzt dem ganzen noch die Krone auf.
Was dennoch für den Fan einen gewissen Reiz ausübt, sind einige gelungene Verknüpfungen: Ardelia Lortz ist eine der Außenseiter in Kings Universum; sie selbst kann Stephen King nicht ausstehen (siehe auch Stephen King (Person)); Naomi mag Paul Sheldon; Sam Peebles' Büro wird später Platz für Leland Gaunts neuen Laden Answered Prayers bieten.
Fazit: Starker Anfang, zu abgedrehter Schluss.
winterspecht (3 / 5)
Stephen King, den man abgesehen von seinem Ideenreichtum auch als hervorragenden Psychologen kennt, führt uns in dieser Novelle (die King selbst aufgrund der Anzahl an Wörtern so nennt, die aber fachlich gesehen eher ein Kurzroman ist) den Verdrängungsmechanismus seiner Figuren vor. Sam Peebles hat die Vergewaltigung, die ihm als Kind widerfuhr, verdrängt. Durch diese Untat wird sowohl der Schauplatz (Bibliothek), das Manifest der Angst (Der Bibliothekspolizist) sowie die Waffe (in zweierlei Hinsicht, nämlich a, sich der Angst stellen; b, roter Lakritz zwingend. Aus psychologischer Hinsicht nahezu perfekt durchdacht ist hierbei die Angst als Nahrungsquelle des Wesens, das sich hinter (oder in) Ardelia Lortz verbirgt. Dass diese Angst über besondere Tränen transportiert wird, ist eine weitere notwendige Manifestation unterbewusster Vorgänge. Die Beschreibung der Szene, in der Ardelia einem Kind diese Angst mit einem Rüssel absaugt, wird deshalb als besonders erschreckend wahrgenommen. Als erstes fiel mir zu dieser Szene ein, dass es eine spezielle Art Nachtfalter in den Tropen gibt, die sich von Tränen ernährt, die sie ihren schlafenden Opfern aus den Augen saugt. Ob King das wusste oder nicht, soll hier kein Thema sein. Dave Duncan ist die zweite Figur, die verdrängt. Der Augenblick, in dem er seine Geschichte erzählt, wird somit zu einer Katharsis, Duncan zu einer Schlüsselfigur, ohne deren Offenbarung eine Lösung nicht möglich gewesen wäre. Darüber hinaus gehört die von ihm geschilderte Begebenheit zum Höhepunkt der Novelle. Grossartig wechselt King hier den Ton: Ardelia braucht einen Gefährten und Duncan tappt in die Falle des Sexus. Wenn man wollte, könnte man das Prinzip der Verdrängung ausweiten, z.B. verschweigt die gesamte Stadt die Ära Lortz. Man könnte die Teilnehmer der Anonymen Alkoholiker hinzufügen (laut Duncan sind viele darunter Opfer der Lortz'schen Märchenstunde gewesen), aber es geht hier nicht um eine psychologische Studie, sondern um einen Vorschlag, wie man die Geschichte lesen kann.
Fazit: Auch ich gebe nur 3 von 5 Punkten, weil ich andere Geschichten von King kenne, die eine 4 oder eine 5 verdient haben. Originell ist das hier aber allemal.
Mr. Dodd (3 / 5)
Eine mittelmäßige Novelle. Stephen King versucht hier zuviele gute Ideen auf einmal zu bearbeiten, die sich nicht unterstützen, sondern behindern.
Der Anfang gefällt mir noch ganz gut, die Begegnung von Sam Peebles mit Ardelia Lortz ist ein bisschen unheimlich, aber wirkt noch völlig normal. Danach jedoch driftet das ganze in Extreme ab, die zu sehr ausgereizt werden. Die Art wie sich die Situation zuspitzt, geht mir zu schnell und ist zu schnell extrem paranormal. Damit meine ich das Verhalten von Sam Peebles, sowie die Begegnung mit dem Bibliothekspolizisten. Daves Geschichte hingegen ist mir dann ein Stück zu weit hergeholt. Das Ardelia ein angstsaugender Vampir ist, ist nicht schlecht, aber es ist weder neu, noch glaubhaft umgesetzt. Die Bedrohung, die von ihr ausgeht, wird irrsinnig gesteigert. Dagegen wirkt der Rest dann aber zu einfach mit der rosa Lakritze und Sams Erinnerung an seine Vergewaltigung, durch einen Verrückten, der sich als Bibliothekspolizist ausgab.
Das Ende dagegen macht keinen wirklichen Sinn und es wäre besser gewesen, Naomi hätte diesen Parasiten unbemerkt weitergetragen. So ist das Ende nur das Herausschinden von noch etwas Spannung, die aber antiklimaktisch zerstört wird. Alles in allem kein wirklich gutes Werk, es fehlt ein roter Faden, eine konsequente Handlung und ein vernünftiges Ende.
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