Carrie: Rezension: Unterschied zwischen den Versionen
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Das Ganze erinnert ein wenig an ''[[Amok]]'', den er aus Sicht von [[Charlie Decker]] in etwa um die gleiche Zeit schreibt. In beiden Werken sehen wir den enormen Aufwand, den es für manche Schüler bedeutet, einfach nur normal zu sein, normal erwachsen zu werden. Und zwei Möglichkeiten, wie sie scheitern. In ''Carrie'' verstärkt King die scheinbare Ausweglosigkeit, in dem er Carrie White als Spielball zweier extrem unterschiedlicher Welten darstellt. Der fanatischen Margaret White auf der einen Seite, und der Schüler und ihren Eltern auf der anderen. | Das Ganze erinnert ein wenig an ''[[Amok]]'', den er aus Sicht von [[Charlie Decker]] in etwa um die gleiche Zeit schreibt. In beiden Werken sehen wir den enormen Aufwand, den es für manche Schüler bedeutet, einfach nur normal zu sein, normal erwachsen zu werden. Und zwei Möglichkeiten, wie sie scheitern. In ''Carrie'' verstärkt King die scheinbare Ausweglosigkeit, in dem er Carrie White als Spielball zweier extrem unterschiedlicher Welten darstellt. Der fanatischen Margaret White auf der einen Seite, und der Schüler und ihren Eltern auf der anderen. | ||
− | Carries Mutter ist in ihrer eigenen fanatischen Welt gefangen. Christ zu sein reicht nicht aus, denn auch die Baptisten und Methodisten seien gottlos. Jegliche Andeutung von Sexualität sieht sie als Spiegelbild von Evas Sünden im Paradies, die sie zu verhindern versucht. In ihrem Wahn ist sie sich zu keinem Zeitpunkt bewusst, dass das, womit sie Carrie schützen will, ihrer Tochter zu großem Unglück verhilft. Ihr Wahn ist schlussendlich ihr Todesurteil und die Art und Weise wie sie stirbt zeugt vor allem von Kings großer Abgebrühtheit, denn es der erste Tod des Romans, der über mehrere Zeilen ausgestreckt wird. | + | Carries Mutter ist in ihrer eigenen fanatischen Welt gefangen. Christ zu sein reicht nicht aus, denn auch die Baptisten und Methodisten seien gottlos. Jegliche Andeutung von Sexualität sieht sie als Spiegelbild von Evas Sünden im Paradies, die sie zu verhindern versucht. In ihrem Wahn ist sie sich zu keinem Zeitpunkt bewusst, dass das, womit sie Carrie schützen will, ihrer Tochter zu großem Unglück verhilft. Ihr Wahn ist schlussendlich ihr Todesurteil und die Art und Weise wie sie stirbt zeugt vor allem von Kings großer Abgebrühtheit, denn es ist der erste Tod des Romans, der über mehrere Zeilen ausgestreckt wird. |
Man kann sich wahrscheinlich ausgiebig über die Symbole auslassen, die King im Roman einstreut. Das wiederkehrende Motiv des Blutes im Gegensatz zu Carries Nachnamen. Die Tatsache, dass die Eltern der Kinder zum großen Tiel sterben, die auf dem Abschlussball Carrie auslachen. Dass King ausschließlich den Sex als positiv beschreibt, den Sue Snell mit ihrem Freund hat, nachdem sie Reue gegenüber Carrie zeigt. Doch in meinen Augen gehört das in den ''Prototypenbereich'' dieses Romans. King war mit Mitte 20 noch nicht soweit. Viele dieser Dinge wirken noch etwas ungelenk. Wenn er versucht, in die Gedankenwelt einer jungen Frau vorzudringen habe ich eher das Gefühl eines Spanners (Harte Brustwarzen einer 16-jährigen sind nicht gerade leichtes Lesematerial) und auch die Einschübe wirken an manchen Stellen zu gewollt. Als würde jemand eine Abkürzung suchen und sich nicht die die Zeit nehmen, ein Thema ernsthaft in den Text mit hineinzuarbeiten. | Man kann sich wahrscheinlich ausgiebig über die Symbole auslassen, die King im Roman einstreut. Das wiederkehrende Motiv des Blutes im Gegensatz zu Carries Nachnamen. Die Tatsache, dass die Eltern der Kinder zum großen Tiel sterben, die auf dem Abschlussball Carrie auslachen. Dass King ausschließlich den Sex als positiv beschreibt, den Sue Snell mit ihrem Freund hat, nachdem sie Reue gegenüber Carrie zeigt. Doch in meinen Augen gehört das in den ''Prototypenbereich'' dieses Romans. King war mit Mitte 20 noch nicht soweit. Viele dieser Dinge wirken noch etwas ungelenk. Wenn er versucht, in die Gedankenwelt einer jungen Frau vorzudringen habe ich eher das Gefühl eines Spanners (Harte Brustwarzen einer 16-jährigen sind nicht gerade leichtes Lesematerial) und auch die Einschübe wirken an manchen Stellen zu gewollt. Als würde jemand eine Abkürzung suchen und sich nicht die die Zeit nehmen, ein Thema ernsthaft in den Text mit hineinzuarbeiten. |
Version vom 6. Mai 2016, 00:55 Uhr
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Inhaltsverzeichnis
Croaton (5 / 5)
In meiner Referendarszeit gab mir ein Lehrer einen gut gemeinten Rat (den ich mittlerweile für blödsinnig halte): Besprich mit einer Klasse niemals ein Buch, das dir am Herzen liegt, denn wenn die Arbeit es nicht kaputt macht, dann spätestens die Reaktion der Schüler, die sowieso alles kategorisch ablehnen. So wählte ich für meinen ersten Leistungskurs Englisch, mit dem ich natürlich (!) unbedingt King lesen wollte, Carrie – kurz und meines Erachtens nicht so der Hammer. Sollte es mir madig gemacht werden, halb so wild.
Doch siehe da: Der Kurs war begeistert; Diskussionen über Carrie White, ihre teuflische Mutter und vor allem über die zum Erwürgen einladende Chris Hargensen ließen die Teilnahmebereitschaft am Unterricht in ungekannte Höhen steigen. Carrie war den Schülern allein altersmäßig näher als mir, und so versetzte ich mich weniger in Carrie, als in meine Kursteilnehmer – und verliebte mich in das Buch.
Man muss einfach mit Carrie fühlen, die im Schatten ihrer verrückten Mutter keinerlei Entfaltungsmöglichkeiten hat und erst in den letzten Tagen ihres Lebens so etwas wie Freiheit oder Glück erfährt. Der (anfangs so von King gar nicht geplante und nur zur Streckung des Kurzromans nachträglich hinzugefügte) Kunstgriff der Einschübe zieht die Spannungsschraube zu, da man – während die Handlung noch eher harmlos zu sein scheint - von den katastrophalen Ausmaßen erfährt, welche die Geschichte noch annehmen muss. Dass es Bücher über Carrie und sogar eine White-Kommission gibt und man bereits zu Beginn von "überlebenden Mitschülern" spricht, kommt wie ein Schock – man will unbedingt weiter lesen und wissen, was ihr nur geschehen mag. Der Hass, den King auf Margaret und Chris schürt, hält den Leser ebenfalls bei der Stange, denn er will vor allem eins: Rache!
Das Buch Carrie führt ein Schattendasein und wird angesichts des gewaltigen Gesamtwerks Kings oft übergangen oder als Erstling belächelt (es ist bezeichnend, dass der Roman Anfang 2008 selbst hier im KingWiki noch völlig unterging – drei Zeilen über Carrie White, sonst nichts!) – doch abgesehen von Anspielungen auf Personen und sonstige damals aktuellen Dinge, die man heute nicht mehr oder nur schwer versteht, hat der Roman nichts an seiner Brisanz verloren. Gut, Telekinese ist in unserer Zeit nicht mehr so spannend wie in den 70ern, doch das Schicksal gemobbter Schüler ist aktueller denn je.
Fazit: Kurz, spannend, nachdenklich stimmend – und völlig zu unrecht auch für viele King-Fans ein Mauerblümchen. Tipp: Entdeckt Carrie wieder!
Mr. Dodd (4 / 5)
Kings großer Durchbruch ist im Vergleich zu späteren Romanen sicherlich kein Meisterwerk. Dafür ist es zu wenig detailliert und strukturiert, die Charaktere zu schablonenartig. Und um den Inhalt zu füllen, musste King noch Zeitungsartikel, Berichte und Auszüge aus Büchern einfügen, um überhaupt eine vernünftige Anzahl an Seiten zu bekommen.
Trotzdem lässt es sich ganz gut lesen, Carrie ist eine der schon früh gescheiterten Existenzen, zu denen ich automatisch fast immer eine Sympathie aufbaue. Ihre Mutter der für mich personifizierte Unsympath in Person, religiöser Wahnsinn, der das eigene Kind tyrannisiert und mir klarmacht wieviel Böses die christliche Glaubenslehre doch hervorbringen kann. Einer der Gründe, warum aus mir niemals ein Gläubiger werden wird und ich jede Art von Missionierung entschieden ablehne.
Genauso gut wie in Feuerkind fand ich den schmalen Grat, ab dem aus einer einzigen falschen Tat eine Katastrophe entsteht. Hier sind es die Eimer bei der Ballnacht, die letztlich Carries Inferno gegen die Stadt auslösen. Genauso verständlich wendet sie das an wie Charlie.
Ein wunderbar zu lesender Roman, wenn auch noch nicht mit der Kingschen Detailgenauigkeit und vielschichtigen Figuren.
Tiberius (5 / 5)
Kann man einen Künstler nach seinem ersten Werk beurteilen? Kann man ohne Weiteres zum Anfangspunkt einer über 40 Jahre andauernden Karriere zurückkehren und ganz objektiv den zuerst veröffentlichtten Roman besprechen, ohne die Fülle von Nachfolgern im Hinterkopf zu haben? Wohl kaum. Daher konzentriere ich mich hier nicht auf alle Punkte die mir einfallen. Für episches ist vielleicht an anderer Stelle Platz.
Carrie ist in meinen Augen Kings Prototyp für viele Dinge, die er erneut in späteren Geschichten einsetzen wird. Es ist gleichzeitig einzigartig in seiner Art und Weise, wie uns King als Leser mit dem Schrecken auseinandersetzt. Denn schon nach der Hälfte des äußerst kurzen Romans (Pin Up, eine Novelle, ist nur unwesentlich kürzer als der Roman), wird klar, dass wir uns als Leser auf dem besten Weg in ein Dilemma befinden. King konfrontiert uns mit Carrie White und stellt sie uns als Opfer dar. Ein Opfer, welches nach dem Ende ihrer Tat mehrere hundert Menschenleben auf dem Gewissen haben wird. Eine junge Frau, die schon seit dem ersten Tag der Grundschule gehänselt und drangsaliert wird. Deren einziger Wunsch es ist, dazuzugehören. Doch würde sich das wirklich lohnen?
Denn wie hoch ist denn der Lohn dazuzugehören, wenn selbst die Aussichten der erfolgreichen Schüler sich im Umkreis weniger Kilometer um Chamberlain bewegen? King lässt es Tommy Ross deutlich ausdrücken. Selbst er, der intelligente Sportlerstar, der beliebteste Junge der Ewen High, sieht seine Zukunft in der Werkstatt seines Vaters und vor dem Tresen der Bars. Oder etwa wie die meisten der Mädchen der Schule? Deren Aussicht auf ein Leben außerhalb Chamberlains ebenfalls gering sind, wenn sie nicht gerade Glück haben und einen aufstrebenden Banker nach Kalifornien folgen oder durch die Beziehungen ihres Vaters in einem College in Ohio landen könnten? Kings Bild der hänselnden und Streiche spielenden Meute zeigt vor allem der Kampf des Durchschnitts gegen die Schwächeren, um ihre Verfehlungen und ihre eigenen Schwächen zu ignorieren oder um zu verhindern, selbst Opfer von Hänseleien zu werden.
Das Ganze erinnert ein wenig an Amok, den er aus Sicht von Charlie Decker in etwa um die gleiche Zeit schreibt. In beiden Werken sehen wir den enormen Aufwand, den es für manche Schüler bedeutet, einfach nur normal zu sein, normal erwachsen zu werden. Und zwei Möglichkeiten, wie sie scheitern. In Carrie verstärkt King die scheinbare Ausweglosigkeit, in dem er Carrie White als Spielball zweier extrem unterschiedlicher Welten darstellt. Der fanatischen Margaret White auf der einen Seite, und der Schüler und ihren Eltern auf der anderen.
Carries Mutter ist in ihrer eigenen fanatischen Welt gefangen. Christ zu sein reicht nicht aus, denn auch die Baptisten und Methodisten seien gottlos. Jegliche Andeutung von Sexualität sieht sie als Spiegelbild von Evas Sünden im Paradies, die sie zu verhindern versucht. In ihrem Wahn ist sie sich zu keinem Zeitpunkt bewusst, dass das, womit sie Carrie schützen will, ihrer Tochter zu großem Unglück verhilft. Ihr Wahn ist schlussendlich ihr Todesurteil und die Art und Weise wie sie stirbt zeugt vor allem von Kings großer Abgebrühtheit, denn es ist der erste Tod des Romans, der über mehrere Zeilen ausgestreckt wird.
Man kann sich wahrscheinlich ausgiebig über die Symbole auslassen, die King im Roman einstreut. Das wiederkehrende Motiv des Blutes im Gegensatz zu Carries Nachnamen. Die Tatsache, dass die Eltern der Kinder zum großen Tiel sterben, die auf dem Abschlussball Carrie auslachen. Dass King ausschließlich den Sex als positiv beschreibt, den Sue Snell mit ihrem Freund hat, nachdem sie Reue gegenüber Carrie zeigt. Doch in meinen Augen gehört das in den Prototypenbereich dieses Romans. King war mit Mitte 20 noch nicht soweit. Viele dieser Dinge wirken noch etwas ungelenk. Wenn er versucht, in die Gedankenwelt einer jungen Frau vorzudringen habe ich eher das Gefühl eines Spanners (Harte Brustwarzen einer 16-jährigen sind nicht gerade leichtes Lesematerial) und auch die Einschübe wirken an manchen Stellen zu gewollt. Als würde jemand eine Abkürzung suchen und sich nicht die die Zeit nehmen, ein Thema ernsthaft in den Text mit hineinzuarbeiten.
Doch das Endergebnis stimmt. Mir gefällt der bei mir ausgelöste gedankliche Konflikt zwischen der gefühlten Gerechtigkeit und der Schuld eine ganze Stadt ihrem langsam Tod zu überlassen. Denn was ist hier wichtiger? Ein gehänseltes, unterdrücktes und drangsaliertes Mädchen, welches ihre letzte Rache bekommen hat, oder die gewöhnliche, scheinbar ereignislose Zukunft der Bewohner von Chamberlain?
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