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Fazit: Interessante Grundidee, sehr starker Einstieg, sehr zähe Mitte (Jodieweile kann meiner Meinung nach schon als Synonym dafür herhalten), dramatischer Höhepunkt und ein unbefriedigendes Ende. King hätte den Fokus vielleicht noch ein bisschen mehr auf das Attentat und die Auswirkungen legen sollen, anstatt die Susan-Roland-Beziehung im Gewand von zwei Schullehrern neu aufleben zu lassen.
== Landkärtchen (4 / 5)==
Beim Abwasch oder der Dienstreise: Die deutsche Hörbuchversion, gesprochen von David Nathan (u.a. Synchronsprecher von Johnny Depp), ersetzt nicht nur die Buchstaben sondern trägt dazu bei, das Kopfkino noch deutlicher werden zu lassen. Aber es müssen schön viele Haushaltstätigkeiten oder etwas Reisetätigkeit zusammen kommen, ehe man die ca. 30 Stunden hinter sich gebracht hat. Und ich muss zugeben: Unterbricht man dieses Kino eine Zeit lang, was gezwungenermaßen nicht ausbleibt bei 30 Stunden, erfordert es schon etwas Energie, nach einigen Tagen der Pause die Radiomusik wieder abzuschalten und sich wieder zu vertiefen.
Was wir serviert bekommen ist keine Kurzgeschichte.
Aber das sieht man vor dem Kauf. Es war zu erwarten, dass bei diesem Volumen das volle Spektrum an Gefühlen, Fakten und Fantasien zusammen kommen wird. Dass man nicht in jedem Absatz Spannung erwarten kann, sondern sich auch auf andere literarische Werte wird einlassen müssen. Und dass es sich hier um einen Roman mit historisch faktischen Elementen handelt, die akribisch recherchiert in die Inszenierung eingebettet werden müssen. Es ist zu erwarten, dass historische Details den Leser ermüden lassen, ehe dann die Fantasie wieder die Oberhand gewinnt.
Doch das stimmt nicht ganz. Gerade der historisch exakte Ablauf des Attentats, soweit er denn bekannt ist, wird in eine schnelle Abfolge an Handlung mit gehörig Spannung eingebettet. Der Verlust Sadies an dieser Stelle ist zwar literarisch primitiv, aber trotz allem ein notwendiger Bestandteil, um den Roman so abzuschließen, wie er endet. (Noch heftiger wäre es gewesen, wenn Sadie bereits im Bus das zeitliche segnet -- oder noch besser: Es dem Protagonisten in diesem Zeitstrang nie wirklich bekannt wird, ob sie überleben wird.) Jedoch...
...darf man diesen Roman in der Spannungserwartung eben nicht über-strapazieren. Im Gegensatz zu einem reinen Fantasie-Roman gibt es hier noch den äußersten Rahmen der Historie. Der für den Leser wahrhaftig realistisch ist. Das ist das tatsächlich Besondere. Die Rahmenhandlung spielt in unserer Welt. Zu einem Zeitpunkt als wahrscheinlich der die Erde und uns vernichtende 3. Weltkrieg nie näher stand als zu diesem Zeitpunkt.
Dieser Punkt. Genau bei diesem Punkt waren während der gesamten Hörphase meine Fragezeichen am größten: Wird King es wagen, eine im US-amerikanischen Sinne fatale Entwicklung der Spannungen im Rahmen der Kubakrise zu entwickeln, die einen dritten Weltkrieg als Ergebnis zur Folge haben? Wird er es wagen, Kennedy leben zu lassen, um eine für das heutige Amerika und die Welt klare Entscheidung zu fällen? Wäre es mit einem jungen Präsidenten möglich gewesen, die Farce eines dritten Weltkriegs auszulösen? Weil die Weitsicht eines Mannes über die Folgen nicht ausreichend waren? Weil es die 99 Luftballons am Himmel zwischen Kuba und Amerika gab, die einen Gegenangriff in russische Richtung auslösten?
Welchen Kunstgriff würde King anwenden, um diesem politischen Spagat geschickt auszuweichen?
Nein. Hier hat mich King enttäuscht. Er ist dieser Brisanz ausgewichen, in dem er in die Region der Schurkenstaaten ausweicht. Nicht ganz. Er hat dem alten Amerika zugetraut, eine Bombe in Vietnam fallen zu lassen. Politisch in den Langzeitfolgen korrekt gehalten mit den verheerenden Wirkungen der Entlaubungsmittel, die Amerika statt dessen einsetzte. Aber immerhin: Er hat den Vietnamkrieg kritisiert. Aber das ist politisch gerade noch korrekt in einer Demokratie.
Nun, er hat sich um all das herum gewunden. Statt dessen müssen Zeitstrangverschlingerungen mit akustischen Phenomänen und Erdbeben herhalten, um dem Protagonisten den Rest zugeben, der Liebe zu Sadie nicht hinterher zu jagen, sondern die Welt wieder zu richten. Wobei: Rein logisch müsste er bei seiner letzten Rückkehr in die Zukunft (Jetztzeit) noch einmal kurz zurück gehen, um auch den letzten Strang (der seiner Rückkehr, in der er nur noch seine Aufzeichnungen machte) auszulöschen. Warum tat er diesen logischen Schritt nicht? Warum schreibt er ewig an seinen Erlebnissen, um sie zu verbuddeln? Er hätte sie doch nur mitnehmen brauchen? Warum, warum?
Am Ende bleiben Fragen offen. Aber nur über das Ende.
Ich würde den Sinn der Kartenmänner nicht überstrapazieren. Auch nicht die Logik der parallelen Zeitstränge. Aber warum gibt King den Kartenmännern in Form eines Neuen Kartenmannes einen so wesentlichen Sinn? Der Ordnung der Zeit halber? Dann wäre es ein Leichtes gewesen, die letzte Rückkehr auch noch auszulöschen und die Blase zum erlöschen zu bringen.
Genau genommen ist doch aber die Schnittstelle der Zeitreise gar nicht der entscheidende Punkt der Handlung, sondern die Verhinderung des Anschlags verbunden mit den persönlichen Erfahrungen des Protagonisten über die Zeit. Den Dingen die davor passierten. Diese Dinge machen den Schwerpunkt des Buches aus. Die Liebe zu Sadie insbesondere. Der allerletzte Abschluss ist dann auch wieder sehr gefühlsbetont und im Einklang mit 90 Prozent des Buches.
Für mich ist das Buch ein spannungsvoller Liebesroman mit fantastischen Elementen und realistischem Bezug. In diesem Sinne hat es mich in seinen Bann gezogen. Und ich bereue nicht, David Nathan zugehört zu haben, der all den unterschiedlichen Personen recht eindeutig zu identifizierende Stimmen verliehen hat. Das macht das deutsche Hörbuch so faszinierend. Dazu kommt der historisch detailliert recherchierte Ablauf um Lee Oswald. Die Mischung aus historischer Realität und Fantasie fand ich sehr ausgewogen, dem Handlungsablauf nach dem Attentat jedoch kommt ein bisschen einem professionellen Coitus Interruptus gleich. So, als ob der Verlag endlich den Abschluss des Romans verlangt hat. Oder King selber schon in den Überlegungen zum nächsten Roman steckte und den "Alten" zum Abschluss bringen musste.
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