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Der Musterschüler: Rezension

2 Byte entfernt, 10:01, 5. Okt. 2018
Horaz Klotz (4 / 5)
Es ist eine gute Idee, die Geschichte ganz auf die beiden Hauptfiguren zuzuschneiden. Dussander und Todd entwickeln sich zu fesselnden Charakteren und die immer wechselnden Machtverhältnisse in ihrer komplizierten Beziehung sorgen für immer neue Spannungen, da braucht es keinen großen Fokus auf Nebenfiguren. Dabei stört es mich kein bisschen, dass keine unserer Hauptfiguren als Identifikationsfigur taugt. Im Gegenteil, ich verbringe gern mal ein bisschen Zeit in komplett fremden, kruden Gedankenwelten. Und besonders Todds Gespräche mit seinen Eltern, bei denen er versucht die Heile Welt-Fassade aufrecht zu halten, während in seinem Inneren mörderischer Hass tobt, bringen auch eine komische Note in die sonst oft schwer verdauliche Geschichte. Dabei durchläuft unser Musterschüler eine Verwandlung nach der anderen, verstrickt sich mehr und mehr in seine Gewaltfantasien, wird vom unschuldigen Hobbydetektiv zum Mörder und von einer pfeifenden Frohnatur zum gehetzten Nervenbündel. Es spricht für Kings Talent, dass der Charakter in jedem Stadium funktioniert und jede Entwicklung halbwegs nachvollziehbar verläuft. Dussanders Teil der Geschichte kann hier leider nicht immer mithalten. Sein "zweiter Frühling" als Massenmörder ist nett schaurig beschrieben und wenn er mit der Dreistigkeit des wahren Psychopathen über die amerikanische Kriegsmentalität lästert funktioniert das hervorragend. Dagegen fand ich die ausgedehnte Szene mit der Katze und im Tierheim, in der er etwas unmotiviert beginnt niedliche Tierchen umzubringen um sich und uns daran zu erinnern, dass er ein eiskalter Killer ist, ein bisschen überzogen. Außerdem verliert sich seine Geschichte in der zweiten Hälfte etwas zu sehr in immer gleichen Traumbeschreibungen - ein vergleichsweise billiger psychologischer Trick, auf den King leider immer wieder gern zurückgreift.
Von den Nebenfiguren bleibt besonders Betreuungslehrer French in Erinnerung. Mr und Mrs Bowden funktionieren zwar als Vorstadt-Abziehbilder, auf die sich Todds tobendes Unterbewusstsein einschießen kann, bleiben aber sonst relativ farblos. Weiskopf hat ein paar wirklich nette Szenen, taucht aber zu spät auf um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Bleibt noch der Betreuungslehrer. King traut sich hier im Klischee zu bleiben - wenn unser Protagonist der hochintelligente, sportliche und auch sonst perfekte Musterschüler ist, ist seine Nemesis natürlich eine inkompetente Witzfigur. So stolpert French teilweise ein bisschen unkoordiniert durch die Handlung und muss immer wieder Glückstreffer spendiert bekommen, um am Ball bleiben zu können. Diese Naivität gepaart seiner grundsätzlichen Menschenfreundlichkeit, die so gar nicht in die Geschichte zu passen scheint, macht ihn dann auch zum perfekten Opfer. Wenn Todd einen Menschen mit Namen und eigener Geschichte ermorden musste, damit auch der Letzte versteht wie gewissenlos Todd er inzwischen ist, war der harmlose Gummi-Ede die perfekte Wahl.
Dagegen wirken die zahlreichen Morde an Obdachlosen teilweise etwas unmotiviert. Zumal es tatsächlich ein ziemlicher Zufall ist, dass sich unsere beiden Hauptfiguren ziemlich zeitgleich auf diesen Personenkreis einschießen. Das hätte wahrscheinlich besser funktioniert, wenn sie schon früher einen gemeinsamen Mord begangen oder sich zumindest etwas intensiver über das Thema "Endlösung für das Pennerproblem" unterhalten hätten, Zeit genug hätte sie ja gehabt. Außerdem stört mich die Stelle an der die toten Obdachlosen in die Handlung geschoben werden - der Horror der Versetzungsgefährdung wurde abgewendet, die Beziehung zwischen Todd und Dussander kühlt gerade ab, also werden ein paar Morde begangen um die Spannung zu halten. Daneben bleibt die grundsätzliche Frage ob es nötig war, den realen Schrecken des Holocaust, die an Dussanders Küchentisch ausgebreitet werden, diese fiktiv-blutigen Morde gegenüber zustellen.
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