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→Horaz Klotz (4 / 5)
Mit ''Der Musterschüler'' zeigt King einmal wieder, wie gut er - ohne jeden übernatürlichen doppelten Boden - über ganz menschliche Monster schreiben kann. Dabei ist es eine Geschichte bei der sehr viel stimmen muss, damit sie funktioniert. Die Schrecken des Konzentrationslager dürfen weder verharmlost noch für pure Schockeffekte ausgeschlachtet werden. Dussander muss erpressbar sein ohne zum tragischen Opfer zu werden. Die Hauptfiguren müssen nachvollziehbar genug sein, dass der Leser mit ihnen mitfiebern kann, ohne dass ihre Taten entschuldigt werden. Sie dürfen weder zu sympathisch noch reine langweilige Klischeebösewichte werden. Bis auf einige kleine Ausrutscher umschifft King jede dieser Klippen - das ist schon mal eine Leistung für sich. Und ganz nebenbei webt er noch eine Anklage an die amerikanische Vorzeigefamilie ein, die die Story bis heute erschreckend aktuell macht. Der All American Boy Todd Bowden ist ein eiskalter Psychopath - aber er ist auch Spiegel einer Gesellschaft, in der Eltern sich nur für Noten und Sportabzeichen interessieren, junge Männer rund um die Welt in Kriege geschickt werden und eine Portion Rassismus so natürlich dazugehört wie die Coke zum Burger.
Von den Nebenfiguren bleibt besonders Betreuungslehrer French in Erinnerung. Mr und Mrs Bowden funktionieren zwar als Vorstadt-Abziehbilder, auf die sich Todds tobendes Unterbewusstsein einschießen kann, bleiben aber sonst relativ farblos. Weiskopf hat zwar ein paar wirklich nette Szenen, taucht aber zu spät auf um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Bleibt noch der Betreuungslehrer. King traut sich hier im Klischee zu bleiben - wenn unser Protagonist der hochintelligente, sportliche und auch sonst perfekte Musterschüler ist, ist seine Nemesis natürlich eine inkompetente Witzfigur. So stolpert French teilweise ein bisschen unkoordiniert durch die Handlung und muss immer wieder Glückstreffer spendiert bekommen, um am Ball bleiben zu können. Diese Naivität gepaart seiner grundsätzlichen Menschenfreundlichkeit, die so gar nicht in die Geschichte zu passen scheint, macht ihn dann auch zum perfekten Opfer. Wenn Todd einen Menschen mit Namen und eigener Geschichte ermorden musste, damit auch der Letzte versteht wie gewissenlos Todd inzwischen ist, war der harmlose Gummi-Ede die perfekte Wahl.