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ein, zwei Zeilen zur Rezension
Der Roman beantwortet diese Frage auf schaurige Art, denn das Ende zerstört die kleine, glückliche Familie endgültig und endet noch dazu fies offen, auch wenn jeder wissen dürfte, was passiert. Atmosspährisch dicht, ständig düster, mit kaum fröhlichen Momenten, aber reich an Spannung und interessanten Diskussionen über den Tod, ist ''Friedhof der Kuscheltiere'' eines der besten Werke von King. Gleichzeitig aber so deprimierend und offen grausam, so das ich vollstes Verständnis habe, weshalb King lange wartete mit der Veröffentlichung.
== [[Benutzer:Andreas|Andreas]] (5 / 5) ==
Düster und deprimierend? Ein Buch voller Angst und der Beschäftigung mit dem Tod? Und das von Stephen King? Das kann doch nur gut sein, oder? Stephen King hat mit dem im November 1983 veröffentlichten Roman ein durchaus vielschichtiges und dennoch verständliches Werk geschaffen. Er bedient sich Elementen aus seinem ganz eigenem Leben, aus der traditionellen Mythologie von Maine und ganz nebenbei mehrerer popkultureller Einflüsse. Schauen wir uns doch mal näher an, warum dieses Buch so hervorragend ist.
Es ist vor allem einfach zu greifen. King spielt hier mit Ängsten, die ganz alltäglich sind. Der Angst vor dem Tod und dessen Entgültigkeit. Die Schwierigkeit von Erwachsenen nicht nur selbst damit umzugehen, sondern auch ihren Kindern und Partnern das Thema beizubringen. King stellt seine Hauptakteure mit ihren extrem wirkenden Erfahrungen schonungslos vor. Louis, der seinen Vater mit drei verliert und als Kind durch seinen Onkel und dessen Tätigkeit als Bestatter das Lebensende intensiv erlebt hat. Rachel Creed, die durch das qualvolle Ende ihrer Schwester Zelda Panik und Terror empfindet. Jud Crandall, der so lange lebt, dass er den Tod seiner Freunde, seiner Familie und mehrere Generationen der Einwohner von Ludlow miterleben muss. Und darüber hinaus Nebenfiguren wie Ellie Creed, die das Thema Tod erst zu begreifen lernt, Norma Crandall, die zuerst voller Angst und schlussendlich von Akzeptanz geprägt ist. Selbst Randfiguren wie der Pathologe Rynzwyck haben ihren kleinen Part. Der Doktor des Krankenhauses von Bangor ist von Toten so enorm umgeben, dass er bedenkenlos seine Vormittage beim Golfen verbringt.
All das schwebt von Anfang des Romans an über dem Leser, der vor die Wahl gestellt wird, mit welcher Figur er sich am ehesten identifizieren kann. Es ist nur natürlich, dass Louis Creed der Favorit dabei ist. Er ist schließlich der Hauptcharakter und Der, den wir bei seinem Scheitern beobachten. Kings ganz eigenes Leben fließt heftig in Louis ein. Auch er zog 1978 mit seiner jungen Familie für eine Stelle an der University of Maine in Orono um. Nicht nach Ludlow, sondern in das im Roman erwähnte Burrington. Aber dennoch gleichen sich King und Creed sehr. Beide sind finanziell zwar nicht auf Rosen gebettet (King war es zu dem Zeitpunkt noch nicht), aber diese Angst ist hier – im Gegensatz zu anderen Geschichten – gar nicht vorhanden. Louis und Stephen haben Frau und junge Kinder, um die sie sich neben ihren ganz eigenen Problemen kümmern müssen. Selbst die vielbefahrene Straße vor dem Haus und der von einheimischen Kindern angelegte Tierfriedhof ist bei Beiden gleich. King sei die Idee zum Friedhof der Kuscheltiere gekommen, als sein Sohn Owen fast von einem Wagen erfasst wurde. Die Ängste, die man dabei aussteht, kann wohl nur ein Elternteil wirklich begreifen.
Auch King wurde ohne eigenen Vater groß, und doch sehe ich bei Louis Creed vor allem die Figur des Polizisten Howie aus The Wicker Man vor mir. Der rational denkende Mann, der sich plötzlich heidnischen Ritualen und Mythen gegenüber steht. Insgesamt halte ich Louis Creeds Scheitern und der Untergang von ihm und seiner Familie für besonders tragisch. Denn während des ganzen Romans bin ich weniger vom Tod der Figuren entsetzt, denn von der Abwendung des Arztes von seinen eigenen Grundsätzen. Wir erfahren von ihm, dass er schon als Kind bei seinem Onkel aushalf, Leichen für Beerdigungen herzurichten. Selbst seiner Tochter und seiner Frau gegenüber verteidigt er den Tod als natürliches Ende des biologischen Zyklus. Und doch wirft ihn der Tod komplett aus der Bahn. Dass er versucht, seinen Sohn zurückzubringen ist dabei der traurige Höhepunkt seiner Niederlage. Schon bei Church – wie passend, dass der Spitzname des Haustieres Kirche auf deutsch heißt – ist er aber schon fernab der Wirklichkeit. Von allen guten Geistern verlassen trifft es wohl banalerweise. Natürlich war der Kater ein Bestandteil der Familie. Aber ist die Wiederkehr als Zombiekatze wirklich besser als seinen Fehler beim Aufpassen zuzugeben?
Der Tod seines Sohnes, seines absoluten Lieblings, ist ’nur‘ die tragische Konsequenz. Zweifelsohne ist Louis kein schlechter Vater oder Ehemann, aber Gage spielt bei ihm eine besondere Rolle. In seinem Träumen, in denen er in Disney World harmlose Blessuren heilt, sitzt er mit Gage zusammen in einem Traktor der Parade, nicht mit seiner Frau oder seiner Tochter. Er kümmert sich mit etwas mehr Hingabe darum, dass sein Sohn ruhig schläft. Macht das sein Handeln verständlich? Ein Wenig, denn es bleibt dieses Bild, dass der gebildete Akademiker die Leiche seines Sohnes nicht in Ruhe lässt, sondern in seiner egoistischen Trauer ihn lieber als mordenden Sohn zurückhaben will.
Neben Louis‘ Werdegang fasziniert mich vor allem Jud Crandall. Der Mann, der für Louis zum Ersatzvater wird, nimmt für mich eine sehr merkwürdige Rolle ein. Auf der einen Seite steht er der jungen Familie mit Rat und Tat zur Seite. Auf der anderen Seite wirken er und Norma wie die Moderatoren einer schaurigen Manege. Schlimmer noch, denn zumindest Jud moderiert nicht nur, sondern greift aktiv in die Handlung ein. Er erzählt schon am ersten Abend der Creeds vom Tod, er bringt die Familie auf den Tierfriedhof, nur um im Anschluss Louis eine Geschichte über die Faszination der Kinder Ludlows mit dem Begraben ihrer Haustiere näherzubringen. Victor Pascows Auftauchen in Louis‘ Träumen mag ihn erst über die Besonderheit des Indianerfriedhof aufmerksam gemacht haben, aber scheinbar kann nur Crandall ihn über die magische Funktion der Begräbnisstätte erzählen. Er wirkt wie ein Hüter des magischen Ortes, der entweder auf tragische Art und Weise oder vielleicht doch mit voller Absicht, immer wieder für weitere Vorkommnisse dort sorgt. Damit gleicht er verschiedenen Figuren aus Lovecrafts Geschichten. Wie einem Museumswärter, der dem wissenschaftlich auftretenden Professor vor dem warnt, das ihn hinter einem eigentlich vergessenem Portal erwartet. Nur um schreckensvoll danebenzustehen, während das Opfer die Tür öffnet und von Cthulhu in eine andere Dimension zu ziehen. Wenn er fast schon qualvoll davon erzählt, wie viele Freunde oder Mitbewohner Ludlows er hat sterben sehen, von wie vielen Todeszeitpunkten er noch weiß, scheint es so, als wäre er selbst ein Opfer. Ein Opfer seines langen Lebens und ein Opfer, nicht bei dem Ende der Creeds zuschauen zu müssen.
Alles in Allem ist Friedhof der Kuscheltiere keine einfach zu verdauende Geschichte. Nicht so sehr wegen der offensichtlichen Anspielungen auf Zombie-Filme. Ich glaube, auch vor mehr als 30 Jahren gab es genügend heftigeres Material in der Richtung. Es ist vor allem wegen der scheinbaren Ausweglosigkeit nicht ohne. Wie King es auch in anderen Romanen – vor allem denen, die er unter seinem Pseudonym Richard Bachman – darstellt, gibt es nur diese eine Richtung und keinen Ausweg. Das, was Louis Creed sich selbst und seiner Familie antut, scheint wie ein übergroßer Liebesbeweis. Und noch viel schlimmer, es wirkt so flüssig in der Reihenfolge, dass man fast glauben mag, die Creeds waren schon verloren, als sie die Tür ihres Autors vor ihrem Haus in Ludlow geöffnet haben.
Ich denke, Friedhof der Kuscheltiere ist kein literarisch tiefgründiges Buch. King bedient sich in meinen Augen bei vielen bereits zuvor vorhandenen Themen. Zombiefilme und klassische Horrorliteratur seiner Vorbilder spielen eine Rolle. Der Wendigo von den Ureinwohnern wirkt etwas gewollt in die Handlung hineingedrückt, zeigt aber dennoch, dass sich King nicht nur von der Popkultur beeinflussen lässt. Sein eigenes Leben und die dadurch ausgelösten Gefühle stehen wohl vor allem Pate für das, was er auszudrücken versucht.
Klappt das? Auf jeden Fall! Es wirkt düster und beängstigend. Nicht so sehr die Angst vor dunklen Friedhöfen, die von scheinbar nie wirklich zu sehenden Kindern gepflegt werden, oder Wäldern. Sondern vor allem die Angst, dass man sich selbst mit der grundlegenden Frage auseinandersetzen muss, wie man selbst mit dem Thema Tod umgehen will, oder soll, oder kann.
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