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→IX) Horror-Literatur: Teil 5
===IX) Horror-Literatur===
In diesem mit Abstand längsten Kapitel des Buchs bespricht King zehn Horror-Romane, die seiner Meinung nach die Jahre von [[1950]] bis [[1980]] entscheidend geprägt haben. Besonderer Clou ist, dass King viele der Autoren anschrieb und häufig auch Antworten erhielt, die er mit in seine Analysen einbezieht. Es kann nicht Ziel dieser Inhaltsangabe sein, diese langen Analysen genau wiederzugeben; vielmehr sollen die Bücher genannt und die Kernaussagen der Besprechungen wiedergegeben werden.
::[[Peter Straub]]: , '''''Geisterstunde''''' (orig.: ''Ghost Story'')
:Wie der Titel anzeigt, sind Geister zentral für dieses Buch (und für das Werk Straubs im Allgemeinen); jedoch ist der Roman mehr als das. Straub kreiert eine Rahmenhandlung für mehrere Geschichten, die sich so komplex miteinander verweben, dass sie jeder Zusammenfassung spotten. King ordnet ''Geisterstunde'' den Schauerromanen zu (engl.: ''gothic novels'') und lässt Straub in einer Reihe von Auszügen aus Briefen zu Wort kommen, die der Autor seinem Freund King schrieb. Was King vor allen Dingen hervorhebt, ist die Tatsache, dass Straub exakt die Trennlinie erfasst hat, wo das innere und das äußere Böse (siehe Erläuterung weiter vorne) ineinander übergeht:
{{cquote|Viele Verfasser von Horror-Geschichten haben klar erkannt, dass es genau diese Unkenntlichmachung ist, woher das Böse kommt, die das Gute oder lediglich Wirkungsvolle vom wahrhaft Großartigen unterscheidet, aber Erkenntnis und Anwendung sind zwei Paar Stiefel, und beim Versuch, dieses Paradoxon zu erreichen, produzieren die meisten lediglich Durcheinander [...] Dies ist ein Fall, wo man das Ziel entweder mit einem Volltreffer erwischt oder einen Fehlschuss landet. Straub ist ein Volltreffer gelungen.}}
::Anne River Siddons: , '''''The House Next Door''''' / Shirley Jackson, '''''The Haunting of Hill House'''''
:Unter der Überschrift [[Geisterhaus]] fasst King diese beiden Bücher zusammen. Vorab kommt er auf seine (bis dato erschienenen) eigenen Abhandlungen des Themas zu sprechen, nämlich das [[Marsten-Haus]] in ''[[Brennen muss Salem]]'' und das [[Overlook]] in ''[[Shining]]''. Das Marsten-Haus gab es wirklich; es stand in Durhaim, [[Maine]], und zwar in der [[Deep Cut Road]]. Als er mit einem Freund zusammen dort eindrang, schlichen sich andere hinterdrein und erlaubten sich einen Spaß damit, King zu erschrecken - kaum jemals ist er so aus der Haut gefahren (Näheres hierzu siehe [[Marsten-Haus]]). Das Genre "Geisterhaus" ist wohl deshalb so populär und so wirkungsvoll, weil es uns im Herzen trifft, dort, wo wir uns gemütlich niederlassen und unsere Alltagsmasken ablegen können.
:King zeigt sich begeistert von einem bekannten Abschnitt des Buches von Jackson, den er zitiert und anschließend bespricht. Das folgende Zitat soll repräsentativ stehen für Kings typischen Humor:
:Paranoia, so King, gehört in Amerika fast schon zum guten Ton; kein Wunder, dass Finneys Geschichte derart einschlug. Die Filmversion schließlich nutzte das Buch, um die damalige Paranoia gegenüber den Kommunisten zu schüren, was Finney selbst eher albern fand. Er gesteht in einem Brief an King: "Ich habe Erklärungen über die 'Bedeutung' dieser Geschichte gelesen, die mich amüsierten, weil sie überhaupt keine Bedeutung hat; es ist nur eine Geschichte, die unterhalten sollte, ohne tiefere Bedeutung."
:King stimmt durchaus zu, dass in allen Geschichten vorrangig erst einmal die Handlung steht, findet in Finnleys vielschichtigem Werk jedoch soviele Elemente eines gut gestrickten Horrorromans, dass er Kritiker verstehen kann, die viel versteckten Sinn in den ''Körperfressern'' sehen (wollen).
::[[Ray Bradbury]], ''Das Böse kommt auf leisen Sohlen'' (orig.: ''Something Wicked This Way Comes'')
:Überraschenderweise beginnt King diesen Abschnitt mit Kritik, die sich gegen Bradburys Erzählweise richtet, welche King als "schwülstig" und "peinlich überzeichnet" beschreibt. King schätzt Bradbury im Allgemeinen eher wegen seiner Kurzgeschichten. So mag es nicht überraschen, dass ''Sohlen'' auch das Ergebnis einer aus dem Ruder gelaufenen Kurzgeschichte ist.
:Erst nach der Veröffentlichung wurde Bradbury klar, dass sein Unterbewusstsein häufig übernommen und ein Porträt seines Vaters gezeichnet hatte; so kommt es wohl, dass der Autor dieses Buch immer schon als sein Lieblingswerk bezeichnete. Nicht nur seines Vaters wegen ist es ein sehr persönliches Buch: Die Protagonisten Will und Jim sind eindeutig als die zwei Seiten seiner eigenen Persönlichkeit zu interpretieren. Die Zwillingsbrüder (einer ist vor, der andere nach Mitternacht in der Nacht zu Halloween geboren) kämpfen gegen einen Wanderzirkus, der offensichtlich nach den Seelen seiner Besucher trachtet, woraus sich etwas entspinnt, was King eine moralische Horrorgeschichte nennt.
:In einer Passage, mit der auch Kings eigenes, späteres Werk ''[[ES]]'' beschrieben sein könnte, bewertet King ''Sohlen'' als geniale Abhandlung der Kindheit und des Heranwachsens in den USA, in der das Kindheitsmythos, nämlich dass früher einfach alles besser war, nicht entlarvt, sondern vielmehr als heilbringender Segen genutzt wird; das Herz trägt den Sieg gegen den Kopf davon. Auch hier soll wieder Kings Fazit als Kernaussage stehen, denn seiner Meinung nach ist ''Sohlen'' eines ...
{{cquote|... der Bücher über die Kindheit [...] die Erwachsene ab und zu in die Hand nehmen sollten ..., nicht nur, um sie ihren Kindern zu geben, sondern um selbst einmal die helleren Perspektiven und dunkleren Träume der Kindheit zu erleben.}}
===X) Der letzte Walzer - Horror und Moral, Horror und Magie===