300
Bearbeitungen
Änderungen
→Horaz Klotz (2 / 5)
''Lunch im Gotham Café'' liest sich mal wieder wie ein literarisches Experiment - das für mich leider nicht wirklich funktioniert. King verbindet hier zwei sehr verschiedene Arten des Horror. Da ist zum einen das kalt realistische Grauen einer Scheidung aus heiterem Himmel. Und King zieht hier alle Register, Ich-Erzähler Davis zeigt uns immer nur seine Version der Beziehung, so dass wir uns direkt so verloren fühlen wie er. Die Vorstellung, dass ein Mensch, den man geliebt hat, mit dem man Jahre seines Lebens verbracht hat, einfach so über Nacht verschwindet ist schon hart genug. Aber bei der Szene im Café, als seine Noch-Ehefrau auf keine seiner Fragen reagiert und sich offenbar davor fürchtet ihn zu sehen, dürfte es jedem Leser, der selbst in einer harmonischen Beziehung steckt, kalt den Rücken herunter laufen.
Das zweite ist das der für mich deutlich uninteressantere Schrecken des amoklaufenden Splatter-Kellners. Dessen Ausraster wird zwar kurz vorbereitet wirkt aber trotzdem so abrupt, dass es mir beim Lesen vorkam, als wäre King das Beziehungsdrama einfach langweilig geworden und er hätte spontan Lust auf eine Metzel-Szene gehabt. Davis ist einfach zur falschen Zeit am falschen Ort und stolpert in ein Gemetzel, das absolut nichts mit seiner Vorgeschichte zu tun hat. Dazu passt dann auch, dass es keinen wirkliche Erklärung für Guys Ausrasten gibt. Unser Erzähler verdächtigt den Nachbarshund, Verbindungen zum ''Dunklen Turm''-Zyklus, die sich mir (kein Turm-Fan) nicht wirklich erschlossen haben, könnten in eine andere Richtung deuten. Wirklich befriedigend ist keine der Erklärungen.
Das alles wäre nicht so schlimm, wenn die Actionszene wenigstens interessant geschrieben wäre. Aber nachdem King sich ein paar Zeilen lang damit beschäftigt den unsympathischen Anwalt der Noch-Ehefrau zu zerstückeln folgt eine ziemlich zahme Verfolgungsjagd durch die Küche, die eher an einen billigen ''Tatort'', als an großes Actionkino erinnert. Und wenn Davis dem messerschwingenden Kellner mit einem Wischmopp entgegentritt kann ich das ganze endgültig nicht mehr ernst nehmen. Immerhin - das muss ich King lassen - ich fand es erfrischend, wie meine Erwartungen beim ersten Lesen über den Haufen geworfen wurden. Sobald das frisch getrennte Paar ihre Flucht antritt, war ich mir eigentlich sicher, wie das ausgeht. Zusammengeschweißt durch den gemeinsamen Gegner und das Trauma finden die zwei wieder zusammen und es endet pünktlich zur Beerdigung des Scheidungsanwalts in einem gemütlich-romantischen Happy end. Stattdessen wird die Beziehungsgeschichte denkbar unspektakulär aufgelöst - sie hasst ihn weiterhin und verschwindet bei der ersten Gelegenheit. Das ist nicht ganz so dramaturgisch verspielt, aber wahrscheinlich deutlich realistischer.