Sleeping Beauties: Rezension
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Croaton (5 / 5)
Da diese Rezension noch vor der deutschen Übersetzung von Stephen und Owen Kings Roman Sleeping Beauties erscheint, soll sie bis zu einer speziellen Vorwarnung spoilerfrei sein!
Sicher, man kann dem Roman so einiges vorwerfen, allem voran eine Egozentriertheit, die ihresgleichen sucht. Dafür ist King bekannt: Die Kuppel senkt sich in Die Arena ausgerechnet über eine US-Kleinstadt, die Supergrippe aus Das letzte Gefecht bricht in den USA aus, die einzigen der eigentlich weltüberspannenden Ereignisse, die in Puls beleuchtet werden, spielen in Amerika usw. Nun steht die ostamerikanische Kleinstadt Dooling für die gesamte Erde, deren Frauen für alle Frauen weltweit - USA-zentrierter geht es schlicht nicht mehr, was den allermeisten Amerikanern übrigens gar nicht auffallen dürfte.
In dieser Feststellung aber erschöpft sich schon meine Kritik - der Rest war für mich Lesefreude pur. Das Werk lässt sich als politische, religiöse oder natürlich auch geschlechtsspezifisch motivierte Studie lesen, aber auch - und dafür bürgt der Name King - zur reinen, spannenden Unterhaltung. Wie in so grandiosen Werken wie In einer kleinen Stadt oder auch dem schon genannten Die Arena gelingt es auch hier, eine Vielzahl von Charakteren so darzustellen, dass der Leser nicht nur stets weiß, um wen es geht, sondern auch unbedingt mehr von ihnen erfahren will. Selten habe ich in Kings Werk eine so starke Charakterzeichnung erlebt, herausragend hier für mich Frank Geary, der sich - obwohl er grundsätzlich wohl dem Lager der Bösewichte zuzuordnen ist - jeglicher Schwarzweißmalerei entzieht und so glaubhaft rüberkommt wie selten eine Romanfigur. Ähnliches gilt für seinen Antagonisten Clinton Norcross und dessen Frau Lila, wobei diese Liste lange fortgesetzt werden könnte.
Etwa zur Hälfte des Romans nimmt er eine für mich sehr unerwartete Wendung, als sich ein zweiter Erzählstrang auftut, der immer wichtiger und zentraler wird und den Leser schnell für sich einnimmt. Heimlicher Protagonist des Buchs ist aber sicherlich die Krankheit Aurora selbst, so nimmt es auch nicht wunder, dass sie - oder der vergebliche Kampf dagegen - fast die erste Hälfte des Romans einnimmt.
Die Behauptung vieler Rezensenten, man spüre genau, welcher King was schrieb, ärgert mich im Übrigen. Da sagen die Autoren selbst, dass sie dies im Nachhinein nicht mehr unterscheiden könnten, aber manch einer maßt sich an, das besser zu wissen. Unsinn: Ich habe keine Stilbrüche im Text bemerkt, wenn überhaupt, dann vielleicht eine ungewöhnliche Tendenz zu langen Klammer-Einschüben, die eher King-untypisch ist.
Ab hier enthält die Rezension Spoiler!
Zugegeben, der Leser muss mit ungemein vielen herben Verlusten klarkommen, da die Liste der Versterbenden lang ist (vor allem trauere ich um Jeanette Sorley!), auch kommt einer der Haupt-Fieslinge nicht nur ungeschoren, sondern auch noch mit einem Happy End davon; aber so ist King eben und so fiebert man bis zum Schluss mit seinen Figuren mit. Genial finde ich wie schon erwähnt die konsequent bis zum Schluss wandelbare Charakterisierung von Frank Geary, seine Verbrüderung mit Clint ist der deutlichste Lichtstreif am Horizont einer von Aurora gebeutelten Welt.
Hätte ich mehr über Evie erfahren wollen? Sicher. Wäre das gut gewesen? Weiß nicht. So gebe ich mich mit meinem Halbwissen zufrieden und freue mich jetzt schon auf die Wiederentdeckung per Hörbuch!
Fazit: Sleeping Beauties ist eine geniale Zusammenarbeit zweier Kings, die so facettenreich ist, dass auf über 700 Seiten kein Moment der Langeweile aufkommt.
Vermis (2 / 5)
Oh weh. Ich hatte gehofft, wenn ich den Roman erstmal lese, kommt bei mir wie üblich das "King-Gefühl" herüber. Meine sonst so große Leidenschaft, die Art wie ich mich mit jedem Werk auseinandersetze, egal was für einen Blödsinn King auch manchmal verzapft, kam hier nicht auf. Schon vorab verspürte ich keine große Vorfreude auf das Buch, nicht mal dieses Ich muss jetzt trotzdem da durch, egal was ist, was ich bei schlechten Adaptionen wie The Mist habe. Okay, ich versuche meine Gedanken zu ordnen.
Der Roman Sleeping Beauties erinnert mich in einigen Aspekten an Die Arena, gerade, was die Figuren angeht. Ähnlich wie bei der Arena gibt es nämlich auch hier nicht einen zentralen Hauptcharakter, sondern eine ganze Personengruppe in der Stadt Dooling, über die man als Leser jedoch nie den Überblick verliert (Es gibt sogar erneut ein Figurenverzeichnis am Anfang!). Zudem erinnert mich der erste Teil des Buches sehr an Susannah, da die Story dort an nur einem Tag spielt und der Leser rasant durch die Handlung getrieben wird. Mit Kings inzwischen immer gleich rasanteren Anfängen, liest sich das alles schnell weg.
Da neben Stephen auch Owen King an diesem Roman arbeitete, wusste ich schon in etwa, worauf ich mich einließ. Ich wusste, das Geschlechterthema würde einen Großteil des Buchs ausmachen. Dagegen habe ich nichts. Aber so viel: Subtil ist hier ein Fremdwort. Durch den ganzen Anfang zieht sich diese Mann-Frau-Thematik, die manchmal ins Klischee abdriftet. Ich will übrigens auch nichts gegen Kings Zorn gegen Trump sagen, aber mein Gott, Steve, komm auch mal runter. Politik sollte nie einer guten Geschichte in den Weg kommen. Das ruiniert momentan schon die Filmlandschaft, das brauch ich nicht auch noch in Büchern. Wenn King Senior auf Twitter wie ein Kleinkind bei einem Wutanfall tobt, ist mir das egal, aber aus seinen Büchern sollte er sowas raushalten. Das Thema von Mann-gegen-Frau ist momentan aktuell und versaut jede Form von Unterhaltung, weil alle deshalb durchdrehen und sich gegenseitig ankeifen. Da ich jetzt schon genug davon gesehen habe (Ghostbusters 2016), hatte ich ehrlich gesagt kaum Lust auf Sleeping Beauties.
Die Figuren sind manchmal gelungen - Frank Geary oder Clinton Norcross sind überzeugend geschrieben. Manche Figuren sind jedoch hart an der Klischee-Grenze und irgendwie war ich Anfangs gestört vom Fehlen eines zentralen Protagonisten. Daran konnte ich mich jedoch schließlich gewöhnen, aber nach den letzten King-Büchern war da erstmal eine Umgewöhnung erforderlich. Der Schreibstil ist gut, einen Unterschied kann man da eigentlich nicht ausmachen.
Die zweite Hälfte, die sich mit den Frauen in Unserem Ort beschäftigt, ist grässlich. War schon der erste Teil des Buches nicht subtil, so übertrifft der zweite Teil das bei weitem! Ich war nach einiger Zeit einfach völlig genervt von diesem Handlungsstrang, von der Darstellung der Frauen dort. Im ganzen Buch kommt diese Botschaft rüber: Frauen sind größtenteils von Grund auf gute Wesen und werden von Männern unterdrückt und verdorben. Alle Männer sind selbstherrliche, brutale, perverse Schweine, die manchmal auch gutes tun. Hier möchte ich übrigens den Charakter Elaine Geary hervorheben; wenn King wollte, dass ich dieses Miststück hasse und verabscheue, Hut ab, das hat geklappt!
Zu Evie Black, dem Andre Linoge-Abklatsch: Sie ist kein Charakter. Nicht einen Moment fühlte ich irgendetwas, wenn es um Evie ging. Sie hat keine Motivation, nichts Interessantes oder neues an sich. Sie ist einfach da, weil es einen weiblichen Antagonist in der Story brauchte. Absolut schwach, jede Stelle, die sich mit ihr beschäftigte, fühlte sich an als würde jemand versuchen, einen Bösewicht im King-Stil zu imitieren. Zudem erfährt man als Leser nichts über sie. Sie, mit ihrem blinden Männerhass ist die Verkörperung der geisteskranken Feministinnen, aber von so einer Person will ich nichts lesen. Sie ist mit Abstand einer von Kings schwächsten, Ein-Dimensionalsten und lahmsten Gegenspielern. Selbst die Lachnummer Zack McCool war besser geschrieben!
Fazit: Dass die Kings hier politische Statements abgeben wollen, ruiniert eine interessante Geschichte. Zwei Punkte gibt's für Stil, durchgehend spannende Handlung und ein paar Charaktere, aber insgesamt ist der Roman für mich einfach misslungen.
Horaz Klotz (1 / 5)
Das Wichtigste zuerst - ich habe absolut nichts dagegen, wenn aktuelle politische und gesellschaftliche Fragen ihren Weg in Bücher finden. Und der - besonders in den USA - immer wieder neu hochkochende Geschlechterkonflikt könnte sicher eine ganz interessante zweite Interpretationsebene abgeben. Bei Sleeping Beauties liegt der Fall leider anders. Hier war sehr eindeutig zuerst das politische Anliegen da, endlich mal ein Buch für die armen unterdrückten Frauen zu schreiben und die Story wurde dann auf Biegen und Brechen darum herumgebastelt. Ob die einzelnen Entwicklungen irgendwie Sinn machen, ob die Charaktere dreidimensional wirken - egal, solange mit jeder Seite die Botschaft "Männer sind das Problem, Frauen die Opfer" in den Leser gehämmert wird.
Dass die Handlung ausgerechnet in einem Frauengefängnis einsetzt, sah ich zuerst noch als gutes Zeichen. Immerhin hatte King schon in Green Mile und Pin Up gezeigt, wie fesselnd er das Leben hinter Gittern zeichnen kann. Zwar waren die "Haupthäftlinge" in beiden Geschichten unschuldig eingesperrt, ihre Mitinsassen waren aber echte Verbrecher, die zu Recht im Gefängnis saßen - und trotzdem als komplexe oft sympathische und runde Charaktere gezeichnet waren. Leider wird schnell klar, dass in diesem Fall alle Häftlinge mehr oder weniger unschuldig und in erster Linie arme Opfer sind. Dass ausgerechnet King, der mit Annie Wilkes und Margaret White so abgrundtief unheimliche Schurkinnen erschaffen hat, uns hier verkaufen will, dass alle Frauen eigentlich Unschuldslämmer sind, die nur ab und zu von bösen Männern in die Kriminalität getrieben werden, ist schon ein starkes Stück. Dass dann aber ausgerechnet diese Frauen, nach all ihren schlechten Erfahrungen, entscheiden, ein Leben im Paradies aufzugeben, um den dummen Männern zu helfen, ist einfach nur albern. Vielleicht wäre es interessanter geworden, wenn ein paar Frauen aus tatsächlich noch immer offen patriarchal-sexistischen Gesellschaften mit über das globale Schicksal ihrer Geschlechtsgenossinnen entscheiden hätten können, so bleibt alles auf der Stufe von Klischees. Die Frauen sind selbst als mörderische Zombies vorbildliche Mütter und die Männer können sich nicht mal selbst die Klamotten bügeln. Das ist weder clever noch kreativ noch besonders konstruktiv.
Dabei steckt irgendwo zwischen der ganzen Geschlechterpolitik eine ganz spannende Grundidee. Das Motiv nicht einschlafen zu dürfen wird immer wieder in Grusel-Geschichten eingebaut, einfach weil jeder hier mitfühlen kann. Jeder hat schon mal gegen den Schlaf angekämpft und kennt das Gefühl, wenn die Augenlider langsam schwerer und schwerer werden. Das wird so geschickt mit dem bizarren Körperhorror der wuchernden Fäden verknüpft, dass es in einigen Momenten tatsächlich richtig schaurig wurde. Die Verwandlung der aus ihren Kokons befreiten Frauen in reißende Zombies ist zwar ein etwas billiger Kunstgriff, aber immerhin interessant genug beschrieben, um den Leser bei der Stange zu halten und ein paar frühe Schock-Höhepunkte zu setzten. Daneben funktioniert das Konzept recht gut um einen unbarmherzigen Countdown zu starten, in dem sich die wenigen verbleibenden Frauen mehr und mehr aufputschen müssen um bei Bewusstsein zu bleiben.
Der Nachteil bei so einem gnadenlosen Wettlauf gegen die Zeit ist natürlich, dass den einzelnen Figuren wenig Zeit bleibt um einen Charakter zu entwickeln. Sie werden einfach in diese absonderliche Situation hineingeworfen, müssen ein paar Tage in der zunehmend chaotischen weitgehend frauenlosen Welt überleben und danach ist alles ziemlich wie vorher. So blieb mir kaum eine der zahlreichen Charaktere wirklich im Gedächtnis, die meisten bleiben Abziehbilder, die passgenau eine Rolle erfüllen. Das trifft leider insbesondere auf die mysteriöse Evie Black zu. Besonders weil ich immer noch nicht dahinter gekommen bin wozu sie eigentlich gut ist. Wirkt sie erst wie eine etwas uninspirierte weibliche Flagg-Kopie, die alle Frauen für ein letztes Gefecht im Geschlechterkrieg um sich schart, wird sie im Verlauf der Geschichte immer unwichtiger. Brauchte es einfach noch irgendeinen düster-mysteriösen Charakter für das typische King-Feeling? Letztendlich wäre doch alles genau so gekommen wenn die dramatisch angekündigte "Schwarze Königin" nicht mit von der Partie gewesen wäre. Die absurden Regeln der geheimnisvollen Frauen-Welt ("Wenn ihr durch den magischen Baum hinüberwechselt wachen überall auf der Welt die Frauen wieder auf. Aber ihr müsst einstimmig entscheiden. Und hier vergeht die Zeit auch anders.") hätte man auf jeden Fall auch anders vermitteln können.
Dass wir es hier mit einem Vater-Sohn-Gemeinschaftsprojekt zu tun haben, ist mir übrigens nicht besonders aufgefallen. Ich konnte weder auffällige Brüche im Erzählfluss noch irgendwelche absolut unerwarteten Kniffe ausmachen, die man von unserem King Senior nie erwartet hätte. Stattdessen fließt die Geschichte ganz nett vor sich hin und lässt sich - was das Erzähltempo angeht - gut durchlesen. Vielleicht hätte es sich aber gelohnt, noch eine Frau ins Schreibkollektiv aufzunehmen. Nicht um irgendeine Quote zu erfüllen, sondern um sicherzustellen dass die Protagonistinnen echte, mehrdimensionale Menschen sind und nicht alle in der "Unschuldiges Opfer der Umstände und der Männer"-Schublade landen.
Fazit: Ein grundsätzlich interessantes Thema, das leider komplett in Klischees verloren geht. Eine magische Welt mit bizarren Regeln und Gesetzen, die einer ideologischen aber keiner inneren Logik folgen. Eine Schurkin, die nichts zu tun hat. Ein King-Buch, das man nicht lesen muss.
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