Lunch im Gotham Café: Rezension
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Croaton (5 / 5)
Lunch im Gotham Café war die erste in einer sich als lange erweisenden Reihe von Geschichten, die ich erstmals in Hörbuch-Form entdeckte; damals auf der Sammlung Blut und Rauch. Schon diese einmalige Erfahrung – Licht aus, CD-Player an, neue King-Geschichte nur für die Ohren – prägt meine Wahrnehmung der Geschichte, zusammengenommen mit der Tatsache, dass ich damals in der Tat erstmals Stephen Kings Stimme hörte, der die Kurzgeschichte ja selbst vortrug.
Auch die Erzählung an sich ist voll nach meinem Geschmack. Lange Zeit ist unklar, worauf die Handlung eigentlich hinauswill. Will sie den Zerfall einer Ehe schildern? Den Kampf eines Mannes gegen das Rauchen? Die Absurdität von Scheidungen? Dann kommt Guy ins Spiel – seine anfangs nur exzentrisch scheinenden Aussagen wirken etwas fehlplatziert, dann der Schock, als er durchdreht und Amok läuft. Was fortan passiert, bewegt sich haarscharf an der Grenze zwischen slapstickhaftem Nonsens und schweißtreibendem Horror, kriegt aber immer rechtzeitig die Kurve, um einen bei der Stange zu halten. Als Diane Davis ihrem Ex-Mann Steve vor Zorn in den Hintern tritt und damit ihrer beider Leben riskiert, prallen diese beiden Aspekte der Geschichte endgültig aufeinander und verleihen ihr den Schuss bitterer Realität, der sie nur noch Furcht einflößender macht.
Ich bin selbst ein lärmempfindlicher Mensch, und dass es für Guys Absturz in den Wahnsinn reichte, dass der Nachbarhund ständig bellte, finde ich schrecklich plausibel und zeigt, dass King keine komplizierten – und dabei oft an den Haaren herbeigezogenen – Hintergründe braucht, um seine Geschichten glaubwürdig zu machen; der Alltag reicht ihm völlig.
Fazit: Irrwitziger Amoklauf, dem die vielen Prisen erschreckend-lustiger Realität noch an Intensität verleihen.
Horaz Klotz (2 / 5)
Lunch im Gotham Café liest sich mal wieder wie ein literarisches Experiment - das für mich leider nicht wirklich funktioniert. King verbindet hier zwei sehr verschiedene Arten des Horror. Da ist zum einen das kalt realistische Grauen einer Scheidung aus heiterem Himmel. Und King zieht hier alle Register, Ich-Erzähler Davis zeigt uns immer nur seine Version der Beziehung, so dass wir uns direkt so verloren fühlen wie er. Die Vorstellung, dass ein Mensch, den man geliebt hat, mit dem man Jahre seines Lebens verbracht hat, einfach so über Nacht verschwindet ist schon hart genug. Aber bei der Szene im Café, als seine Noch-Ehefrau auf keine seiner Fragen reagiert und sich offenbar davor fürchtet ihn zu sehen, dürfte es jedem Leser, der selbst in einer harmonischen Beziehung steckt, kalt den Rücken herunter laufen.
Das zweite ist der für mich deutlich uninteressantere Schrecken des amoklaufenden Splatter-Kellners. Dessen Ausraster wird zwar kurz vorbereitet wirkt aber trotzdem so abrupt, dass es mir beim Lesen vorkam, als wäre King das Beziehungsdrama einfach langweilig geworden und er hätte spontan Lust auf eine Metzel-Szene gehabt. Davis ist einfach zur falschen Zeit am falschen Ort und stolpert in ein Gemetzel, das absolut nichts mit seiner Vorgeschichte zu tun hat. Dazu passt dann auch, dass es keinen wirkliche Erklärung für Guys Ausrasten gibt. Unser Erzähler verdächtigt den Nachbarshund, Verbindungen zum Dunklen Turm-Zyklus, die sich mir (kein Turm-Fan) nicht wirklich erschlossen haben, könnten in eine andere Richtung deuten. Wirklich befriedigend ist keine der Erklärungen.
Das alles wäre nicht so schlimm, wenn die Actionszene wenigstens interessant geschrieben wäre. Aber nachdem King sich ein paar Zeilen lang damit beschäftigt den unsympathischen Anwalt der Noch-Ehefrau zu zerstückeln folgt eine ziemlich zahme Verfolgungsjagd durch die Küche, die eher an einen billigen Tatort, als an großes Actionkino erinnert. Und wenn Davis dem messerschwingenden Kellner mit einem Wischmopp entgegentritt kann ich das ganze endgültig nicht mehr ernst nehmen. Immerhin - das muss ich King lassen - ich fand es erfrischend, wie meine Erwartungen beim ersten Lesen über den Haufen geworfen wurden. Sobald das frisch getrennte Paar ihre Flucht antritt, war ich mir eigentlich sicher, wie das ausgeht. Zusammengeschweißt durch den gemeinsamen Gegner und das Trauma finden die zwei wieder zusammen und es endet pünktlich zur Beerdigung des Scheidungsanwalts in einem gemütlich-romantischen Happy end. Stattdessen wird die Beziehungsgeschichte denkbar unspektakulär aufgelöst - sie hasst ihn weiterhin und verschwindet bei der ersten Gelegenheit. Das ist nicht ganz so dramaturgisch verspielt, aber wahrscheinlich deutlich realistischer.
Ich habe eine ganze Zeit geschwankt, ob die Story mir jetzt 2 oder 3 Punkte wert ist. Es gibt durchaus einige interessante Ansätze. Der Grauen des plötzlichen Beziehungsendes, die Szene in der Davis sich per Ohrfeige von seiner Frau verabschiedet um dann sein neues Leben zu beginnen - das war alles nett geschrieben. Leider machen die albernen Splatter-Szene die ganze mühsam aufgebaute Stimmung schnell wieder kaputt. Und zerstören das auf den ersten Blick recht geschickte Gruselelement eines durchgedrehten Kellners. Auch dass der Erzähler mal wieder nebenbei von seiner Sucht loskommen muss - wieder mal Zigaretten - trägt nicht wirklich viel zur Story bei. Letztendlich bleibt eine Geschichte, die ich nicht wirklich nochmal lesen würde. Und damit 2 Punkte.
Fazit: Ein Experiment mit ganz vielversprechenden Ansätzen und ein paar netten Wendungen, das für mich leider nicht wirklich funktioniert.
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