Der Fluch: Rezension
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Croaton (4 / 5)
Richard Bachmans letztes vor seinem Tod veröffentlichtes Buch Der Fluch ist kurzweilig, durch seine besondere Erzählstruktur erwähnenswert und voller skurriller Einfälle - allein die drei Fluchopfer sind schon das Lesen wert.
Auffallend sind auch die zahlreichen Wendungen, die der Roman nimmt; man wird sicherlich häufiger überrascht als bei einem durchschnittlichen Bachman-Roman ... und das Überraschungsende ist nochmal ein Knaller! In Der Fluch verweben sich zudem Bachman und King, denn King wird namentlich erwähnt, außerdem verknüpfen sich Werke durch das Vorkommen des Ganoven Richard Ginelli. Wer den Film Die unglaubliche Geschichte des Mr. C oder den dazugehörigen Roman von Richard Matheson mag, in dem ein Mann immer kleiner wird, wird auch hier begeistert sein von William Hallecks Kampf gegen die plötzlich purzelnden Pfunde. Punktabzug gibt's für die etwas zu ausgeflippte Schlussidee mit dem Zigeunerkuchen ...
Fazit: Der bis zu dem Zeitpunkt (also noch vor Regulator) einzige Roman Bachmans mit übersinnlichen Elementen ist ein Volltreffer und trug sicherlich noch einmal zum Renommee des viel zu früh verstorbenen Autors bei.
Wörterschmied (5 / 5)
Seitdem ich vor vielen Jahren die Verfilmung gesehen habe, die für mich mindestens zu den fünf besten King-Verfilmungen zählt, blickte ich mit großer Vorfreude dem Lesen des Buches entgegen. Die Kurzweile des Films ist auch Markenzeichen des Buches - der erste King-Roman, welchen ich innerhalb eines Tages gelesen habe.
Billy Halleck ist ein schmieriger Zeitgenosse - kein sehr netter Typ, möchte man schon sagen -, der jedoch am Leben hängt wie der Junkie an seiner Spritze. Gerade Taduz' Vergleich "ein Mann mit gebrochenen Schultern" ist sehr gelungen und zeigt, dass der alte Zigeuner trotz seiner Sturrheit ein weiser Mann ist. Der Protagonist und der Antagonist - oder viel mehr die beiden Antagonisten - bieten sich ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel, das an sich in einem Remis (keinem Puush!) endet.
Allerdings muss ich gestehen, das Ende des Films besser gefunden zu haben. Im Buch reagiert Billy auf den Tod seiner geliebten Tochter mit einer Shit-Happens-Manier, die leider die Pointe des Buches etwas ruiniert. Im Film ist Billy mit dabei, wie Linda die Torte isst (der Erzähler im Buch geht weder auf den Tod seiner Frau Heidi noch auf den der Tochter ein, sie liegen einfach im Bett) und der Zuschauer hört in seinem Kopf dieses sarkastische Hi-Hat, das dem unbedarften Publikum das Finden der Pointe erleichtern soll. Direkt darauf serviert er dem verhassten Arzt und sich selbst ein Stück des Kuchens und nimmt so schließlich zum ersten Mal Verantwortung für sein Handeln. Hier stirbt "unser Held" mit gebrochnenen Schultern, aber stark, wie Taduz es ihm nahelegte.
Mr. Dodd (5 / 5)
Was mich an King bzw. Bachman am meisten beeindruckt, ist es wie er aus so etwas weit Bekanntem und oft verwendeten wie einem Zigeunerfluch, eine spannende und sehr gute Geschichte zu erzählen weiß.
Schon allein die Einteilung vieler Kapitel in das aktuelle Gewicht von Billy Halleck ist ein Geniestreich. Genauso gut gelungen ist die langsame Hinführung von Unglauben, zu Begreifen, zum Entsetzen und schließlich zu dem Entschluss dagegen etwas zu tun. Dieser Abschnitt mag noch etwas langwierig daher kommen, ist aber schon der Auftakt zu einer Geschichte, die erst wirklich richtig spannend und genial wird, als sich Billy schließlich den Zigeuner stellt. Fast schon irrational ist es dann, wie sein Freund Richard Ginelli, den Zigeunern Angst einjagt und der Konflikt in zum Teil brutaler Gewalt eskaliert. Den wunderbaren Höhepunkt gibt es dann, als Taduz Lemke Billy die einzige Möglichkeit gibt den Fluch loszuwerden, er muss ihn mithilfe eines Kuchens auf jemand anderen übertragen. Es findet ein nahezu perfektes Ende, als ihm die Rache an seiner Frau, die ihn in eine Nervenklinik einweisen wollte, fehlschlägt und auch seine geliebte Tochter von dem Kuchen isst.
Eine Geschichte voll mit dem Thema ob sich Rache und Gerechtigkeit vereinbaren lassen, und ob es dadurch nicht noch zu größeren Konflikten kommt. Außerdem ist es toll wie hier die Thematik zwischen den Konflikten der ewigen Randgruppe der Zigeuner und der reichen Stadtmenschen zum Tragen kommt. Haben die Zigeuner ein Recht auf ihre Taten? Hat nicht Billy auch das Recht zu leben?
Horaz Klotz (3 / 5)
King lädt mal wieder zu einem Rennen gegen die Zeit und das funktioniert ja immer recht gut. Nur das hier statt einem Countdown die aktuellen Gewichtsangaben die Kapitel einläuten. Unser Autor bleibt seinem Erfolgsrezept treu und liefert eine abgedrehte Grundidee, die dann nüchtern bis zum bitteren Ende durchexerziert wird. Das Schicksal von Billy Halleck und seinen Spießgesellen trifft dabei genau die Art von Körperhorror, die ich mir für so eine Geschichte wünsche. Schleichende, scheinbar unaufhaltsame Prozesse, die gerade genug Anleihen an echte dramatische Krankheitsbilder haben um für ein flaues Gefühl im Magen zu sorgen. Gerade der Abnehm-Fluch erinnert in seiner zynisch-grausamen Einfachheit an das Konzept einer X-Factor-Episode. Aber immerhin einer guten, die lange in Erinnerung bleibt.
Leider funktioniert das Spiel mit dem Klischee, Halleck zum Opfer eines tatsächlichen Zigeunerfluchs zu machen für mich nicht wirklich. Zum einen nimmt es dem Gewichtsverlust ein bisschen von seiner übernatürlichen Macht, wenn man von Anfang an weiß, dass einfach ein verbitterterer Witwer dahinter steckt - zum anderen untergräbt King damit mal wieder seine übliche Predigt, keine Vorurteile gegenüber Vagabunden haben. In einem Satz macht er sie zur diskriminierten und zu Unrecht gefürchteten Randgruppe, im nächsten sind sie schon wieder Flüche schleudernde, Kampfhund züchtende Verbrecher. Immerhin ist Taduz Lemke ein halbwegs interessanter, vielschichtiger Charakter, der sich als überraschend kompromissbereit herausstellt. Dafür fällt die große moralische Frage, die King an seinem Fall aufmachen will, ein bisschen flach. Immerhin hat Halleck die alte Zigeunerin nicht mit Absicht überrollt und wäre er im Gefängnis gelandet, hätte es sie auch nicht zurückgebracht. Da klingen die großen "Wir fordern Gerechtigkeit und Vergeltung!"-Reden ein bisschen hohl.
Dafür ist der Weg zur finalen Konfrontation mit Lemke ganz spaßig zu lesen. King zieht einen waschechten Gangster aus der Tasche und verwandelt die etwas in ihrem eigenen Grauen vor sich hin sumpfende Story kurzerhand in ein Action-Abenteuer. Kaum betritt Ginelli die Bühne nimmt die Geschichte Fahrt auf, dem mit allen Wassern gewaschenen Ganoven zuzuschauen, wie er im Alleingang die Zigeunerbande aufmischt ist so abgedreht, dass es einfach Spaß macht. An dieser Stelle hätte ich tatsächlich gerne noch ein paar ausführlichere Szenen aus verschiedenen Perspektiven gelesen. Schade, dass unser Fluchopfer und Erzähler hier schon zu schwach ist, um sich mit ins Getümmel zu stürzen.
Nach diesem bizarren, aber zumindest witzigen Schlenker verliert sich der Schluss dann leider etwas sehr in der magischen Klischee-Kiste. Die Idee mit dem Fluchkuchen kommt ziemlich aus dem Nichts und ist dann doch eine ganze Spur zu viel Fantasy für mich - womöglich geht das auf irgendwelche amerikanischen Mythen oder urban legends zurück, die ich nicht kenne? Für mich kostet es die Geschichte jede Form von Bodenhaftung und damit letztendlich auch die Spannung. Und der Twist, dass der gefährliche Kuchen, den Halleck vorm Schlafengehen einfach in der Küche abstellt - fehlt nur noch der Hinweis "Für Unbefugte verboten! Wäre wirklich blöd, wenn den jetzt der Falsche isst!" - im falschen Magen landet rettet die Geschichte auch nicht wirklich.
Fazit: Der Fluch hat einiges zu bieten - eine spannende Grundidee, einen fesselnden Antagonisten und eine Menge Gangster-Action, verliert sich aber gegen Ende zusehends in Fantasy-Klamauk. Um im Bild zu bleiben: Was als opulentes Horror-Mahl beginnt, hinterlässt einen etwas faden Nachgeschmack.
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