Batman und Robin haben einen Disput: Rezension
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Croaton (5 / 5)
Stephen King hat mal wieder einen Lauf. Seine letzten beiden Kurzgeschichten, Leben nach dem Tod und Batman und Robin haben einen Disput, haben mich sehr begeistert. Beide thematisieren im Grunde die Hölle der Wiederholung, doch während sich Bill Andrews in Afterlife einer besonderen Form der Reinkarnation stellen muss, wird Dougie Sanderson mit den albtraumhaften Wiederholungen konfrontiert, die Alzheimer seinem Vater auferzwingt, der sich immer wieder in denselben Hirngespinsten verliert, dauernd dieselben Kommentare abgibt und stets vergisst, wer das denn eigentlich ist, der ihn da zweimal die Woche besucht.
Die ersten zwei Drittel der Geschichte sind eine schonungslose, aber gerade deswegen auch zu Herzen gehende Schilderung des Zusammenlebens mit einem Alzheimerpatienten; Dougies Gefühle beim Umgang mit seinem Vater sind genial dargestellt; King gelingt es erneut, die Sprachebene und die Worte zu finden, die den Leser mitten im Leben treffen.
Nun wartet man als King-Kenner die ganze Zeit darauf, dass etwas Außergewöhnliches passiert – und so kommt es dann auch zu jenem Unfall, welcher der Story einen schockierenden Schluss verleiht, umso schockierender, als King das Format der Kurzgeschichte sehr ernst nimmt und sie mitten in der gerade sich zuspitzenden Handlung abbricht. Zwar hätte ich diese Geschichte gerne als erstes Kapitel eines längeren Romans gelesen, doch konnte ich sie auch so voll und ganz genießen.
Fazit: Ein rührendes Kleinod mit einem Paukenschlag am Ende.
Andreas (5 / 5)
Das Problem mit Stephen Kings aktuelleren Kurzgeschichten ist, dass man immer weniger anhand der ersten Zeilen deuten kann. War man sich sicher, dass es in Das Schreckgespenst oder sogar in Turnschuhe blutig werden würde, ist da mittlerweile anders. Mein hübsches Pony oder Der Mann im schwarzen Anzug haben gezeigt, wie sehr Kings Phantasiezeiger ausschlagen kann.
Umso besser, wenn es so läuft wie bei Batman an Robin. Die Geschichte ist in den ersten zwei Dritteln eine wunderbare, liebevolle Geschichte über die Beziehung von Vater und Sohn. Über die Aufopferungsbereitschaft eines Sohnes, der akzeptiert hat, dass er nie wieder mit seinem Vater und Bruder zusammen sein kann. Über die nahende Verzweiflung bei ihm, wenn er wiederholt erklären muss, dass sein Bruder, nicht er bei einem Autounfall ums Leben kam.
All das ist tragisch, ein klein wenig komisch - solange man über Alzheimer lachen kann - und in sich eigentlich stimmig. King hätte die Geschichte so weiterlaufen lassen können und es wäre für mich ganz passabel gewesen. Wäre. Wenn King dann nicht zum Finale nochmal einen der wunderbaren Was-zum-Henker-Momente einführt, für die ich ihn so gern habe. Das katapultiert Batman and Robin Have an Altercation deutlich hoch in der Rangliste.
Horaz Klotz (4 / 5)
Anfang der 2010er gab es einen ziemlichen Hype um das Thema Alzheimer, den ich als Filmfan hauptsächlich im Kino mitbekam. Still Alice, Am Ende ein Fest und Honig im Kopf liefen alle im Lauf eines Jahres an und verarbeiteten das Motiv Demenz auf ihre Weise - mal philosophisch-kämpferisch, mal melancholisch-heiter, mal simpel-schmalzig (deutsches Kino halt). Kein Wunder, dass auch Kings Beitrag zum Thema nicht lange auf sich warten ließ. Alzheimer ist eben nicht nur faszinierend - sondern auch verdammt gruselig. Die Vorstellung bei lebendigem Leibe Stück für Stück das Gedächtnis zu verlieren, abends schlafen zu gehen und nicht zu wissen mit welchen Erinnerungslücken man am nächsten Morgen aufwachen wird, bis man irgendwann wieder ganz am Anfang steht und stumm und hilflos in einem Raum voller Fremden auf die nächste Windel wartet, das spricht Urängste an von denen man gar nicht wusste, das man sie hat. Wenn das ganze nicht so schrecklich real wäre könnte man glatt denken eine solche Krankheit müsste aus dem Horrorfundus eines Lovecraft stammen - oder von King natürlich.
Der Meister aus Maine widmet seinen Kurzgeschichte ganz den pflegenden Angehörigen, die - habe ich mir von einer Expertin sagen lassen - tatsächlich oft mehr unter der Krankheit leiden als die Betroffenen selbst. Spätestens wenn sich der Patient in seine eigene geheimnisvolle Dämmerwelt verabschiedet hat, bleibt die Familie oft ziemlich allein mit ihren Ängsten und Sorgen. So ist das auch bei Dougie Sanderson, den wir bei der immer gleichen Routine mit seinem Pop begleiten. King präsentiert eine vertraut-liebevolle Vater-Sohn-Beziehung, die nett authentisch alle Kitsch-Klischees umschifft und uns genau lange genug in der dumpfen Sicherheit eines ewig gleichen Alzheimer-Tages sumpfen lässt, um uns mit der Actionszene am Ende vom Hocker zu hauen. Dieser plötzliche Twist hätte dabei leicht etwas billig wirken können, so als traue unser Autor dem Demenz-Thema nicht zu, eine ganze Kurzgeschichte lang zu fesseln und würde auf den letzten Metern einen Antagonisten aus dem Hut ziehen nur um seinen blutrünstigeren Fans etwas zu bieten. Aber die Szene ist handwerklich so genial vorbereitet, dass sie ohne Anschlussprobleme in die bisherige Handlung greift. Pop entwickelt sich zum Kleptomanen und bei jedem Restaurantbesuch brauchen sie ein großes Messer um seine immer gleiche Portion zu schneiden. Das wird so lapidar-beiläufig eingeflochten und so blutig-perfide wieder aufgenommen, dass man kaum glauben kann, dass es aus der Feder des gleichen Autors stammt, der einmal seinen 1000 Seiten-Epos mit einer plötzlich eingreifenden Hand Gottes lösen musste. Und es bestätigt mich mal wieder in meiner Theorie, dass King die Enden seiner Kurzgeschichten deutlich leichter fallen als bei Romanen.
Leider habe ich bei allem Lob ein paar kleine Probleme was die Charakterzeichnung angeht. Während Pop als Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ziemlich umfassend beleuchtet wird bleibt Sohn Dougie für meinen Geschmack ein bisschen farblos. Unser Protagonist geht so sehr in seiner Rolle als Pfleger seines Vater auf, dass ich mir kein richtiges Bild von ihm als eigenständige Person machen konnte. Ein paar kleine Sätze, über Dougies Leben abseits der wöchentlichen Demenz-Routine hätten hier schon gereicht. Zum anderen fand ich den Unfallfahrer ein bisschen sehr klischeehaft gezeichnet. Nachdem wir gerade 15 Seiten damit verbracht haben uns in das tragische Leben des fehlerhaften aber doch liebenswerten Pop hineinzudenken und zwischen jeder gedankenlosen Grobheit nach einem Funken Menschlichkeit zu suchen, wirkt ein so grundlos böser Ex-Knacki ohne echten Namen und mit Mordlust in den Augen, den man ohne Gewissensbisse abstechen kann, ein bisschen billig. Andererseits - wenn man mit Batman und Robin unterwegs ist, darf man sich nicht wundern einem echten Superschurken zu begegnen.
Fazit: Einfühlsam, melancholisch, schockierend, blutrünstig - und das auf 22 Seiten. Eine fast perfekte King-Kurzgeschichte, die immer wieder Spaß macht. Egal ob man sich an das Ende erinnert oder nicht.
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