Böser kleiner Junge: Rezension
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Croaton (4 / 5)
Stephen Kings Bonbon für seine deutschen (und französischen) Fans, die Kurzgeschichte Böser kleiner Junge, ist eine Art Beichte: Der zum Tode Verurteilte George Hallas will vor seiner Hinrichtung klar Schiff machen und erzählt seinem Anwalt Leonard Bradley, warum er einst einen bösen kleinen Jungen vor zahlreichen Zeugen mit sechs Schüssen erledigte ...
Mir gefällt die Atmosphäre des Gesprächs im Todestrakt, auch sind die Rückblicke gelungen. Irgendwie erinnert mich der Junge mit der Propellermütze an den Affen aus Der Affe - wann immer er auftauchte, war Unheil vorprogrammiert! Einziger Kritikpunkt ist für mich, dass dies eine der Geschichten ist, die King bequem auf mindestens die Länge einer Novelle hätte aufblasen können; so passiert fast schon zu viel auf engstem Raum - gut unterhalten fühlte ich mich jedoch allemal.
Fazit: Kings Version des Monsterkindes à la Das Omen hält einige Gänsehautmomente parat und bestätigt mich (Beruf: Lehrer) in meiner Annahme, dass das Böse in so manchem Kinde schlummert ...
Andreas (5 / 5)
Böser kleiner Junge ist eine Geschichte, deren Hintergrund für uns deutsche Kingfans besonders interessant ist. Die Kurzgeschichte erschien 2014 exklusiv in Deutschland und Frankreich als Dank für den herzlichen Empfang Kings durch die europäischen Fans. Für alle Freunde des gedruckten Wortes ein wenig ernüchternd, war das Geschenk erst nur elektronisch zu haben, ist aber zum Glück auch Teil der Sammlung Basar der bösen Träume.
Dieses kleine Geschenk aus Maine ist in meinen Augen ein Tolles. King besinnt sich einmal mehr darauf, uns das Grauen im Alltag zu präsentieren. Schlimmer noch, er setzt uns damit auseinander, dass wir einen Schutzbhefohlenen hassen sollen. Es wirkt für mich wie ein Schlag ins Gesicht für alle Eltern, die mit ihren kleinen Kindern diskutieren und verhandeln, nur um festzustellen, dass Kinder durchaus kleine egoistische Mistkerle sein können. Und das ist dieses unbekannte und namenlose Gör hier auch. Wir erfahren nicht, woher er kommt, oder warum er George Hallas so nachhaltig verfolgt. Wir erfahren nur von der stetigen Steigerung des Bösen.
So kommt es im Finale der Binnenhandlung schließlich dazu, dass ich selbst ein Kind ermorden möchte - nur in Gedanken natürlich, und damit hat King in meinen Augen gewonnen. Ich habe Mitleid mit einem Kindermörder so merkwürdig das für unsere Gesetzeshüter klingen mag und kann mir gut vorstellen, welchen Eindruck Hallas bei Staatsanwälten und Richtern gemacht haben muss, als sein Fall besprochen wurde.
Horaz Klotz (4 / 5)
Mit Böser kleiner Junge bricht King wieder mal eine Lanze für alle unschuldig eingesperrten Häftlinge. In seiner abgedrehten Welt stimmen die wahnsinnigen Theorien, die Todeskandidaten sich und anderen erzählen oft genug. Und in dieser Welt ist es manchmal das vernünftigste Vorgehen, ein kleines Kind niederzuschießen. Das läuft inzwischen so routiniert, dass es fast ein bisschen vorhersehbar wird. Was am Ende ein großer Überraschungsmoment hätte werden können - Hallas hatte doch die ganze Zeit Recht, dämonische Mächte gibt es wirklich! - fällt damit leider etwas flach. Vielleicht wäre es netter gewesen den Schluss ein kleines bisschen offener zuhalten, zumindest noch den Hauch einer Möglichkeit zuzulassen, dass Hallas sich alles nur eingebildet hat. Aber das ist Geschmackssache - Kings klares Bekenntnis zum Monsterhorror kann manchmal auch einfach Spaß machen.
Dass es der Geschichte gelingt auf wenigen Seiten eine so fesselnde Atmosphäre aufzubauen, liegt mal wieder am Motiv des unerklärlichen Grauens, das sich jeder logischen und narrativen Begründung entzieht. Hallas hat keine alte Zigeunerin überrollt (Der Fluch) oder eine Teenagerin gemobbt (Carrie) um Opfer der übernatürlichen Mächte zu werden. Stattdessen stolpert er irgendwie ins Fadenkreuz und kann nur hilflos zusehen wie sein Leben langsam aber sicher den Bach runter geht, sobald der böse kleine Junge wieder hinter einer Ecke auftaucht. Der Vergleich mit tödlichen Krankheiten, die sich ja nervtötenderweise auch nicht immer an unsere hübsch einfachen Gleichungen halten - "Wer raucht kriegt Krebs", "Wer Sport treibt, bleibt gesund" - passt hier perfekt. Ohne das klischeehafte Selber schuld-Karma-Prinzip ist die Geschichte damit nicht nur spannender, sondern so realistisch gnadenlos das es wehtut.
Auch dass Hallas kein reines Opfer bleibt ist ein willkommener Bruch mit den Horror-Konventionen. Das Klischee sähe wohl vor, dass er sich mit seinem Fluch von der Welt zurückzieht und ein einsames Eremitenleben führt, um niemanden mehr in Gefahr zu bringen. Die Idee ein paar fremde Kinder als Köder auszuwerfen, bis der Junge wieder zuschlägt und ihn dann einfach abzuknallen ist da um einiges abgebrühter und - im US-Kontext - trotzdem nett rational. Wobei mir der Plan dann doch fast ein bisschen zu glatt läuft - es wäre ganz interessant gewesen zu sehen, wie Hallas reagiert hätte, wenn seine Dämonenjagd doch noch ein Kinderleben gekostet hätte. Der tatsächliche Showdown gegen den bösen kleinen Jungen war dann immerhin kurz, knackig und spannend geschrieben.
Dafür kann ich mit der Art wie der Junge unseren Helden bis dahin so heimgesucht hat leider nicht wirklich viel anfangen. Klar passen die kindisch-vulgären Beleidigungen zum Motiv eines Grundschul-Monsters. Und es ist ja auch mal eine willkommene Abwechslung einem dämonischen Kind zu begegnen, das sich wirklich ein bisschen altersgemäß verhält, anstatt - wie so oft - einfach nur zufällig so auszusehen. Trotzdem geht die sorgsam aufgebaute schaurige Atmosphäre für mich ein bisschen flöten, sobald der Junge seine albernen Schimpf-Tiraden loslässt. Zumal das weder zu dem so strategisch geplanten Vorgehen passen will, mit dem er es immer wieder schafft, mehrere Opfer ins Verderben zu reißen noch zu dem düster-ominösen Nachrichten, die er seinen Kappen beilegt. Aber das ist schon Nörgeln auf sehr hohem Niveau.
Fazit: Nett heruntererzählte Gruselgeschichte für zwischendurch, die mehr durch das Konzept in Erinnerung bleibt als durch die tatsächlichen Begegnungen mit dem bösen Jungen.
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