Eine gute Ehe: Inhaltsangabe

Version vom 9. November 2010, 22:12 Uhr von Croaton (Diskussion | Beiträge) (Korrektur)


Inhaltsangabe zu Eine gute Ehe

Das Titelbild der Homepage von A Good Marriage

Stephen Kings in der Sammlung Zwischen Nacht und Dunkel erschienene Novelle Eine gute Ehe ist in 19 nummerierte Kapitel unterteilt; die hier zu findenden Zwischenüberschriften dienen allerdings der Orientierung des Lesers und sind so nicht von King intendiert. Die vorliegende Inhaltsangabe bezieht sich auf die englische Originalausgabe; etwaige Abweichungen werden nachträglich korrigiert.

Retrospektive (1)

Niemals fragt einen jemand danach, wie es in der Ehe läuft. Hätte man Darcy Anderson danach gefragt, hätte sie stets voll aufrichtig mit "Gut!" geantwortet. Bis zu jenem Abend und ihrem Fund in der Garage.
Noch ist die Welt in Ordnung. (Szene aus dem Trailer)
Darcy führt ein zufriedenes Leben, hat in ihren 50 Jahren einiges erreicht. Sie ist Sekretärin für eine Chevrolet-Niederlassung in Portland und ist seit 1982 zufrieden mit dem Buchhalter Bob Anderson liiert, den sie damals geschäftlich kennen lernte. Als sie auf sein Hobby, das Sammeln rarer Münzen, zu sprechen kamen, konnte Darcy mitreden, da ihr Vater dasselbe Hobby pflegte. So kamen sie sich näher; ihr erstes Date führte sie auf ein Sammlertreffen in Castle Rock, nun sind sie 27 Jahre verheiratet (die Geschichte spielt 2011), haben zwei Kinder und führen nebenberuflich einen kleinen Laden mit Münzen und Baseballkarten für Sammler.
Natürlich weiß Darcy, dass man in einer gut funktionierenden Ehe tolerant sein muss. Man muss Macken des anderen vergeben, mit dem Wandel, den die Zeit mit sich bringt, klarkommen. Sicher, Bob hat ordentlich an Gewicht zugelegt, sein Haar ist deutlich dünner geworden - aber was soll sie sagen, jetzt, wo ihre Brüste nach unten sinken, wenn sie den BH abnimmt? Der Sex ist noch immer befriedigend, die Ehe noch immer ein Hafen der Geborgenheit. Ihre silberne Hochzeit feierten sie 2009 mit über 50 Gästen, und es war tatsächlich ein Anlass zum Feiern, keine Verpflichtung.
Am Anfang der Novelle rekapituliert Darcy Alltagsszenen einer Ehe, die der Kitt sind, die eine solche Verbindung zusammenhalten. Wie Bob die ganze Nacht an ihrer Seite war, als sie sich eine Lebensmittelvergiftung zugezogen hatte; wie sie ihm beistand, als er dachte, er könnte Krebs haben und in der Arztpraxis auf die Diagnose wartete; tausend Kleinigkeiten wie vertraute Gesten und Redewendungen, die geheime Geschichte einer Ehe, die nur die zwei Eheleute selbst kennen. Weiß sie alles über Bob? Nein, genauso wenig wie er alles über sie weiß. Weiß sie alles Wichtige über ihn? Davon ist sie ausgegangen. Bis zu dem Tag, als sie in der Garage über eine Schachtel stolperte.

Unter der Werkbank (2 - 5)

Sie ist auf der Suche nach Batterien für die Fernbedienung, als sie in der Garage an einem Stück Karton hängenbleibt und sich fast der Länge nach hinlegt; die 60 Zentimeter hohe Schachtel schaut unter der Werkbank hervor. Überrascht und etwas verärgert stellt sie fest, dass sie voller Kataloge ist. Sie hatte sich schon gewundert, warum sie keine mehr bekam; offensichtlich hatte Bob sie vor ihr versteckt, weil sie gerne einmal etwas bestellte. Da würde sie ihm mal Bescheid stoßen müssen, sobald er wieder von seiner Geschäftsreise zurück war. Sie geht die Kataloge durch - und hält inne. Peinlich berührt stößt sie auf ein Pornoheftchen namens Bondage Bitches (etwa: Gefesselte Schlampen). Das Cover zeigt eine gefesselte Frau, die wie am Spieß schreit. Die Erklärung dafür liegt für Darcy auf der Hand: Es war doch typisch Mann, in sexueller Hinsicht neugierig zu sein. Bob hatte sich das Heftchen zugelegt, schnell gemerkt, dass das nichts für ihn war und nun will er es schleunigst mit den Katalogen verschwinden lassen. Darcy beschließt sogleich, ihm jede Peinlichkeit zu ersparen und ihn nie darauf anzusprechen. Nimm's wie's ist, denkt sie sich, ist doch keine große Sache.
Dieser Fund verändert ihr Leben.
Sie stopft das Heftchen mit den Katalogen zurück in die Box und schiebt alles zurück unter die Werkbank. Ein seltsames Geräusch, als sie da unten gegen etwas stößt, lässt sie erneut innehalten; und obwohl etwas in ihr rät, die Sache auf sich beruhen zu lassen und obwohl das Telefon klingelt und sie ins Haus zurückholt (es ist ihr Sohn Donnie), kann sie nicht aufhören, über dieses Geräusch nachzudenken. So geht sie mit einer Taschenlampe bewaffnet zurück und findet unter der Werkbank, hinten an der Wand, ein loses Brett - und dahinter eine weitere, viel kleinere Box. Darcy erkennt sie, es ist eine Holzschachtel, die sie Bob einst geschenkt hatte. Sie betet, dass sie einfach nur leer sein möge, will eigentlich nicht sehen, was darin ist, kann aber auch nicht nicht hineinschauen. Was sie findet, bringt ihr Weltbild ins Wanken.
Es sind drei Plastikkärtchen: ein Blutspendeausweis, ein Bibliotheksausweis und ein Führerschein. Alle ausgestellt auf den Namen Marjorie Duvall. Und diesen Namen erkennt Darcy aus der Presse: Sie war eines der Mordopfer eines bislang unentdeckten Serienkillers.
Darcy ertappt sich dabei, wie sie immer wieder "Neinneinneinneinnein" vor sich hersagt, dass sie glauben will, dass alles ein Fehler sein muss. Sie kann akzeptieren, dass sie nicht alle Facetten ihres Mannes kennt - aber das? Unmöglich.
Wieder klingelt das Telefon, und Bob ist dran. Auf der Stelle spürt er, dass etwas mit seiner Frau nicht stimmt. Als sie vorgibt, sie sei in alte Erinnerungen an ihre verstorbene Schwester Brendolyn verfallen (ihre erste Lüge gegenüber ihrem Ehemann), findet er augenblicklich tröstende Worte. Dass er ihre Stimmungen so gut kennt, dass er so hilfsbereit und liebenswert reagiert und sogar nach Hause kommen will - all das überzeugt Darcy davon, dass hier ein Irrtum vorliegt, der sich schon irgendwie klären wird. Auf alle Fälle gilt vorerst: Im Zweifel für den Angeklagten.
Er versteht ihre Trauer um ihre Schwester, die bei einem Skiunfall ums Leben kam, kann mitfühlen, weil ein Kindheitsfreund von ihm auch bei einem Unfall starb, was für ihn ein echtes Trauma war. Braucht sie ihn jetzt zu Hause? Sie kann Bob davon überzeugen, dass sie sich wie ein Kind fühlen würde, wenn er wegen einer Heulattacke gleich wie ein Ritter herbeieilen würde. Das restliche Gespräch verläuft wie ein Automatismus, sie fallen in den Rhythmus des alten Ehepaares, Darcy fühlt sich eingelullt und geborgen. Als sie auflegt, lächelt sie, auch wenn ihr sofort die Tränen kommen.
Im Zweifel für den Angeklagten. Aber das kann es nicht einfach sein. Sie beschließt, ihr Gedächtnis bezüglich einer gewissen Marjorie Duvall aufzufrischen.

Der Mann hinter dem Spiegel (6 + 7)

Schnell findet sie den Artikel, den sie vor zehn Tagen erst gelesen hat. Marjorie Duvall war tot in einer Schlucht aufgefunden worden, an mehreren Stellen gebissen, sexuell belästigt und erwürgt. Sie sei das elfte Opfer des Serienkillers, der sich selbst den Namen Beadie gab. Ungläubig forscht sie weiter. Die Morde begannen 1977 und spielten sich alle an der Ostküste der USA ab. Dann, nach dem sechsten Mord, hörte es auf, was viele Spekulationen auslöste, die ins Nichts verliefen. Doch Darcy glaubt, den Grund zu kennen: Die Morde stoppten, als Bob sie kennen lernte. Wollte er ihr zuliebe mit dem Morden aufhören?
Ihre Entdeckungen schlagen Darcy auf den Magen.
1997 ging es weiter, fünf weitere Menschen fielen Beadie zum Opfer. Als das 7. Opfer nach einer 16-jährigen Pause gefunden wurde, erreichte den Staatsanwalt ein Päckchen mit den Ausweisen der Ermordeten und einer Nachricht: "Hallo. Ich bin wieder da. Beadie." Das passte; so hatte Beadie die Behörden immer schon an der Nase herumgeführt.
Dann ein Schock: Beadie ermordete einen zehnjährigen Jungen. Der kam dazwischen, als Beadie sich an seiner Mutter verging. Beadie entschuldigt sich in einem Schreiben für diesen Ausrutscher, versichert aber, der Junge habe nicht leiden müssen.
Darcy kann nicht weiter lesen, muss sich übergeben. Was soll sie nur tun? Würde Bob es ihr verzeihen, wenn sie ihn fälschlich des elffachen Mordes bezichtigte? Und was war mit ihren Kindern, die in die schmutzige Affäre mit reingezogen werden würden? Doch hat sie nicht eine Verantwortung den künftigen Opfern gegenüber? [1] Sie muss mehr wissen, muss sich sicher sein. Sie kramt alte Taschenkalender und Geschäftsakten hervor und forscht nach. Schnell wird klar: Wann immer ein Mord geschah, war Bob auf Geschäftsreise. Es führt kein Weg mehr an der Wahrheit vorbei.
Doch noch immer bleibt die Frage: Was tun? Schlafen ist unmöglich, obschon es bereits spät ist, nach Mitternacht. Bob würde gegen Abend zurückkommen, es bleiben ihr noch etwa 18 Stunden, eine Entscheidung zu treffen. Wenn sie nur darüber schlafen könnte! Doch kaum schließt Darcy die Augen, als sie schon von den Leichen, von Bobs Harem, heimgesucht wird. Das alles konnte doch einfach nicht wahr sein. Als Kind war sie davon überzeugt, dass es eine Parallelwelt gab, die unserer fast aufs Haar glich, nur dass dort alles etwas düsterer war und dass es dort drüben auch eine dunklere Version ihrer selbst gab. Sie vermutete diese Welt hinter jedem Spiegel und wollte diese dunkle Darcy unbedingt einmal sehen. Jetzt ist sie in diese Welt vorgestoßen, doch sie hat nicht sich selbst getroffen, sondern die dunkle Version ihres eigenen Mannes.
Wider Erwartens schläft sie doch ein. Sie erwacht nicht, als Bob um kurz vor drei Uhr nachts nach Hause kommt. Kein Wunder: Er fährt langsam und hat die Lichter des Autos ausgeschaltet.

Wenn die Zahnpasta erst einmal draußen ist (8 + 9)

Bob weckt sie um 2:45 Uhr in der Nacht, sie müssten reden. Darcy kommt zu sich und kann gerade noch so einen Schrei unterdrücken, als sie Bob da auf der Bettkante sitzen sieht. Und ihr ist klar, dass er weiß, dass sie Bescheid weiß. Nun, so meint er ohne Umschweife, sei es an ihr zu entscheiden, ob er den Rest seines Lebens im Staatsgefängnis Shawshank verbringen müsse.
Wer ist der Mann, den Darcy geheiratet hat? (Impression aus der Deluxe-Ausgabe)
Darcy gibt vor, nicht zu wissen, wovon er redet, doch Bob ist hinterlistig. Er hatte Thesafilm über das Brett geklebt, hinter dem sich sein Versteck befindet und hat gesehen, dass sie es entdeckt hat; zudem hat er ihren Computer gecheckt und ihre letzten Internetseiten gefunden - sie braucht ihm nichts vorzumachen. Aber eins müsse sie tun: ihm zuhören. Denn er sei unschuldig. Alles, so Bob voller Überzeugung, sei die Schuld von Brian Delahanty. Darcy hört zu und erkennt mit jedem Wort immer deutlicher, wie wahnsinnig Bob ist. Wie konnte sie das vorher nicht sehen? Es ist, als stoße sie nun zu einem unterirdischen See vor, der mit vielen Erdschichten bedeckt war und auf dessen Oberfläche schöne Pflanzen wuchsen.
Brian Delahanty, kurz B.D. oder auch Beadie, war der weiter oben bereits erwähnte beste Freund Bobs, der bei einem Unfall ums Leben kam. Er hatte 1979 die Idee, die High School von Castle Rock zu überfallen und einen Amoklauf zu starten. Er wollte Lehrer erschießen und geile Schülerinnen vergewaltigen und plante seinen Streifzug minutiös, bis hin zu einem Fluchtplan - und er steckte Bob mit seiner Begeisterung an. B.D. hasste hochnäsige Frauen, die einen mit ihren Reizen lockten und dann fallen ließen; die müssten dafür bezahlen. Bob klingt, als gebe er Dinge wieder, die jedem Mann schon einmal durch den Kopf gegangen seien und glaubt, dass es tatsächlich zu dieser Attacke gekommen wäre, hätte der Unfall B.D. nicht getötet.
Aber B.D. kam zurück, seine Ideen infizierten Bob, der sich nicht dagegen wehren konnte. "Wenn die Zahnpasta erst einmal draußen ist, kriegt man sie unmöglich wieder rein." So konnte er nicht anders, als B.D.s Ideen in die Tat umzusetzen und sich auf die Jagd nach hochnäsigen Frauen zu machen. Im Gegenzug verrichtet er, Bob, gemeinnützige Arbeit, um für eine Balance in der Welt zu sorgen, doch es sei Beadie, der die Morde begehe; Bob könne sich kaum an die Taten erinnern. Doch Darcy sieht ihm an, dass dies eine faustdicke Lüge ist. Und weil Beadie der wahre Mörder sei, konnte Bob die Polizei immer an der Nase herumführen; einmal wurde er sogar vernommen: als Zeuge, was ihn bis heute amüsiert.
Er wird nun aber damit aufhören, hat ja schon einmal (er glaubt für über 20 Jahre) alle Triebe unterdrückt beziehungsweise mit diversen Zeitschriften nach Ablenkung gesucht; jetzt ist es endgültig vorbei ... wenn Darcy ihn lässt. Er wird ihr nicht wehtun, schließlich liebt er sie. Er wird ihre Entscheidung akzeptieren, ist sich im Klaren darüber, dass sie um die Konsequenzen weiß, falls sie ihn auffliegen lässt: dass niemand glauben wird, dass sie über 30 Jahre lang nichts wusste von den Morden; dass sie fortan für sich selbst sorgen müsste, wenn Bob im Gefängnis saß; dass das Leben ihrer Kinder ruiniert wäre. Er würde standhaft bleiben und nie mehr morden - und sollte ihn der Trieb doch überkommen, würde er sich augenblicklich das Leben nehmen. So fragt er sie ganz offen: Wird sie ihm vergeben? Wird sie ihm eine Chance auf ein neues Leben einräumen?
Sie starrt ihn an, denkt tatsächlich darüber nach. Plötzlich bittet sie ihn, hoch und heilig zu versprechen, dass er wirklich aufhören würde. Sein strahlendes Gesicht berührt sie zutiefst. Ja, er verspricht alles, nimmt auch ihre Bedingung an, dass er Marjories Ausweise entsorgen wird und dass sie nie mehr darüber reden werden. Er küsst sie und nimmt sie in den Arm. Er zieht sich im Bad um, legt sich zu ihr ins Bett und schläft ein.

Auf der anderen Seite des Spiegels (10 - 15)

Bevor auch Darcy einschläft, ist sie überzeugt davon, dass Bob sein Versprechen ehrlich gemeint hat; sie träumt von ihrer Tochter Petra, die gefesselt laut schreit ...
Ist sie die dunkle Darcy?
Als sie am nächsten Morgen aufwacht, ist Bob schon unterwegs. Darcy geht ins Bad und putzt sich die Zähne. Der erste Tag als die Frau des Monsters hat begonnen. Sie blickt in den Spiegel und was sie darin reflektiert sieht, ist das, was sie immer schon vermutet hatte: die dunkle Seite ihres Lebens. Das ist nicht sie im Spiegel, das ist die dunkle Darcy, nach der sie als Kind immer gesucht hatte.
Bob hat ihr eine Nachricht hinterlassen: Er entsorge die Ausweise von Marjorie - und er liebe sie. Als sie sieht, dass er um ihren Namen ein Herz gemalt hat, blüht die Liebe in ihr auf wie schon lange nicht mehr. Und als er zurückkommt und über die vorige Nacht sprechen will, meint sie, dass nichts passiert sei. Er sei früher als erwartet nach Hause gekommen, fertig. Sie küssen sich.
Das Leben geht weiter. Donnie bleibt beruflich erfolgreich, Petra plant ihre Hochzeit, Darcys Mutter wird vorübergehend krank. Ein Monat vergeht wie im Flug. Spiegel üben wieder die alte Faszination auf Darcy aus, und wann immer sie sich darin sieht, sieht sie eine Mordkomplizin, die so tut, als wäre nichts gewesen. Und wann immer sie ihr Spiegelbild fragt, was sie nur tun solle, antwortet es: Nichts.
Ein Jugendwunsch Bobs erfüllt sich, als er völlig zufällig auf eine höchst seltene Sammlermünze stößt. So begeistert erzählt er seiner Frau davon und so kindlich aufgeregt ist er, dass Darcy unwillkürlich an Gollum aus dem Herrn der Ringe denken muss, der seinen Schatz hütet. Um diesen Überraschungsfund zu feiern - der Penny ist etwa 8.000 Dollar wert - will Bob mit ihr ausgiebig und teuer essen gehen. Seit vielen Jahren trinkt Bob bei dieser Gelegenheit wieder einmal zu viel und ist schnell jenseits von gut und böse. Da wird Darcy klar, dass dies ihre Chance ist. Jetzt oder nie.

Am Fuß der Treppe (16 - 18)

Zu Hause angekommen spielt Darcy die Verführerin. Seit ihrer Abmachung ist es zwischen den beiden nicht zum Sex gekommen und beide wissen, dass der körperliche Akt der letzte Stein in der Mauer wäre, die sie um Bobs dunkle Seite errichtet haben. Trotz seiner Trunkenheit ist Bob mehr als willig und spielt das Verführspiel mit. Sie will oben im Schlafzimmer auf ihn warten, er soll noch etwas zu trinken mitbringen. Schon kommt Bob die Treppe hoch, vorsichtig zwei Gläser balancierend, bereits voller Erwartung grinsend. Doch da baut Darcy sich vor ihm auf - und als sie ihrem Mann in diesem Moment, in dem er begreift, was sie vorhat, in die Augen schaut, sieht sie nichts, nur absolute Leere. Sie stößt ihn mit aller Kraft die Treppe hinunter.
Er bricht sich mehrere Knochen, liegt grausam verrenkt am Fuße der Treppe und starrt sie anklagend an. Wieso sie das getan habe, keucht er, und sie bricht in Tränen aus, weiß selbst nicht, was in sie gefahren ist. Ganz aufgelöst rennt sie davon, um einen Krankenwagen zu rufen. Scheinbar. Denn in Wirklichkeit rennt sie in die Keuche und holt einen Plastikbeutel, während sie den Anruf überzeugend fingiert. Aber ihre Tränen sind dennoch keine Krokodilstränen: Es ist nur recht und billig, dass sie um den gebrochenen Mann weint, denn trotz allem sind die wunderschönen Momente nicht vergessen, die vielen Blumengeschenke, die gemeinsamen Reisen, zu viel, um alles aufzuzählen. Aber nun gibt es kein Zurück mehr.
Sie geht zurück und zieht ihren eigenen Mord durch: Sie stopft dem anfangs kaum zur Gegenwehr fähigen Bob den Plastikbeutel in den Mund und will ihm die Nase zuhalten, um ihn zu ersticken. Er bäumt sich in Todesangst auf und wirft sie wie einen Reiter ab, doch als er wieder nach hinten umkippt, ist seine Kraft zuende. Bob alias Beadie, ist tot.
Weinend versucht Darcy, alles wie einen Unfall aussehen zu lassen, mögliche Spuren zu beseitigen. So klaubt sie etwa Plastikstückchen aus seinem Mund, die er in seinen Qualen aus der Tüte gebissen hat und muss einfach hoffen, dass es zu keiner allzu gründlichen Autopsie kommen wird. Nun noch das letzte i-Tüpfelchen: Sie bringt sich erneut zum Weinen, indem sie an ihre Kinder denkt, die soeben ihren Vater verloren haben und tätigt unter Tränen endlich doch den Anruf bei der Notrufzentrale. Einen äußerst überzeugenden Anruf.
Als die Polizei kommt, muss sie kaum noch etwas spielen; der Beamte namens Harry Shrewsbury, dessen Frau Darcy kennt, ist äußerst verständnisvoll und nimmt sie sogar mit zu sich nach Hause, damit sie in der ersten Nacht als Witwe nicht allein sein muss. Darcy weiß, warum alles so reibungslos funktioniert: Ihre einfach gestrickte Geschichte vom Treppensturz ist plausibel (und ja auch fast wahr), zudem wiegen fast 30 Jahre Ehe so viel, dass niemand Darcy auch nur verdächtigt. Die Beerdigung ist ein wahres Trauerspiel, bei dem Darcy endgültig keine Maske mehr aufsetzen muss; inbrünstig fleht sie, dass es nun vorbei ist, dass sie ihr Leben weiterleben kann. Doch nein ...

Sieben Wochen später (19)

Darcy weiß sofort, dass der Mann, der sie an jenem Tag überraschend besucht, ihr gefährlich werden könnte. Der 78-Jährige stellt sich als Holt Ramsey von der Staatsanwaltschaft vor. Er ist zwar offiziell schon in Rente, arbeitet aber noch als Berater - und plötzlich ist Darcy sich sicher, dass dies der Mann ist, der einst Bob als Zeuge verhört hat, und dass er genau weiß, wer Bob in Wirklichkeit war. Denn ohne mit seinem wahren Grund für sein Kommen herauszurücken, erzählt er von einigen seiner Fälle, von Mördern, die er stellte, von einer wahnwitzigen Verfolgungsjagd, bei der ein Killer starb und er selbst schwer verletzt wurde, wovon er bis heute eine steife Hüfte zurückbehalten hat. Holt ist sehr freundlich und zuvorkommend, doch - da ist Darcy sich sicher - schlau und hinterlistig wie ein Fuchs; sie bezeichnet ihn auch als "Jagdhund des Himmels", was ihn amüsiert und als gebildeten Mann ausweist, da er das entsprechende Gedicht [2] erkennt und zitieren kann. Es überrascht sie nicht im geringsten, als er endlich auf den Mordfall Beadie zu sprechen kommt.
Er bestätigt, dass er Bob 1997 einmal vernommen hat und ihn immer verdächtigte, obwohl man ihm nichts nachweisen konnte. Es hatte vor allen Dingen zu tun mit seinem Wagen - an verschiedenen Tatorten war ein Fahrzeug wie das seine, nur jeweils mit anderen Nummernschildern, gesehen worden. Und als Bob sein Fahrzeug wechselte, wurde nun dieses neue auffällig oft gesichtet. Er redet gar nicht mehr lange um den heißen Brei und fragt Darcy rundheraus, ob er einmal geschäftliche Unterlagen ihres Mannes sehen dürfe, um seine Schrift mit den Beadie-Nachrichten zu vergleichen.
Darcy will den Tanz beenden und die Karten auf den Tisch legen, also fragt Holt sie: Ist Bob Beadie gewesen? Doch bevor sie etwas sagen kann, wird klar, dass er weiß, dass sie alles weiß und dass Bobs Unfall kein Unfall war. Und Holt versteht sie voll und ganz, zählt alle Argumente für ihr Verhalten auf, die sie selbst stets vor Augen hatte. Doch die Familie der Angehörigen braucht einen Namen für den Mörder, um mit der Sache abschließen zu können, da ist Holt sich ganz sicher. Als Darcy zögert, führt Holt einen mentalen Schlag in die Magengrube aus: Ob Darcy wisse, dass Beadie den Penis des Jungen abgebissen habe? Darcy glaubt Holt sofort - und als sie daran denkt, wie Bob sich bei der Familie entschuldigte und meinte, er habe nicht gelitten, wird ihr mehr als je zuvor die Tiefe des Abgrunds klar, der sich in ihrem Ehemann auftat.
Darcy bricht endgültig zusammen, und Holt hat ein Einsehen mit ihr. Er bezeichnet sie als mutige Frau, die man in Ruhe lassen sollte. Er pfeift auf die Familien; die Toten bringt das Wissen auch nicht zurück (und Holts persönliche Neugierde ist gestillt). Dieses Verständnis bewirkt mehr als alles, was Holt bislang gesagt hat, und Darcy schüttet ihm ihr Herz aus, erzählt alles, sogar von dem Ursprung des Namens Beadie. Er hört geduldig zu - und als er sich von ihr verabschiedet, nimmt er sie in den Arm und flüstert ihr ins Ohr, dass sie alles richtig gemacht habe.
Holt ist weg, und als Darcy in den Spiegel blickt, sieht sie endlich wieder sich. Sich - nicht ihre dunkle Seite.

Anmerkungen

  1. Dieser Gedankengang, und die Nachforschungen im Internet, weisen deutliche Ähnlichkeiten zu Tess Jeans Überlegungen in Big Driver auf, der zweiten Novelle im selben Band.
  2. von Francis Thompson


V E Inhaltsangaben zu Zwischen Nacht und Dunkel
1922Big DriverFaire VerlängerungEine gute Ehe