Das Schwarze Haus: Erzählstruktur

Version vom 27. Februar 2009, 01:30 Uhr von Benedam75 (Diskussion | Beiträge) (Textbeispiel)


Der Roman Das Schwarze Haus von Stephen King und Peter Straub besticht durch eine einzigartige Erzählstruktur, die von der seines Vorgängers Der Talisman vollkommen abweicht.

Besonderheiten

Die Erzählperspektive weist folgende Besonderheiten auf:

  • Die Handlung wird durchwegs im Präsens geschildert.
  • Die Autoren nehmen den Leser sozusagen an der Hand und führen ihn durch die Handlung; wir sind mit ihnen gemeinsam unsichtbar und lassen uns von ihnen alles zeigen - jedoch bewahren die Erzähler dabei stets Anstand und lassen den Personen ihre Privatsphäre (wie William Maxton, während er mit Rebecca Vilas schläft).
  • Wir sind in der Lage, Wände und Dächer zu durchdringen, in die Luft zu steigen und viele Kilometer in einem Wimpernschlag zurückzulegen.
  • Die Erzähler wissen selbst beileibe nicht alles, können aber dennoch von Dingen berichten, die sonst kein Charakter des Romans weiß oder die in der Zukunft liegen.
  • Die Erzähler beobachten die Szenerie oft vom Rücken des Raben Gorg aus. ("Wir können [den Showdown] leider nicht aus der Luft beobachten, weil die Rabenkrähe, von der wir uns so oft haben mitnehmen lassen (ohne dass Gorg es jemals gemerkt hätte, wir wie versichern können) tot ist.")

Textbeispiel

Als Beispiel soll ein Auszug aus dem Roman dienen, in dem alle oben genannten Elemente aufzufinden sind. Es ist der Moment, in dem der Leser noch vor den Behörden die Leiche der ermordeten Irma Freneau in einem aufgegebenen Imbisslokal findet:

   
Das Schwarze Haus: Erzählstruktur
Am liebsten würden wir unsere Flugfähigkeit nutzen, um möglichst schnell von hier abzuhauen. Wir möchten durchs Dach, das keinen Widerstand bieten würde, entschweben, um wieder in harmlose frische Luft zu gelangen, aber das geht nicht: Wir sind hier, um als Zeugen zu fungieren. (...)

Vor uns sehen wir das dritte Opfer des Fishermans, die zehnjährige Irma Freneau. (...) Der Fisherman hat sie auf der Chase Street aufgelesen und es irgendwie* geschafft, sie (...) über die Grenze zwischen Stadt und Umland zu bringen.
Sie lebte noch, als der Fisherman sie durch die Eingangstür neben dem von Schüssen durchlöcherten Coca-Cola-Schild schleppte. Sie muss sich gewehrt haben, sie muss gekreischt haben. (...) Höchstwahrscheinlich erwürgte er sie.

   
Das Schwarze Haus: Erzählstruktur

Das Schwarze Haus, Kapitel 2

* Die Unwissenheit der Erzähler wird im Original noch deutlicher: Die oben mit "irgendwie" übersetzte Passage findet sich im Englischen als: "we don't know how" ("wir wissen nicht wie").