Dolores: Rezension
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Croaton (4 / 5)
Wer so liest wie ich und eigentlich nur aufhören kann, wenn irgendwo ein Kapitel endet oder sich wenigstens ein Absatz findet, der wird es schwer haben mit Dolores, einem durchgehenden Monolog, den man entweder am Stück lesen (viel Spaß) oder einfach irgendwo mal abwürgen muss.
Als ich das Buch das erste Mal las, gehörte er zu denjenigen King-Romanen, die ich am wenigsten mochte. Es war die geniale Verfilmung, die mich dazu brachte, ihn doch noch mal in die Hand zu nehmen – und siehe da, jetzt packte er mich. Heute kann ich nicht mehr verstehen, was mir nicht gefiel, denn dieses Buch zieht einen in den Bann ...
Mir gefällt die Geschichte rund um Joe St. George dabei besser als die um Vera Donovan – auch wenn er wieder ein Säufer ist (King hat schon sehr viele davon ...) und wieder seine Frau schlägt (da gab's auch schon so einige), so hat er durch seine Beziehung zu seiner Tochter noch diese besondere Hass-Komponente, sodass man bei Dolores' Mordplänen mitfiebert und mit ihr feuchte Hände bekommt, als die Sonnenfinsternis sich nähert. Ich mag übrigens den übersinnlichen Moment zwischen ihr und Jessie Burlingame (aus Das Spiel), auch wenn diese Bücher mich auf ganz unterschiedliche Weisen ansprechen.
Ein Buch, für das man Geduld und Zeit braucht, das einem aber jede Sekunde am Ende lohnt.
Wörterschmied (4 / 5)
Bevor ich Ihnen sage, was ich zu erzählen habe, möchte ich Sie bitten, sich zu setzen. Doch glauben sie mir, es wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Sind Sie bereit? Sehr gut. Ich möchte mit einer allgemeinen Formulierung beginnen:
Der Zweite Satz der Thermodynamik besagt in etwa, dass das Maß der Entropie einem maximalen Grenzwert entgegenstrebt.
Ob ich mich auch verständlich ausdrücken kann? Gut, versuche ich es anders zu formulieren: Gehen wir davon aus, dass am Anfang alles geregelt und in besten Bahnen verläuft, so stellen wir doch bald fest, dass uns das Leben aus dem festen Griff entgleitet – es wird zu einem stürmischen Hund, der nicht mehr mit uns Spazieren geht, sondern wir mit ihm – und unser Streben sich von einem Entgegenwirken gegen diese „Verunordnung“ zu einem simplen Tolerieren der Umstände entwickelt, die wir nicht mehr ändern können.
Noch einfacher: Nicht wir leben unser Leben – unser Leben lebt uns.
So ergeht es zumindest Dolores Claiborne. Wußten Sie, dass die Worte „Dolores“ und „tolerieren“ sich gar nicht so fremd sind? Kernaussage beider Worte ist das Erdulden und Ausharren eines Schmerzes (lat.: dolor). Klar, sie hat ihren Ehemann ermordet, aber hat nicht jede Toleranz irgendwo ihre Schranken? Gibt es nicht verschiedene Wege mit dem Schmerz umzugehen? So ist der Tod ihres Mannes doch nicht mehr als die Befreiung von einem Schmerz, welcher einen neuen tieferen Schmerz gebären lässt, da sie durch ihn die Beziehung zu ihrer Tochter Selena nachhaltig zerstört, obwohl ihre Mutter alles nur getan hat, um ihre Tochter zu schützen und ihr das Leben zu ermöglichen, was ihr selbst nie zu Teil kommen sollte.
Ja, genau. Das ist Entropie – der ständige Niedergang, die Auflösung von schlecht in schlechter.
Dennoch ist Dolores eine bemerkenswerte und starke Frau, die kaum Vergleiche findet. Was? Haha, ja Kathy Bates spielt sowohl Dolores als auch Annie Wilkes aus Misery, aber das ist eine andere Sache, glauben Sie mir. Wo wir gerade bei Vergleichen sind – ist Ihnen aufgefallen, dass Dolores ein Sinnbild von Stephen Kings eigener Mutter ist? Auf ähnliche Weise behandelt es King auch in dieser Geschichte mit der komischen Omi, die im Sterben liegt und dieses Mädchen aus Friedhof der Kuscheltiere, dass sich um ihre kranke Schwester kümmern muss. Während ihre Geschwister in die Welt reisen durften, musste Kings Mutter immer zu Hause bleiben und sich um die kranken Verwandten kümmern und ist daran versauert. Was? Ja stimmt, das Buch ist ihr sogar gewidmet, ich hab’s grad noch mal nachgeschlagen. Er muss seine Mutter sehr geliebt haben für das, was sie über sich ergehen ließ ohne zu murren.
Ich soll endlich zum Punkt kommen? Wenn es sein muss, werde ich Ihnen diesen Wunsch erfüllen, obgleich ich noch jede Menge zu erzählen wüsste. 4 von 5 Punkten habe ich gegeben, das ist richtig. Für 5 Punkte war mir der Anfang, also die ersten 200 der 280 Seiten, etwas zu lang und auch etwas zu ausschweifend formuliert. Wie meinen Sie das, ich rede auch ausschweifend? Ich werde einfach so tun als hätten sie gerade genießt, anstatt etwas zu sagen, Ihnen Besserung wünschen und nicht weiter auf ihren „Nieser“ eingehen, Gesundheit.
Jedoch waren mir 3 Punkte auch zu wenig, da mir vor allem das Ende sehr gefallen hat und ich schäme mich nicht, dass ich etwas weinen musste, als ich erfuhr, dass Vera Donovans Kinder schon seit 30 Jahren tot waren und sie diese in ihren Gedanken lebendig hielt und Dolores Zweck eigentlich darin bestand, ihr diesen Gedanken zu erleichtern, da sie wirklich glaubte, dass die Kinder noch lebten. Ich denke, tot ist man nicht, wenn man begraben wird, sondern erst, wenn Menschen einen vergessen. So rührend war das Ende, wie alle Geheimnisse und Unklarheiten schließlich zusammen laufen und das tote Luder Vera doch noch als unglaublich sympathische alte Frau darstellten. Im Grunde ist sie ganz genau so wie Dolores, bloß dass sie von ihren toten Kindern und nicht von ihrem toten Mann verfolgt wird.
Das erinnert mich immer an diese Szene aus Sara, wo Mike Noonan seiner Frau noch einmal begegnen darf und sie nicht eher gehen lässt, bevor er ihr noch einmal sagt, dass er sie… wie ich schweife schon wieder ab? Die Geduld von jungen Leuten scheint wohl auch mit der Zeit zu entropieren. Wenn es denn sein muss. Gute 4 von 5 Punkten gebe ich dem Buch und wenn Sie vergessen haben warum, hoffe ich, Sie haben sich meine Erklärung mitgeschrieben. Gut, dann bin ja beruhigt. Einen schönen Abend wünsche ich noch und tun sie etwas gegen Ihre Erkältung.
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