Dolores: Rezension

Version vom 30. August 2024, 12:57 Uhr von Derry Cat (Diskussion | Beiträge) (Neue Rezension)

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Croaton (5 / 5)

Wer so liest wie ich und eigentlich nur aufhören kann, wenn irgendwo ein Kapitel endet oder sich wenigstens ein Absatz findet, der wird es schwer haben mit Dolores, einem durchgehenden Monolog, den man entweder am Stück lesen (viel Spaß) oder einfach irgendwo mal abwürgen muss.

Als ich das Buch das erste Mal las, gehörte er zu denjenigen King-Romanen, die ich am wenigsten mochte. Es war die geniale Verfilmung, die mich dazu brachte, ihn doch noch mal in die Hand zu nehmen (siehe auch hier) – und siehe da, jetzt packte er mich. Heute kann ich nicht mehr verstehen, was mir nicht gefiel, denn dieses Buch zieht einen in den Bann ...

Mir gefällt die Geschichte rund um Joe St. George dabei besser als die um Vera Donovan – auch wenn er wieder ein Säufer ist (King hat schon sehr viele davon ...) und wieder seine Frau schlägt (da gab's auch schon so einige), so hat er durch seine Beziehung zu seiner Tochter noch diese besondere Hass-Komponente, sodass man bei Dolores' Mordplänen mitfiebert und mit ihr feuchte Hände bekommt, als die Sonnenfinsternis sich nähert. Ich mag übrigens den übersinnlichen Moment zwischen ihr und Jessie Burlingame (aus Das Spiel), auch wenn diese Bücher mich auf ganz unterschiedliche Weisen ansprechen.

Fazit: Ein Buch, für das man Geduld und Zeit braucht, das einem aber jede Sekunde am Ende lohnt.

Wörterschmied (4 / 5)

Bevor ich Ihnen sage, was ich zu erzählen habe, möchte ich Sie bitten, sich zu setzen. Doch glauben sie mir, es wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Sind Sie bereit? Sehr gut. Ich möchte mit einer allgemeinen Formulierung beginnen:

Der Zweite Satz der Thermodynamik besagt in etwa, dass das Maß der Entropie einem maximalen Grenzwert entgegenstrebt.

Ob ich mich auch verständlich ausdrücken kann? Gut, versuche ich es anders zu formulieren: Gehen wir davon aus, dass am Anfang alles geregelt und in besten Bahnen verläuft, so stellen wir doch bald fest, dass uns das Leben aus dem festen Griff entgleitet – es wird zu einem stürmischen Hund, der nicht mehr mit uns Spazieren geht, sondern wir mit ihm – und unser Streben sich von einem Entgegenwirken gegen diese „Verunordnung“ zu einem simplen Tolerieren der Umstände entwickelt, die wir nicht mehr ändern können.

Noch einfacher: Nicht wir leben unser Leben – unser Leben lebt uns.

So ergeht es zumindest Dolores Claiborne. Wußten Sie, dass die Worte „Dolores“ und „tolerieren“ sich gar nicht so fremd sind? Kernaussage beider Worte ist das Erdulden und Ausharren eines Schmerzes (lat.: dolor). Klar, sie hat ihren Ehemann ermordet, aber hat nicht jede Toleranz irgendwo ihre Schranken? Gibt es nicht verschiedene Wege mit dem Schmerz umzugehen? So ist der Tod ihres Mannes doch nicht mehr als die Befreiung von einem Schmerz, welcher einen neuen tieferen Schmerz gebären lässt, da sie durch ihn die Beziehung zu ihrer Tochter Selena nachhaltig zerstört, obwohl ihre Mutter alles nur getan hat, um ihre Tochter zu schützen und ihr das Leben zu ermöglichen, was ihr selbst nie zu Teil kommen sollte.

Ja, genau. Das ist Entropie – der ständige Niedergang, die Auflösung von schlecht in schlechter.

Dennoch ist Dolores eine bemerkenswerte und starke Frau, die kaum Vergleiche findet. Was? Haha, ja Kathy Bates spielt sowohl Dolores als auch Annie Wilkes aus Misery, aber das ist eine andere Sache, glauben Sie mir. Wo wir gerade bei Vergleichen sind – ist Ihnen aufgefallen, dass Dolores ein Sinnbild von Stephen Kings eigener Mutter ist? Auf ähnliche Weise behandelt es King auch in dieser Geschichte mit der komischen Omi, die im Sterben liegt und dieses Mädchen aus Friedhof der Kuscheltiere, dass sich um ihre kranke Schwester kümmern muss. Während ihre Geschwister in die Welt reisen durften, musste Kings Mutter immer zu Hause bleiben und sich um die kranken Verwandten kümmern und ist daran versauert. Was? Ja stimmt, das Buch ist ihr sogar gewidmet, ich hab’s grad noch mal nachgeschlagen. Er muss seine Mutter sehr geliebt haben für das, was sie über sich ergehen ließ ohne zu murren.

Ich soll endlich zum Punkt kommen? Wenn es sein muss, werde ich Ihnen diesen Wunsch erfüllen, obgleich ich noch jede Menge zu erzählen wüsste. 4 von 5 Punkten habe ich gegeben, das ist richtig. Für 5 Punkte war mir der Anfang, also die ersten 200 der 280 Seiten, etwas zu lang und auch etwas zu ausschweifend formuliert. Wie meinen Sie das, ich rede auch ausschweifend? Ich werde einfach so tun als hätten sie gerade genießt, anstatt etwas zu sagen, Ihnen Besserung wünschen und nicht weiter auf ihren „Nieser“ eingehen, Gesundheit.

Jedoch waren mir 3 Punkte auch zu wenig, da mir vor allem das Ende sehr gefallen hat und ich schäme mich nicht, dass ich etwas weinen musste, als ich erfuhr, dass Vera Donovans Kinder schon seit 30 Jahren tot waren und sie diese in ihren Gedanken lebendig hielt und Dolores Zweck eigentlich darin bestand, ihr diesen Gedanken zu erleichtern, da sie wirklich glaubte, dass die Kinder noch lebten. Ich denke, tot ist man nicht, wenn man begraben wird, sondern erst, wenn Menschen einen vergessen. So rührend war das Ende, wie alle Geheimnisse und Unklarheiten schließlich zusammen laufen und das tote Luder Vera doch noch als unglaublich sympathische alte Frau darstellten. Im Grunde ist sie ganz genau so wie Dolores, bloß dass sie von ihren toten Kindern und nicht von ihrem toten Mann verfolgt wird.

Das erinnert mich immer an diese Szene aus Sara, wo Mike Noonan seiner Frau noch einmal begegnen darf und sie nicht eher gehen lässt, bevor er ihr noch einmal sagt, dass er sie… wie ich schweife schon wieder ab? Die Geduld von jungen Leuten scheint wohl auch mit der Zeit zu entropieren. Wenn es denn sein muss. Gute 4 von 5 Punkten gebe ich dem Buch und wenn Sie vergessen haben warum, hoffe ich, Sie haben sich meine Erklärung mitgeschrieben. Gut, dann bin ja beruhigt. Einen schönen Abend wünsche ich noch und tun sie etwas gegen Ihre Erkältung.

Mr. Dodd (5 / 5)

Der Roman macht es dem Leser nicht leicht. King experimentiert bekanntermaßen sehr gern mit Erzählstilen herum, nicht immer mit überragendem Erfolg. Bei Dolores wählt er die für den Leser frustrierendste Form: einen durchgängigen Fließtext ohne Kapiteleinteilungen oder Ähnlichem. Für einen Leser wie mich eine Erschwernis, da ich grundsätzlich immer bis zu einem Kapitelende lese. Und 350 Seiten am Stück zu lesen, dafür bedarf es viel Zeit und viel Geduld und einiger Konzentration.

Und dennoch, trotz dieses sperrigen Erzählstils, ich vergebe die fünf Punkte. Ganz einfach, weil das Schicksal von Dolores Claiborne mich stark berührt hat. Ihr Geständnis ist offen und ehrlich. Die zentrale moralische Frage ist dabei, ob Mord gerechtfertigt ist, wenn ich dadurch ein unschuldiges Kind vor einem lebenslangen Trauma bewahre. Tatsächlich ist man hin- und hergerissen, ob man den kaltblütigen Mord, den Dolores an ihrem Ehemann verübt, entweder gutheißen oder verdammen soll. Ich selbst bin da uneins, Mord auf der einen Seite, einem Kinderschänder seine Taten durchgehen lassen, die andere.
Umso trauriger ist es zu sehen, was Dolores diese Entscheidung bringt, die Entfremdung von ihrer Tochter und die Verachtung der anderen Inselbewohner. Am Ende bleibt ihr eigentlich keine wirkliche Freude im Leben.

Dabei konnte mich auch die Rahmenhandlung, der Tod von Vera Donovan überzeugen, zum einen weil ich hier Dolores nachfühlen konnte, was es bedeutet einen alten Menschen zu pflegen, zum anderen, weil auch Vera ein ähnlich trauriges Schicksal wie Dolores widerfährt. Und auch sie wird Zeit ihres Lebens missverstanden und wird von den anderen verachtet.

Fazit: Trotz schwierigen Erzählstils eine unglaublich starke Geschichte, die einem unter die Haut geht und die eigenen Moralvorstellungen hinterfragt.

Jimla (5 / 5)

Ich glaube, bei keinem anderen Roman von Stephen King habe ich so viel geweint wie bei Dolores (höchstens bei Glas). Eindringlich beschreibt King, wie Dolores Claiborne feststellen muss, dass ihr Mann seine Tochter sexuell belästigt. Das ist zwar nur ein Teil des vorliegenden Romans, aber für mich ist diese Passage das dramatische Herzstück des Romans, der das Psychogramm einer vom Leben gezeichneten Haushälterin zeichnet. Schonungslos offen schildert Dolores zwei Polizisten und einer Sekretärin einen großen Teil ihrer Lebensgeschichte, um diese von ihrer Unschuld am Tod von Vera Donovan, bei der sie lange Zeit angestellt war, zu überzeugen.

Da die Geschichte tatsächlich in Form eines nahezu ununterbrochenen Monologs erzählt wird, wird man als Leser bald so sehr in die Geschichte hineingezogen, dass es schwerfällt das Buch wieder zuzuklappen. King bzw. seine Figur Dolores erzählt bildhaft von den drei Arten Vera Donovans ein Luder zu sein, wie in ihr allmählich die Überzeugung der Notwendigkeit einer Ermordung ihres Mannes reift und wie sie diesen Plan in die Tat umsetzt. Als Leser lernt man die kaltherzigen Kinder von Vera Donovan zu hassen, ehe King am Ende mit einer Überraschung aufwartet, welche ich vorherzusehen nicht in der Lage war, obwohl sie im Nachhinein wie so oft offensichtlich erscheint.

Stephen King schreibt ja gerne sehr ausschweifend und auch hier lässt er sich Dolores das eine oder andere Mal verplappern, doch so geradlinig und kompakt hat er selten eine starke Geschichte zu Papier gebracht. Das Buch hat mich nicht nur emotional getroffen, sondern ist auch insofern beeindruckend, dass man als Leser quasi im Kopf einer Mörderin steckt und man ihr Motiv dadurch sehr gut nachvollziehen kann. Das macht Dolores spannender als viele „richtige“ Thriller. Für mich klar unter den Top 10 der besten King-Romane, denn er erschüttert, ergreift, wühlt auf und berührt.

Derry Cat (4 / 5)

Ich hatte durch die Erzählstruktur befürchtet, dass mich nach Das Spiel auch Dolores langweilen oder zumindest mal enttäuschen wird, denn auch ich bin eigentlich ein striker "von Kapitel zu Kapitel" Hangler und ein Buch, ein Monolog noch dazu, das komplett in einem Rutsch abgedruckt wurde, stellte da dann doch eine Herausfoderung dar, gerade weil ich oftmals während Bus- oder Bahnfahrten lese und daher oft Pausen einlegen muss.

Glücklicherweise hat King es mit Dolores Claiborne geschafft, einen Charakter zu schaffen, der deutlich interessanter und sympathischer war, wodurch mich der Inhalt des Buches tatsächlich stark interessiert hat. Man trifft so viele interessante Charaktere auf Little Tall Island, die meisten davon nicht sehr sympathisch, wodurch man im Verlaufe des Buchs immer mehr mit Dolores sympathisiert und mitfühlt und sich wünscht, das doch alles gut läuft und Dolores am Ende kein trauriges Schicksal erwartet. Obwohl auch hier nur wenig verschiedene Schauplätze vorkommen (gut, ein einzelnes Schlafzimmer ist aber auch wirklich kaum zu unterbieten), gerät die Handlung selbst nie ins Wanken und bewegt sich stetig fort, wodurch dann auch mal kleinere Passagen von weniger Handlung nicht zu sehr ziehen.

Lediglich anfangs war mir etwas zu viel detailreiches Beschreiben drin, gerade wenn man bedenkt, dass man hier einem Monolog einer älteren Dame folgt, die sich sicherlich nicht an SO viele Details der letzten 30 Jahre erinnern sollte. Aber das ist halt King, wie er leibt und lebt!


V E Artikel über Dolores
RomanFilmInhaltsangabe (Teil I, Teil II) • Rezensionen (Roman, Film, Original-Hörbuch) • Klappentexte • Coverpage
Charaktere: Dolores ClaiborneVera DonovanSelena St. GeorgeJoe St. GeorgeJohn McAuliffeJessie BurlingameYvette AndersonTommy Anderson
Schauplätze: Little Tall IslandShawshank
Sonstiges: Sonnenfinsternis19631992