Briefe aus Jerusalem: Rezension

Version vom 2. Februar 2016, 16:28 Uhr von Andreas (Diskussion | Beiträge) ([Bot] Roman -> Bibliographie)


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Realbaby (3 / 5)

Es ist wirklich nicht einfach, die ganzen Boones unter einen Hut zu bringen. Insgesamt werden 11 Mitglieder der Familie namentlich genannt. Und dann ist da noch dieser James Boon, der ohne das "e" am Schluss auskommt. Zu allem Überfluss hat Everett Granson, der Freund von Charles Boone, auch noch den Spitznamen "Bones" (engl. Knochen, Knochengerüst) bekommen.

Sofort erinnert wurde ich an Bram Stokers Dracula. Auch dort ist, zumindest in der Filmversion, immer wieder das Geschriebene von Jonathan Harker Bestandteil der Handlung.

Der deutschen Übersetzerin Barbara Heidkamp sind mindestens zwei Fehler unterlaufen (siehe hier), was es dem Leser nicht unbedingt leichter macht, die Ereignisse zeitlich, sowohl auch die Familienverhältnisse zu verstehen. Doch auch Stephen King selbst blieb bei diesem Werk nicht fehlerlos. So lässt er Stephen Boone fälschlicherweise an die bereits verstorbene Ehefrau von Charles schreiben. Bei Randolph Boone konnte sich King anfangs scheinbar nicht entscheiden, ob er diesen im Jahre 1816 einfach verschwinden lässt, oder ob er sich im Keller des Hauses erhängt. Zum Glück hat King letztere Variante gewählt; denn so ist möglich, dass Randolph auf Chapelwaite als wandelnde Leiche umhergeht.

Im Großen und Ganzen eine recht nette Story, der es eigentlich an nichts fehlt, außer: Eine kleine Erklärung, was es denn mit dem "Wurm Der Verderben Bringt" auf sich hat. Ganz schlau bin ich daraus leider nicht geworden.

Bevor ich an dieser Geschichte gearbeitet habe, hätte ich ihr garantiert 4 Punkte gegeben. Doch beim Auseinandernehmen dieser, bleiben Fragen offen und es scheint eine Geschichte zu sein, die doch besser mit Hilfe eines Reißbrettes entworfen worden wäre – auch wenn King meint, dass diese Art von Werken (u.a. Schlaflos und Das Bild) nicht zu seinen Besten gehören. Dennoch bleibt die Spannung bis zum Schluss erhalten; und der Leser darf sich sogar ein Ende aussuchen. War es letztendlich nur ein einziger Mann, dessen Verstand sich verabschiedete und wild fantasierte, ja sogar zum Mörder wurde – oder sind die Aussagen wahr und sind 1971 noch immer diese Wesen im Keller, die wachen und behüten ...

Croaton (4 / 5)

Schon interessant - denn im Gegensatz zu Realbaby hätte ich vor der Arbeit an verschiedenen Artikeln nur 2 Punkte gegeben - jetzt, wo ich mich damit intensiver auseinandergesetzt habe, verleihe ich 4!

Ich mag irgendwie Geschichten, die - wie etwa The Plant oder Dracula - in Briefform verfasst sind. Dass man Jerusalem's Lot Jahre vor Brennen muss Salem besuchen darf, hat auch seinen Reiz; die Szenen in diesem Geisterdorf sind sehr eindringlich geschrieben. Auch die Schlussszene mit dem Monsterwurm hat was, so absurd sie auch ist. Die Frage ist nur - wie kommt man von diesem Wesen zu den Vampiren, die später die Stadt beherrschen? Soll man da einen Zusammenhang erkennen können? Und mich nervt einfach dieses H.P. Lovecraft-Gebrabbel von wegen Yoghurtblubber oder so ähnlich. Das entzieht für mich allem immer die Seriosität und kommt superdämlich rüber. Aber King mag's, das beweist er ja (allzu) oft!

Winterspecht (3 / 5)

Natürlich ist der Auftakt zu der herausragenden Sammlung Nachtschicht eine Verneigung vor H.P. Lovecraft. King hat später oft und gerne "Pastiches" geschrieben,d.h. in Anlehnung an einen bekannten Stil. Ich denke da an Arthur Conan Doyle oder Raymond Chandler. Auch ist die Briefform ein beliebtes stilistisches Manöver des 19ten Jahrhunderts gewesen, einem Sachverhalt den Anstrich von Realität einzuhauchen. Heute wissen wir, dass es auch anders geht. Diese Erzählung als Eröffnung zu wählen ist mutig. Ich entsinne mich, dass ich, als ich dieses Buch als junger Mann das erste Mal las, dieser Geschichte nicht so gerne folgen mochte. Jetzt, da ich sie wieder gelesen habe, durchschaue ich sie zwar, aber sie fällt für mich dennoch gegenüber den Hammerschlägen die nach ihr folgen, ab. Nicht weil sie schlecht wäre, ganz und gar nicht, sie hat ihre unheimlichen Momente. Aber man merkt ihr allzudeutlich an, dass sie eben "nur" ein Pastiche ist.

Mr. Dodd (5 / 5)

Etwas schlucken musste ich schon als ich die Darreichungsform sah, die King dieses Mal verwendete: Der Briefroman. Den letzten Briefroman den ich las, war Werther und das waren keine gute Erinnerungen an den Deutschunterricht.

Diese Geschichte jedoch gefiel bald sehr gut. Eine gruslige Atmosspähre kam auf, sowohl durch das verfluchte Haus, als auch durch das verlassene Dorf Jerusalem's Lot. Wunderbarerweise übernahm King den Namen dann für seinen Roman Salem's Lot. Auch wenn dieses Dorf unmöglich das gleiche sein kann, da die Entstehungsgeschichte unterschiedlich ist.

Immer unheimlicher wurde es, als die Geräusche in den Wänden lauter wurden, die Dorfbewohner sich von Charles Boone und seinem treuen Diener Calvin McCann abwandten und die beiden schließlich das verfluchte Buch Die Geheimnisse des Wurms zerstören wollten. Gerade das Ende erzeugte noch einmal Gänsehaut bei mir als sich Charles das offenbar bloß ausgedacht hat, aber die Geräusche immer noch da sind. Eine wirkliche Gänsehautgeschichte.

Woingenau 300 (5 / 5)

Nachtschicht war für mich immer die Sammlung, vor der ich mich am meisten gedrückt habe. Es heißt ja, sie sei die beste Kurzgeschichtensammlung Kings und das wollte ich mir zunächst einmal aufsparen. Nun, Meinungen gehen auseinander, nicht jeder hält Nachtschicht für die beste Sammlung, aber Briefe aus Jerusalem ist in jedem Fall ein durch und durch gelungener Auftakt. Ich lehne mich sogar sehr gerne aus dem Fenster und sage: diese Kurzgeschichte hat fast alles, was eine gute Kurzgeschichte braucht.

  • Eine interessante, abwechslungsreiche Gestaltung (die Briefform)
  • Puren, nackten Horror in Form jener "Wesen", die im Keller lungern
  • Ein großes Geheimnis, das einen zwingt, einfach weiterlesen zu müssen, so, dass es gar nicht mehr anders geht.
  • Eine geheimnisvolles Dorf, in dem seltsame Dinge vorgehen (gerade diese Vorstellung finde ich schon immer faszinierend. Das ist klassischer Horror in seiner puren Form, wie er selbst bei King nicht immer auftaucht).

Dazu kommt noch, dass diese Geschichte in einer Vergangenheit spielt, die jeher eine düstere Atmosphäre heraufbeschwört, so wie Bram Stokers Dracula, Mary Shelleys Frankenstein oder die Kurzgeschichten von Poe oder H.P. Lovecraft. Deswegen gibt es von mir für die bis jetzt beste Kurzgeschichte Kings fünf Punkte.

V E Artikel über Briefe aus Jerusalem
KurzgeschichteInhaltsangabeRezensionen • Coverpage
Charaktere: Mr. BigelowBonesJames BoonFamilie Boone (Charles, Henry, James Robert, Judith, Kenneth, Marcella, Philip, Randolph, Robert, Sarah, Stephen) • Clifton BrockettBarbara BrownMr. ClaryMrs. ClorisMr. FrawleyHenry GoodfellowEverett GransonMr. HansonCalvin McCannJohn PettyGoody RandallRichardMr. Thompson
Schauplätze: ChapelwaiteJerusalem's Lot
Sonstiges: Die Briefe aus JerusalemWurmDie Geheimnisse des WurmesVerwandte Geschichten: Brennen muss Salem, Einen auf den Weg1789 und 1850