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Tiberius (5 / 5)
Stephen King erlaubt sich mit Obits einen durchaus heftigen Schlag gegen die Boulevardmedien. Speziell den kleinen Magazinen im Internet, die mit kreischenden Überschriften, peinlichen Fotos und hemmungslosen Übertreibungen Klicks und damit Werbeumsätze generieren wollen. Das fiktive Neon Circus schreckt nicht davor zurück, Zweit- oder Drittklassige Schauspieler zu beleidigen, ihre Fehltritte prominent zu platzieren und - sollte es mit der Karriere dieser Künstler bergab gehen - sie auch am Boden noch für eine Schlagzeile zu nutzen.
Mir gefällt die Geschichte sehr. Dabei spielt das bischen Übersinnlichkeit nichtmal die dominante Rolle. Viel eher wirkt - wie bei King ja so häufig - das Zwischenmenschliche sehr greif- und nachvollziehbar. Wie Mike Anderson eigentlich nur deshalb den Job bekommt, weil er nicht noch mit 30 bei seinen Eltern in der Wohnung in Brooklyn leben will. Wie er versucht seine Chance zu ergreifen, etwas mehr als nur den lebensnotwendigen Dollar für seine Arbeit zu bekommen und seinen Frust, wenn er von einer dieser typischen Businesskasper schroff abgewiesen wird.
Vor allem aber gefällt mir, wie King das Magazin darstellt als ihre Chefredakteurin nicht mehr da ist. Keine Spur von Menschlichkeit oder Trauer. Im Gegenteil, die Journalisten wollen weiterschreiben. Nicht, weil ihre tote Chefin es so gewollt hätte, sondern damit sie weiter Kohle scheffeln können. Das Internet schläft nie und so sind sie schon wenige Minuten später wieder auf der Jagd nach kotzenden Promis oder Schauspielern, die sie im Bett mit - hoffentlich gleichgeschlechtlichen - Partnern erwischen können.
King fügt noch einen weiteren Aspekt hinzu, der mir gefällt. Dieser kleine Gedanke der möglichen Allmächtigkeit. Fast so, als würde er zwischen den Zeilen fragen, was man als Leser wohl machen würde, wenn man in der gleichen Situation steht. Würde man weiter Nachrufe auf Menschen verfassen, die man nicht leiden kann? Auch dann noch, wenn nicht nur das eigentliche Ziel stirbt, sondern potentiell alle, die so oder so ähnlich heißen? Was, wenn man einen Nachruf auf John schreiben würde? Dass King uns nicht unbedingt mit dem symbolischen Vorschlaghammer diese Moral aufdrängt gibt Extrapunkte.
Und wer weiß, vielleicht ist ein Leben ganz ohne den technischen Schnickschnack nicht doch besser, entschleunigter und weniger stressreich. Solange man ein Tablet hat, denn die Spiele und ab und zu mal das Internet gucken soll ja schon sein, oder?
Croaton (2 / 5)
Leider hat mich die Kurzgeschichte erstaunlich kalt gelassen. Das liegt maßgeblich an der Tatsache, dass ich mich von dem Moment an, in dem ich einen ersten Einblick in ihren Inhalt bekommen habe, gefragt habe, ob King da nicht seine eigene Geschichte Alles endgültig nochmals verwurstet. Diesen Eindruck bin ich bis zum Schluss nicht losgeworden, denn sowohl Michael Anderson als auch Dinky Earnshaw sind Ich-Erzähler, die mit der Gabe ausgestattet sind, vermittels gewisser Schriftstücke aus der Ferne Morde zu begehen. Ob es nun Mike Andersons Nachrufe oder die Dinkymails sind, am Ende steht der im Grunde unerklärliche Tod der adressierten Opfer. Mike ist für mich auch ebenso ungreifbar wie Dinky. Dinky hinterfragt sein Tun nicht, Mike wehrt sich kaum, als verschiedene Menschen ihn bitten, für sie zu töten.
Die Story hat schon ihre unterhaltsamen Seiten, vor allen Dingen die auch oben gelobte Darstellung der Boulevard-Presse ist ein Pluspunkt, dann aber konnte mich Mikes Beziehung zu Katie Curran überhaupt nicht überzeugen – und der Schluss könnte lahmer nicht sein, was Mike selbst sogar zugibt! Die Idee einer „Macht, die analphabetisch“ ist, fand ich dann endgültig zu albern, um die Geschichte noch ernst zu nehmen.
Fazit: Alles endgültig aufgewärmt, mit fadem Nachgeschmack.