The Prisoner: Rezension
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Tiberius (4/5)
Es geht also weiter. Die Letzten Schüsse bedeuten nicht mehr das Ende der Dark-Tower-Comics, sondern nur noch den Abgesang des zweiten Kapitels The Dark Tower: The Gunslinger. Nach dem Ende des Kapitels war ich zwar enttäuscht, aber froh. Enttäuscht, dass Marvel die Adaption von Kings bedeutendem Werk so lustlos beendete, aber auch froh, dass es nicht noch weiter bergabgehen würde.
Doch 2014 dann die Überaschung. Es geht weiter! Mit einigen Änderungen sollte für eine Art Neustart der Comics gesorgt werden. Optischer wie handlungstechnischer Art wurde dafür gesorgt, dass wir uns wieder auf die Veröffentlichungen der Hefte freuen konnten.
The Prisoner - deutsch: Der Gefangene startete im September 2014 mit dem ersten von fünf Heften. Die deutsche Übersetzung gaben Panini und der Splitter-Verlag ziemlich genau ein Jahr danach heraus.
Die Änderungen im Überblick: Wir verlassen Mittwelt als Hauptschauplatz entgültig. Nicht zur zum Flitzen gehen, wie bei Der Mann in Schwarz, sondern dauerhaft. Wir folgen der Veröffentlichungsreihenfolge von Stephen King und bewegen uns von Schwarz - dem ersten Roman von Kings 8-teiliger Serie - zu Drei - der Nummer 2. Wer sich übrigens fragt, ob es Sinn ergibt, Roman Nummer 2 einer ganzen Reihe Drei zu nennen, dem sei die Übersicht: Absurde Titel zu empfehlen.Wie auch immer, mit Drei bewegen wir uns auch ein Stück von Roland Deschain weg. War er bisher noch der Hauptcharakter, berichten Peter David und Robin Furth jetzt aus der Sicht von Eddie Dean in seiner New Yorker Umgebung. Wir sehen ihn aufwachsen und folgen seiner Entwicklung hin zum titelgebenden Gefangenen.
Neben der Handlung auch ein entscheidener optischer Wechsel. Passend zur Hauptszenerie hat man sich von einem futuristischen Stil entfernt, der seit dem Anfang der Comics durch Jae Lee begonnen wurde und dessen Imitation durch andere Zeichner in meinen Augen so extrem schief lief. Piotr Kowalski zeichnet realistischer, mit klareren Linien und mehr Licht. Er spielt auch mit den Perspektiven. Etwas, was man schon in der Vorschau des ersten Hefts bewundern konnte.
Allerdings sorgt Kowalski in meinen Augen auch für de größte Enttäuschung. Sein Stil wirk geradlinig und hell - gut bis sehr gut. Jedoch auch klinisch sauber und schlank - nicht mehr gut. Zwei Beispiele dafür: King beschreibt die Figur des Enrico Balazar als typischen Mafiaboss, der sich hochgearbeitet hat und auch so aussieht. Also in meinen Augen füllig, nicht sehr groß, aber mit einer dominanten Ausstrahlung. Kowalski macht daraus einen Mafiaboss, wie er wohl heute aussehen würde und mixt dazu eine gehörige Portion Twilight-Vampirismus dazu. Schlank, chic, harmlos sadistisch. Das mag zwar beim Zielpublikum von Marvel ankommen, ich folge dem aber nicht.
Die größere Enttäuschung liegt aber bei der Darstellung des letzten Revolvermannes von Mittwelt. Ganz wie es Marten am Ende von Der Mann in Schwarz ankündigt, begegnet Roland dem Jungen, als dieser in allerhöchster Not ist. Das ist Roland bei Kings Vorlage ebenfalls. Schwer verletzt von Monsterhummern und am Ende seiner Vorräte sieht er wohl nicht gerade wie ein strahlender Held aus. Und leider noch viel weniger wie ein frischrasierter mitte-30er mit lustig bemalten Armen.Sehr, sehr schade, denn der Band bis zu den Stellen noch großes Kino. Es scheint fast so, als ob sich auch Peter David und Robin Furth in New York deutlich heimischer fühlen, als bei dem Versuch neue Geschichten in Mittwelt zu erfinden. Zwar haben sie den Vorteil, dass sie sich an einer deutlich umfangreicheren Quelle bedienen können, aber sie weben einige Details schon jetzt mit in die Handlung, die den Lesern von Kings Romanen erst später im Zyklus begegnen. Dazu kommen ein paar Feinheiten, die ein paar Puristen des Zyklus wohl eher schwer im Magen liegen werden. Eddie Dean war also schon als Kind im Fadenkreuz des Scharlachroten Königs? Die Verbindung zwischen Balazar und den Schergen des oberen Bösewichts, die wir vorher erst aus Wolfsmond mitbekommen, wird uns hier recht offensiv präsentiert. Ist das glaubwürdig und passend für den ganzen Zyklus? In meinen Augen sehr wohl. Marten - der Berater des Scharlachroten Königs - erzählt Roland zuvor vom Gefangenen. Sein Motiv ist im Comic wie auch in der Vorlage nicht so deutlich zu greifen. Dass aber sein Boss unbedingt verhindern will, dass Roland bis zum Dunklen Turm gelangt passt wunderbar. Dass er dafür am Beste sein Ka-Tet ausschalten sollte nur zu verständlich, schließlich ist es Eddie Dean mit seinem losen Mundwerk, der etwas mit dem Gequatsche eines gewissen Zugs in Mittwelt anfangen können wird.
Die Handlung passt also ganz wunderbar in meinen Augen. Wie erwähnt, vielleicht ist nicht alles für die ernsthaften Verfechter von Kings Original, aber Robin Furth und Peter David passen in meinen Augen mehr als nur gut auf das Heiligtum der Kernhandlung auf und transportieren es hervorragend in die Neuerzählung in einem anderen Medium.
Insgesamt ist es sehr erfreulich, dass die Comics fortgesetzt werden. Ich hoffe, dass man etwas gegen Kowalskis Interpretation des Revolvermanns unternimmt. Dann gibt es auch die volle Punktzahl.
Für diejenigen, die sich nicht für die Originalausgaben begeistern können bleibt meine Empfehlung der Großformatausgabe aus dem Splitter-Verlag. Ja, es kostet mehr wie die Taschenbuchausgabe aus dem Comicgroßverlag. Ja, es beinhaltet auch nicht mehr das Plus an Extrainfos. Aber Kowalskis Zeichnungen wirken erst richtig gut in der Ausgabe aus der Bielefelder Druckerei. Denn Kowalski hat es drauf. Besonders bei den Seitenfüllenden Bildern. Und das verdient die größtmögliche Leinwand.
Dazu kommt die Qualität des gesamten Buchs. Natürlich kann man sich die Taschenbuchausgabe des Comics besorgen, durchlesen und ins Regal stellen. Aber sind wir mal ehrlich, die großformatigen Ausgaben hinterlassen optisch, wie auch haptisch einen deutlich besseren Eindruck. Mein volles Lob also für den fortwährenden Mut, die Bände in diesem Format in der deutschen Übersetzung herauszubringen.
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