Der Mann im schwarzen Anzug: Rezension
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Inhaltsverzeichnis
Croaton (4 / 5)
Es ist gar nicht so einfach, Stephen Kings Kurzgeschichte Der Mann im schwarzen Anzug unvoreingenommen zu begegnen, weiß man doch, dass King dafür den renommierten "O'Henry Award" gewann. Als ich das hörte, musste ich sofort an die von Kritikern so hoch gelobten Geschichten Mein hübsches Pony und Die Meerenge denken – beide für mich kaum erträglich …
Aber nein, diese Geschichte konnte mich schnell für sich einnehmen. Zum einen mag ich dieses (auch in The Green Mile praktizierte) Format des alten, alten Mannes, der kurz vor seinem Tod das zentrale Ereignis seines Lebens niederschreiben will – irgendwie hat das etwas Faszinierendes. Und so nimmt uns der Ich-Erzähler Gary mit ins Jahr 1914 in die Gegend rund um Castle Rock.
Garys Darstellung seiner durch den frühen Tod seines Bruders Dan zerrütteten Familie, der Lebensumstände der damaligen Zeit und natürlich seines Zusammentreffens mit dem Mann im schwarzen Anzug, dem Leibhaftigen selbst, machen bald klar, dass King den obengenannten Preis wohlverdient hat. Die "Unterhaltung" des Satans mit dem völlig eingeschüchterten Neunjährigen, der sofort begreift, wem er sich hier gegenübersieht, ist schon erste Sahne.
Trotzdem gebe ich einen Punktabzug und zwar für zwei Dinge, die mich stören. Zum einen verkommt der – haha – teuflisch gut dargestellte Mann im schwarzen Anzug zu einer Witzfigur, als Gary ihm durch die Lappen geht und er ihm unbeholfen durch den Wald stolpernd nachjagt … um schließlich gar von ihm abgehängt zu werden.
Schlimmer noch finde ich die Tatsache, dass King nach Achterbahn einmal mehr einen befremdlichen "Trick" anwendet: Wie George Staub dieses Spielchen mit Alan Parker trieb, so will auch der Mann in Schwarz Gary weismachen, dass seine Mutter soeben gestorben sei; in beiden Fällen erweist sich diese Aussage als Lüge, und in beiden Fällen frage ich mich, was King damit beabsichtigt. Sowohl Staub als auch vor allen Dingen der Satan hätten wohl die Macht gehabt, ihre Drohungen in die Tat umzusetzen – wieso aber tun sie's dann doch nicht? So missrät der Schluss der Geschichte (wenn auch nicht ganz so dramatisch wie in Achterbahn, siehe hier) derart, dass eine Schulklasse, mit der ich die Geschichte einst las, einhellig fragte: "Und das war's jetzt?"
Fazit: Mit Preisen gewürzte Kurzgeschichte, deren erste Gänge sehr wohl munden, deren Nachtisch aber einen faden Nachgeschmack hinterlässt.
Horaz Klotz (2 / 5)
Auf den Mann im schwarzen Anzug bin ich das erste mal in der Sammlung Im Kabinett des Todes gestoßen. Und so konnte ich gar nicht wirklich unvoreingenommen an die Geschichte rangehen - immerhin erzählt King selber im Vorwort lang und breit, dass die Story zwar ziemlich preisgekrönt ist, er sie aber eigentlich nicht für besonders gelungen hält. Das ist erstmal kein großes Problem. Mit einigem was unser Autor für seine wichtigsten Werke hält kann ich nicht viel anfangen und manchmal gefallen mir gerade die Werke, die er lieber in der Schublade gelassen hätte, am besten. Ich hatte zumindest damit gerechnet, dass es in einer so kontrovers aufgenommenen Geschichte irgendeine Wendung oder eine Moral gibt, die man entweder lieben oder hassen kann. Aber Der Mann im schwarzen Anzug bleibt für mich leider ziemlich beliebiger und stellenweise einfach alberner 0815-Horror.
Das liegt leider vor allem am Anzug-Mann selbst. Dabei fand ich es zunächst wirklich spannend, dass King den leibhaftigen Teufel aus dem Hut zieht. Es gibt vielleicht keine andere Figur an der sich so viele Schriftsteller mit so vielen verschiedenen Blickwinkeln abgearbeitet haben. Allein aus meiner Deutsch-LK-Zeit fallen mir Heyms Luzifer und natürlich Goethes Mephisto ein, die geschickt alte Mythen mit neuen Twisten und modernen Interpretationen verbinden und dem Teufelsmotiv ihren ganz eigenen Stempel aufdrücken. Klar - in einer Kurzgeschichte kann man kein so ausgefeilte Charakterstudie erwarten, aber Was King uns hier serviert liest sich leider eher wie die ungeordnete Fantasie eines Grundschulkindes, das noch nicht gelernt hat, dass weniger manchmal mehr ist. Dieser Teufel riecht nicht nur nach Schwefel und hat coole rote Augen, er brennt gleich von innen heraus. Und er hat einen überproportionales Maul mit Reißzähnen. Und er weint Blut. Ich musste bei dieser Beschreibung mehr an einen missglückten Halloween-Kürbis denken, als an einen ernstzunehmenden Teufel.
Dabei gibt es auch ein paar gute Ansätze. Zum Beispiel stört es mich überhaupt nicht, dass der Teufel Gary mit der toten Mutter nur reinlegen will - immerhin ist er der Vater der Lügen. Nur dafür wirkt die aufgetischte Geschichte ein bisschen sehr simpel und es hilft auch nicht, dass unser kindlicher Protagonist sie direkt ein paar Seiten weiter widerlegen kann. Es wäre um einiges spannender gewesen, wenn Gary sich mehr und mehr in den Lügen verlieren würde und erst langsam wieder in die Realität zurück kämpfen müsste, statt direkt herauszufinden, dass der Teufel ihn nur reingelegt hat. Daneben fand ich es ganz gelungen, dass King seinem Mann im schwarzen Anzug eine Todesaura spendiert, die Tiere und Pflanzen im Umkreis erledigt und nur auf unseren Protagonisten offenbar keinen großen Einfluss hat. Allerdings fand ich den Einsatz dieser Superkraft nicht immer nachvollziehbar - warum sollte der Teufel die Biene auf Garys Nase so einfach umbringen und ihm damit aus der Patsche helfen? Wenn selbst Gott gerne mal Bienen und Hornissen benutzt um seine Feinde zu piesacken (2. Mose 23,28), hätte ich vom Teufel erwartet auch auf solche Tricks zurück zugreifen.
Auch das Ende ist dann erstaunlich anti-klimaktisch. Dass unser Erzähler überlebt wissen wir schon aus dem Vorspann und langsam gehen King anscheinend die Ideen aus, wie Kinder offensichtlich überlegenen Monstern entkommen können. Statt Silberkugeln und Vogellexikon hat Gary nur einen Fisch, den er dem Angreifer um die Ohren hauen kann, bevor er die Flucht durch den Wald antritt. Es wäre schon unlogisch, einem menschlichen Verfolger so zu entkommen, aber dass ein Neunjähriger einfach mal so dem Fürst der Finsternis davon sprintet, ist einfach nur albern. Nach dem erwartbaren Happyend - nicht nur Garys Mutter überlebt, sondern auch sein Vater, der dumm genug ist nach dem Teufel zu suchen - versucht King im letzten Abschnitt noch etwas von der gruseligen Grundstimmung in Garys Gegenwart herüberretten. Er baut dabei auf den gleichen Kniff wie später in Revival, in dem eigentlich alles halbwegs gut ausgeht, der Erzähler aber immer noch Angst hat, dass ihn die Monster irgendwann erwischen. Bei mir hat der Trick diesmal nicht funktioniert - einem so inkompetenten Teufel würde Gary auch noch als 90-Jähriger entkommen.
Fazit: Manchmal sind King und ich doch einer Meinung. Der Mann im schwarzen Anzug ist weder besonders preisverdächtig, noch wirklich lesenswert.
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