Version vom 17. Juli 2011, 08:03 Uhr
In A Chat with Peter Straub (wörtlich: Plauderstünde mit Peter Straub) spricht Straub über die Zusammenarbeit mit Stephen King. Beide Autoren haben gemeinsam den Roman Der Talisman und dessen Fortsetzung Das Schwarze Haus geschrieben. Das kurze Interview mit siebzehn Fragen ist im Anhang der Originalausgabe von Das Schwarze Haus (Black House) zu finden.
Anmerkungen: Die Fragen sind hier in einer inoffiziellen und auf den Inhalt gekürzten Laienübersetzung widergegeben. Straub neigt bei einigen Antworten zu Ironie und Sarkasmus (vor allem bei #4 und #15 wird das deutlich).
- 1. Was brachte Euch zurück in die Welt von Der Talisman und den Charakter Jack Sawyer?
- King erinnerte sich an einen Vermerk von mir, der die Frage enthielt, ob ein Haus von sich aus ein absolut böses Wesen haben könnte. Schließlich fragte er mich, ob ich Lust hätte, dieser Frage in einer Fortsetzung zu Der Talisman nachzugehen.
- 2. Worauf bezieht sich der Titel Black House?
- Charles Dickens Roman Bleak House, den Jack Sawyer für den blinden Henry Leyden vorliest und
- das Black House, welches in der Geschichte vorkommt
- 3. Hatten Sie Ängste beim Schreiben einer Fortsetzung?
- Ich hatte "Lampenfieber", welches eine Zusammenarbeit mit sich bringt: Wird der Ko-Autor die Vorschläge gut finden? Es ist schwierig, wenn mehrere Köche am selben Gericht kochen würden.
- 4. Warum ist Jack so ein fesselnder Protagonist?
- Er hat viele Eigenschaften von seinen beiden (geistigen) Vätern bekommen: Reichtum, gutes Ausssehen, Sinn für Humor, einen wundervollen Geschmack für Bücher, Musik und Kunst sowie ein enormes Maß an Einfühlungsvermögen und sozialen Fähigkeiten.
- Darüberhinaus ist Jack wahrscheinlich klüger als beide Autoren und besitzt einen verblüffenden Schwermut, der den beiden strammen, muskulösen Schöpfern so vollkommen fremd ist.
- 5. Sind Sie überrascht über den Kultstatus, den Der Talisman erreicht hat?
- Als Autor behandelt man eine Geschichte wie ein Kind: Man nährt es und achtet darauf, dass der Kopf richtig angeschraubt ist. Der Talisman war ein kräftiges und aufgewecktes Kind, daher scheint es nur richtig, dass aus ihm etwas geworden ist.
- 6. Wie habt ihr euch überhaupt kennengelernt und beschlossen einen gemeinsamen Roman zu schreiben?
- Mitte/Ende der 70er Jahre gab es nur wenige Horrorschriftsteller unter 60 Jahren, so haben King und ich schnell voneinander gehört und entdeckt, dass wir ähnliche Vorstellungen haben. King schrieb zwei Blurbs zu meinen Werken, woraufhin ich Brennen muss Salem las und sofort Gefallen an den Werken meines Kollegen fand. Nach einem Brief von mir trafen wir uns in England, wo King vorschlug, einen Roman gemeinsam zu schreiben. Ich war sofort von der Idee fasziniert.
- 7. War das Schreiben des zweiten Buches anders als beim ersten?
- Ja, schließlich waren wir inzwischen 15 Jahre älter geworden und hatten einen anderen Sinn für Romantik bekommen. Der Roman schien beim Schreiben oft seine eigenen Werke zu gehen.
- 8. Worin liegen die besonderen Herausforderungen bei der Zusammenarbeit mit anderen Autoren? Warum glauben Sie, dass Sie damit erfolgreich waren?
- Meiner Meinung nach leidet jeder Schrifsteller unter der Arroganz seiner Künstlerfreiheiten (er kann Berge versetzen, Flüsse umleiten, etc.) - eine Zusammenarbeit braucht daher unbedingtes Vertrauen in die Arbeit des anderen. Der Erfolgt liegt im großen Respekt der beiden Autoren füreinander. Ich würde sofort von einem Dach springen, wenn King mir versicherte, er würde ihn fangen.
- 9. Erklären Sie den Ablauf - Habt ihr unterschiedliche Kapitelvorschläge geschrieben? Wer hat angefangen, wer abgeschlossen?
- Wir schrieben abwechselnd Blöcke von 50 bis 100 Seiten und schickten uns diese als E-Mail-Anhänge zu. Wer den ersten oder letzten Block geschrieben hat, weiß ich nicht mehr, aber ich glaube, dass nicht dieselbe Person beides fertiggestellt hat.
- 10. In Das Schwarze Haus wird der reale Serienmörder Albert Fish erwähnt. Woher kanntet ihr sein Handwerk und warum habt ihr entschieden, ihn in den Roman aufzunehmen?
- Der Psychopath Albert Fish war schon lange ein Favorit von Horrorautoren und eine Art Insiderwitz. So schickte mein Freund und Autor Karl Edward Wagner einen Brief an den Schriftstellerkollegen David J. Shows mit dem Namen des Mörders als Absender. Köstlich! Ich las vor der Arbeit am Roman Deranged von Harold Schechter und war damit auf Kings Vorchlag eine ähnliche Figur wie Albert Fish zu verwenden, vorbereitet.
- 11. Aber der wahre Bösewicht ist der Alzheimerpatient Charles Burnside, ein unscheinbarer Wirt für einen bösen Geist aus einer anderen Welt. Woher kam die Idee zu seinem Charakter?
- Jedes Kind in den Staaten kennt einen älteren Nachbarn, der über alles und jeden wettert ("Verschwinde von meinem Rasen! Sei ruhig! Woher hast du diesen Apfel?"). Burny ist eine Hommage an diese "liebenswerten Nachbarn"
- 12. Das tatsächliche Black House im Roman, ist eine alternative Welt, ein Dunkler Turm. Sollen den Leser des Dunklen-Turm-Zyklus von King hierbei Glocken läuten? Wie passt die Geschichte in den Zyklus?
- Das Schwarze Haus ist in gewisser Weise ein Zusatz zum Dunklen-Turm-Zyklus. Genauso wie Der Talisman, doch das wusste damals niemand - auch die Autoren nicht, denn der erste Roman (Schwarz) wurde erst später geschrieben.
- 13. Seid ihr fertig mit Jack Sawyer oder werden noch weitere Abenteuer kommen?
- Bei Phantasy-Geschichten gibt es einen Drang zu Trilogien. Der erste Roman spielt gleichermaßen in unserer Welt und dne Territorien, während der zweite zumeist in unserer Welt stattfindet. Ein dritter Roman könnte daher zum größten Teil in den Territorien spielen, das wäre ein gutes Gleichgewicht. Außerdem erfährt der Leser am Ende von Das Schwarze Haus, dass Jack jetzt einen Großteil seiner Zeit in den Territorien leben muss.
- 14. Ihr habt beide Webseiten. Glaubt ihr, den Fans durch die Nutzung des Internets näher gekommen zu sein?
- Kings Seite wird durch Simon & Schuster gewartet und ist sehr informativ, während meine Seite von meinem Bruder John angelegt wurde. Sie enthält weniger Informationen, sondern vielmehr Zusätze, Unterhaltung und Humorvolles.
- 15. Haben Sie schon einmal im Internet gesurft, um zu lesen, was die Leute über dich denken? Gab es dabei Überaschungen?
- Ich weiß, dass Steve es nicht tut, aber ich gebe es schamlos zu. Dabei stoße ich hin und wieder auch darauf, dass meine Werke nicht die allgemeine Zustimmung finden, aber auch dieser Unmut scheint oft begründet. Und ja, es stimmt: Nachdem Der Talisman vollendet war, bat Steve mich, noch einmal durchzugehen und einige langweilige Stellen zu ergänzen. Er meinte, ich hätte eine besondere Begabung für die langweiligen Stellen.
- 16. Können Sie ihre Geschichten und Charaktere abends aus dem Kopf kriegen, wenn Sie zu Bett gehen oder sind sie die ganze Zeit in ihrem Kopf, wenn Sie ein Buch schreibsen?
- Es ist wie mit Kindern und Katzen: Du bist den ganzen Abend bemüht, sie ins Bett zu kriegen, bis dir selbst die Augen zufallen. Dann kommen sie mit rudernden Armen in dein Schlafzimmer, schreien, kratzen, haben Hunger und Durst und niemand versteht, wie brilliant und witzig sie doch sind. Das Lustige ist: Wenn du ihnen am nächsten Morgen etwas sagst, schenken sie dir keine Beachtung.
- 17. Welche Schriftsteller haben Ihr Werk beeinflusst?
- In genannter Reihenfolge ohne Erklärung: Charles Dickens, Wilkie Collins, Henry James, Raymond Chandler, Iris Murdoch, Vladimir Nabokov, John Barth, John Crowley, Donald Harington, Ross Macdonald, John Updike, Stephen King.
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