Die New York Times zum Vorzugspreis: Rezension: Unterschied zwischen den Versionen
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King zeigt mal wieder welche emotionale Achterbahnfahrt auf 11 Seiten passt. Wie bei jeder guten Kurzgeschichte werden wir direkt ins Geschehen geworfen, Erklärungen gibt es keine, dafür sind wir ganz nah an unseren Protagonisten dran. Die Idee, Anrufe von Verstorbenen zu bekommen könnte dabei schnell kitschig wirken. Aber unser Autor schafft - wie auch bei der späteren Leitung ins Jenseits in ''Ein Gesicht in der Menge'' - die Balance zwischen authentischer Alltäglichkeit und dramatischem Pathos. Und ich muss zugeben - seit ich im 9/11-Museum in New York die tatsächlichen letzten Anrufe der Flugzeugpassagiere an ihre Lieben gehört habe, läuft es mir beim Lesen nochmal extra kalt den Rücken runter. | King zeigt mal wieder welche emotionale Achterbahnfahrt auf 11 Seiten passt. Wie bei jeder guten Kurzgeschichte werden wir direkt ins Geschehen geworfen, Erklärungen gibt es keine, dafür sind wir ganz nah an unseren Protagonisten dran. Die Idee, Anrufe von Verstorbenen zu bekommen könnte dabei schnell kitschig wirken. Aber unser Autor schafft - wie auch bei der späteren Leitung ins Jenseits in ''Ein Gesicht in der Menge'' - die Balance zwischen authentischer Alltäglichkeit und dramatischem Pathos. Und ich muss zugeben - seit ich im 9/11-Museum in New York die tatsächlichen letzten Anrufe der Flugzeugpassagiere an ihre Lieben gehört habe, läuft es mir beim Lesen nochmal extra kalt den Rücken runter. | ||
− | Das Gespräch selber ist dann tatsächlich relativ belanglos, aber gerade diese Schlichtheit und Alltäglichkeit macht es so düster realistisch. Wo andere Autoren auf schmalzige letzte Liebesschwüre gesetzt hätten dürfen Kings Figuren auch in so einer emotionalen Ausnahmesituation sie selbst bleiben. In so einer Lage hätte wohl niemand eine spruchreife Rede parat, stattdessen schweifen Anne und James von den großen Fragen des Lebens und Sterbens immer wieder zu Belanglosigkeiten und vergeuden die kostbaren letzten Momente Akkulaufzeit mit Nichtigkeiten. | + | Das Gespräch selber ist dann tatsächlich relativ belanglos, aber gerade diese Schlichtheit und Alltäglichkeit macht es so düster realistisch. Wo andere Autoren auf schmalzige letzte Liebesschwüre gesetzt hätten dürfen Kings Figuren auch in so einer emotionalen Ausnahmesituation sie selbst bleiben. In so einer Lage hätte wohl niemand eine spruchreife Rede parat, stattdessen schweifen Anne und James von den großen Fragen des Lebens und Sterbens immer wieder zu Belanglosigkeiten und vergeuden die kostbaren letzten Momente Akkulaufzeit mit Nichtigkeiten während unten die Beerdigungs-Gesellschaft wartet. |
− | Dass zwischendurch auch immer wieder kryptische Warnungen und vor zukünftigen Ereignissen eingestreut wurden fand ich ganz geschickt gemacht und nicht wirklich störend. Nach der Erkenntnis dass es im Jenseits offenbar Handynetz gibt kann mich eigentlich nichts mehr überraschen. Auch die Andeutungen auf Reinkarnationen waren vage genug um zu funktionieren. Dafür ging mir das Bild vom Jenseits als Bahnhofshalle in der die Passagiere nacheinander durch die Türen verschwinden ein bisschen auf die Nerven. Da hätten sich - insbesondere ein Jahr nach Erscheinen des letzten ''Harry Potter''-Bandes - wohl originellere Bilder finden lassen, wenn man das große Jenseits wirklich unbedingt mit einem so irdischen Bild verbinden möchte. Für meinen Geschmack hätte King hier deutlich vager bleiben können. | + | Dass zwischendurch auch immer wieder kryptische Warnungen und vor zukünftigen Ereignissen eingestreut wurden fand ich ganz geschickt gemacht und nicht wirklich störend. Nach der Erkenntnis dass es im Jenseits offenbar Handynetz gibt kann mich eigentlich nichts mehr überraschen. Ob man die kleinen Geschichten rund um den toten Nachbarsjungen und die Gasexplosion in der Bäckerei wirklich noch auserzählen musste, bleibt dahin gestellt. Mich hat es als kurzen Anhang nicht gestört, auch wenn damit natürlich die kammerspielmäßige Raum-Zeit-Einheit aufgelöst wird. Auch die Andeutungen auf Reinkarnationen waren vage genug um zu funktionieren. Dafür ging mir das Bild vom Jenseits als Bahnhofshalle in der die Passagiere nacheinander durch die Türen verschwinden ein bisschen auf die Nerven. Da hätten sich - insbesondere ein Jahr nach Erscheinen des letzten ''Harry Potter''-Bandes - wohl originellere Bilder finden lassen, wenn man das große Jenseits wirklich unbedingt mit einem so irdischen Bild verbinden möchte. Für meinen Geschmack hätte King hier deutlich vager bleiben können. |
Fazit: Kurz, knackig und nett vage. So machen Jenseits-Storys Spaß. | Fazit: Kurz, knackig und nett vage. So machen Jenseits-Storys Spaß. |
Aktuelle Version vom 7. Februar 2019, 12:38 Uhr
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Inhaltsverzeichnis
Realbaby (0 / 5)
Nein, Die New York Times zum Vorzugspreis (da nervt ja schon der Titel!), ist keine Kurzgeschichte für mich. Der erste Satz war vielversprechend. Doch was dann kam, war Enttäuschung pur!
Da bekommt also diese Anne Driscoll einen Anruf von ihrem Mann James. Dieser ist aber vor ein paar Tagen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Ohne großes Nachfragen glaubt Anne ihrem Mann, dass er tot ist. Hallo?! Niemals würde ich das einfach so glauben! Ich würde x-mal nachfragen, was der Quatsch soll, wäre sauer und wütend, dass man mich so hochnimmt! Aber Anne glaubt einfach so dass sie mit einer Leiche telefoniert. Aha. Damit aber nicht genug. Da kommen Themen auf, wie: "Hast Du etwa Hunger, Liebling?" Was soll denn der Blödsinn? Und dann malt sich Anne auch noch aus, wie ihr Mann jetzt als Leiche wohl aussehen mag. Ob er Verbrennungen und dergleichen hat. Unglaublich! Auch wenn ich mich hier jetzt wiederhole: Nein, dies ist keine Kurzgeschichte für mich! Schade um die Zeit, die ich mit ihr verbracht habe – zum Glück waren es nur 11 Seiten (aber 11 Seiten zuviel!)
Croaton (5 / 5)
Schön, wie sich Meinungen unterscheiden können! Mich fasziniert die Grundidee der Geschichte: Was wäre, wenn es mir, weil ich es nur verzweifelt genug will, gelingen würde, Sekunden vor meinem Tod Kontakt zu einem mir geliebten Menschen aufzunehmen? Wenn irgendetwas, irgendeine Macht es mir ermöglicht, über den eigentlichen Tod hinaus noch weiter zu telefonieren, Eindrücke zu vermitteln von dem Zwischenreich? Das Zwischenreich selbst ist wie ein großer Bahnhof, von dem aus Türen in verschiedene, unbekannte Richtungen führen – welche Tür nur soll man aufstoßen?
Und wie soll der Angerufene darauf reagieren? Anne Driscoll, die sich soeben auf die Beerdigung ihres Mannes James einstellen musste, ist völlig von der Rolle und in den wenigen Minuten, die ihr mit ihrem Mann gegönnt sind, vollkommen verwirrt und überfordert. Erst ist sie von einem schlechten Scherz überzeugt, erkennt dann aber typische Eigenheiten ihres Ehepartners und lässt sich auf das absurde Gespräch ein. Sie kann nicht fassen, dass James noch Hunger empfinden könnte, kommt nicht darüber weg, was er in den letzten Sekunden seines Lebens gefühlt haben mochte.
Doch dann packt King noch eins drauf: In diesem Zwischenreich ist es James für einen Moment möglich, Annes Zukunft zu beeinflussen – er bewahrt sie vor der gewaltigen Gasexplosion in der Bäckerei Zoltan's, die ihr sonst wohl das Leben gekostet hätte. Und wie ist das mit dem versteckten Hinweis auf die Wiedergeburt? James spricht von "solchen Situationen", als sei er schon mehrfach gestorben. So, wie er darüber spricht, scheint diese Feststellung für ihn fast banal und selbstverständlich – auch ein Resultat seines erweiterten Bewusstseins?
Die Geschichte vermittelt, dass der Tod eben doch nur ein weiterer Schritt ist und dass die Liebe ihn, wenn auch nur für wenige Minuten, vielleicht doch überwinden kann. Dass ihr Kontakt schließlich abreißt, weil der Handyakku leer ist und dass Anne ganz am Ende per Rückruftaste nur zum Abonnementdienst der New York Times gelangt, unterstreicht den nüchternen Alltag des Sterbens – und nimmt ihm auf unbestimmte Weise seinen Schrecken.
Fazit: Ein ganzes Universum an Emotionen, Bildern und Eindrücken auf elf Seiten und damit für mich der bislang gelungenste der ganz kurzen Leckerbissen Kings.
Wörterschmied (4 / 5)
Gibt es außer King noch einen Autoren, der es vermag, einen Titel länger zu gestalten als die Spannungskurve eines Red Sox-Spiels? Wohl kaum. Sunset setzt neue Maßstäbe: Der Titel N. unterbietet sogar noch die Länge des Titels ES und The New York Times at Special Bargain Rates knüpft an die Länge und Banalität von This Feeling, You Can Only Say What It Is In French nahtlos an! Der Dauerleser wartet nur noch auf The Man Who Filled Spoiled Milk In His Coffee - Actually He Didn't Drink It, But Imagine He Did! und ?, die neue Dimensionen eröffnen!
Aber Spaß bei Seite: Die Geschichte ist eine sehr emotionale Momentaufnahme plus langem Nachspiel:
- Zur Momentaufnahme: Wer ist nicht schon einmal knapp der Stoßstange eines Lasters entkommen und wunderte sich, warum die letzten Gedanken vor dem vermeintlichen Unglück "Hätte ich doch meine alte Hose angezogen" oder "Jemand sollte meiner Frau Bescheid sagen, dass ich nicht zum Kaffee komme" waren? Solche Banalitäten sind die (vermeintlich) letzten Gedanken. Es ist verständlich, dass man kurz vor oder nach seinem Tod noch einmal mit seinem Lebenspartner reden und ihn beruhigen möchte. Genauso möchte man, dass die letzten Worte, die man wechselt, nette Worte sind. Wie bei der vergleichbaren Szene aus Sara - als Mike Noonan noch einmal von seiner verstorbenen Frau Abschied nehmen darf - muss der Leser sich zusammen reißen, nicht einfach loszuheulen.
- Zum Nachspiel: Die Geschichte hätte nach dem Telefonanruf enden sollen. Das Nachspiel macht leider das abgebaute Stimmungsbild wieder zunichte...
Fazit: Länge des Titels und der Geschichte nagen am Stimmungsbild, welches jedoch ein harter Brocken ist.
Cel (3 / 5)
Hier nun meine erste Rezension, von der Kurzgeschichte, die ich zuletzt gelesen habe. Interessanter Ansatz, was wäre, wenn Tote uns anrufen könnten? Was würden wir machen, wenn uns Verstorbene noch einmal anrufen würden? Anne nimmt die Tatsache, dass ihr Mann anruft, relativ gelassen hin - nur kurz regt sie sich über den vermeintlichen Scherz auf. Das Telefongespräch ist ziemlich gut beschrieben, emotional und kurz. Das, was danach passiert, finde ich weniger gelungen und sogar ein bisschen kitschig. Dass jemand aus dem Jenseits anruft, um prophetenhaft vor Gefahren zu warnen, war für mich zu viel des Guten. Deshalb 3 von 5 Punkten. Knackige, kurze Geschichte, die unterhält - aber mir nicht genug im Gedächtnis bleiben wird. Das hat Willa bedeutend besser geschafft.
Horaz Klotz (4 / 5)
King zeigt mal wieder welche emotionale Achterbahnfahrt auf 11 Seiten passt. Wie bei jeder guten Kurzgeschichte werden wir direkt ins Geschehen geworfen, Erklärungen gibt es keine, dafür sind wir ganz nah an unseren Protagonisten dran. Die Idee, Anrufe von Verstorbenen zu bekommen könnte dabei schnell kitschig wirken. Aber unser Autor schafft - wie auch bei der späteren Leitung ins Jenseits in Ein Gesicht in der Menge - die Balance zwischen authentischer Alltäglichkeit und dramatischem Pathos. Und ich muss zugeben - seit ich im 9/11-Museum in New York die tatsächlichen letzten Anrufe der Flugzeugpassagiere an ihre Lieben gehört habe, läuft es mir beim Lesen nochmal extra kalt den Rücken runter.
Das Gespräch selber ist dann tatsächlich relativ belanglos, aber gerade diese Schlichtheit und Alltäglichkeit macht es so düster realistisch. Wo andere Autoren auf schmalzige letzte Liebesschwüre gesetzt hätten dürfen Kings Figuren auch in so einer emotionalen Ausnahmesituation sie selbst bleiben. In so einer Lage hätte wohl niemand eine spruchreife Rede parat, stattdessen schweifen Anne und James von den großen Fragen des Lebens und Sterbens immer wieder zu Belanglosigkeiten und vergeuden die kostbaren letzten Momente Akkulaufzeit mit Nichtigkeiten während unten die Beerdigungs-Gesellschaft wartet.
Dass zwischendurch auch immer wieder kryptische Warnungen und vor zukünftigen Ereignissen eingestreut wurden fand ich ganz geschickt gemacht und nicht wirklich störend. Nach der Erkenntnis dass es im Jenseits offenbar Handynetz gibt kann mich eigentlich nichts mehr überraschen. Ob man die kleinen Geschichten rund um den toten Nachbarsjungen und die Gasexplosion in der Bäckerei wirklich noch auserzählen musste, bleibt dahin gestellt. Mich hat es als kurzen Anhang nicht gestört, auch wenn damit natürlich die kammerspielmäßige Raum-Zeit-Einheit aufgelöst wird. Auch die Andeutungen auf Reinkarnationen waren vage genug um zu funktionieren. Dafür ging mir das Bild vom Jenseits als Bahnhofshalle in der die Passagiere nacheinander durch die Türen verschwinden ein bisschen auf die Nerven. Da hätten sich - insbesondere ein Jahr nach Erscheinen des letzten Harry Potter-Bandes - wohl originellere Bilder finden lassen, wenn man das große Jenseits wirklich unbedingt mit einem so irdischen Bild verbinden möchte. Für meinen Geschmack hätte King hier deutlich vager bleiben können.
Fazit: Kurz, knackig und nett vage. So machen Jenseits-Storys Spaß.
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