Danse Macabre: Inhaltsangabe (Teil I): Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 17. April 2011, 07:17 Uhr
Inhaltsangabe zu Danse Macabre (Teil I)
(zu Teil II der Inhaltsangabe)
Stephen Kings Sachbuch Danse Macabre ist in mehrere Abschnitte und Unterkapitel unterteilt. Diese Inhaltsangabe orientiert sich an der amerikanischen Neuauflage aus dem Jahr 2010 (Gallery Books). Übersetzungen aus dem neuen Vorwort sind Laienübersetzungen; die Originalzitate finden sich in den Fußnoten.
Inhaltsverzeichnis
Vorworte
Was Angst macht: Ein Vorwort zur Ausgabe von 2010
- King gesteht in dem Essay What's Scary, dass er auch heute noch, im Alter von 63 Jahren, Horrorfilme liebt und dazu auch voll und ganz steht. Noch immer fragt er sich, warum manche dieser Horrorfilme funktionieren und manche so daneben gehen. Doch hauptsächlich will er darstellen, dass Menschen, die gerne Horror lesen und sehen, völlig normale Menschen mit einer überbordenden Phantasie sind - diese Menschen sind mutig, da sie den Alltag trotz aller schrecklichen Möglichkeiten meistern und benutzen das Horrorgenre als Ventil für ihre Ängste.
- Über dreißig Jahre sind vergangen seit der Erstauflage - Anlass genug für King, einige der gelungeneren Filme der letzten Zeit unter die Lupe zu nehmen. Ausführlich bespricht King, wie die Filme The Blair Witch Project (1999) und The Last House on the Left (2009; siehe auch hier), die er als die besten Horrorfilme der letzten 15 Jahre bezeichnet, funktionieren und die Zuschauer in ihren Bann schlagen. Seine Kernaussage ist, dass Effekte immer im Hintergrund stehen müssen und dass der wahre Schrecken nur funktioniert, wenn dieser sich echt anfühlt: [1]
Wenn ein Horrorfilm funktionieren soll, muss etwas darin sein, das über das Verspritzen von Blut hinausgeht. Sei es durch Zufall oder weil sie Genies sind, gelingt es manchen Filmemachern, dieses Etwas zu erhaschen; sie tasten sich in unser Unterbewusstsein vor und finden Dinge, die so schrecklich sind, dass wir ihnen nicht einmal einen Namen geben können und erlauben es uns, ihnen gegenüberzutreten. Aber nur indirekt; wenige von uns sind in der Lage, dem Monster geradewegs in die Augen zu blicken. | ||
- King mag die von Blair Witch inspirierten "Doku-Horrorfilme" wie Cloverfield oder auch District 9, den er als "perfekten Geniestreich" bezeichnet. Nun aber kommt King auf sein Lieblingsgenre innerhalb des Horrors zu sprechen, die Zombies. Besonders lobt er das Remake von George A. Romeros Dawn of the Dead und die Parodie Shaun of the Dead. Bei seiner Analyse von Dawn bezeichnet King dessen Anfang als "eine der besten Eröffnungssequenzen eines Horrorfilms, die je gefilmt wurden" und sieht deutliche Parallelen zwischen diesen Monstern und Amerikas Angst vor Terroristen.
- Am Ende des Vorworts listet King noch eine Reihe gelungener Filme, zu denen er allerdings nur eine kurze Erläuterung anbietet; darunter befinden sich mit Zimmer 1408 und The Mist auch zwei Verfilmungen seiner Werke. Er schließt mit den Worten:
Nicht jeder von uns hat dieselben Angst-Rezeptoren. [...] Kino-Horror ist eine mächtige Kunstform, und unter der Oberfläche verbirgt sich viel mehr, als man auf den ersten Blick sieht. Darin begründet sich ihr vielfältiges, dunkles Vergnügen. [2] | ||
Vorwort zur Originalausgabe
- Es ist Kings Verleger Bill Thompson, der King 1978 auf die Idee für dieses Buch bringt. Anfangs ist King eingeschüchtert von der schieren Forschungsarbeit, die für sein erstes Sachbuch vor ihm liegt, doch da er gerade an einer Univorlesung namens "Themes in Supernatural Literature" ("Themen in der übersinnlichen Litatur") arbeitet, nimmt er deren Erfolg bei den Studenten als Ermutigung und beginnt mit dem Schreiben. Dieses Vorwort ist auch eine Danksagung, unter anderem an Peter Straub, seinen Agenten Kirby McCauley und den Uniprofessor Burton Hatlen, von dem King erstmals etwas hörte vom Pool, zu dem alle Schriftsteller und Leser immer wieder zurückkehren (eine Idee, der King in der Welt Boo'ya Mond aus dem Roman Love Gestalt gibt).
Vorwort zur Ausgabe von 1983
- Nach der ersten Ausgabe erreichen King hunderte Fanbriefe mit Hinweisen auf Fehlern in Kings Buch. King beauftragt einen Freund und Horror-Fan namens Dennis Etchison, diese Zuschriften auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen und tatsächlich nötige Änderungen herauszufiltern. Das Ergebnis ist eine revidierte Neuauflage.
Hauptteil
I) Der 4. Oktober 1957 und eine Einladung zum Tanz
- Während einer Filmaufführung 1957 erlebt King einen Schock, der ihn - wie viele Amerikaner - prägen wird, als der Manager des Kinos den Film unterbricht, um seinem Publikum mitzuteilen, dass die Russen soeben einen Satelliten ins All geschossen haben. Der Sputnikschock, der den Amerikanern ihre Verwundbarkeit vor Augen hielt und sie aus ihrem Glauben riss, bei allem die Besten zu sein, ist für King ein exzellentes Beispiel dafür, dass schreckliche Momente ewig in Erinnerung bleiben - ebenso wie jeder, der damals ein gewisses Alter hatte, sich daran erinnern kann, wo er war, als er vom Tod John F. Kennedys hörte. [3]
- Das Horrorgenre hilft uns beim Bewältigen unserer eigenen inneren Dämonen, denn - so King - "im wirklichen Leben ist Horror eine Empfindung, mit der man ganz alleine zurechtkommen muss". Und erfundener Horror ist für dieses Katharsis noch besser geeignet, da wir erst lernen müssen, diese zu bewältigen, bevor wir uns den eigenen Ängsten stellen können. Doch macht King auch eins unmissverständlich klar: "Das soll nicht heißen, dass das Schreiben auf der Grundlage seiner Nützlichkeit gerechtfertigt werden sollte; es ist ausreichend, den Leser zu erfreuen, nicht?"
- Für King ist der Umgang mit dem Horror ein makabrer Tanz, der vor allem dann erfolgreich ist, wenn er bis zu unseren Urängsten vordringt, Türen aufstößt, die wir verschlossen halten und von deren Existenz wir vielleicht nicht einmal etwas wussten. Zu diesem Tanz will King uns mit diesem Buch einladen.
II) Geschichten vom Haken
- Die Überschrift spielt an auf eine allen amerikanischen Kindern bekannte Ur-Horrorgeschichte: Ein gefährlicher Mörder mit einer Hakenhand ist aus dem Gefängnis entflohen - zwei Teenager, die gerade im Auto rummachen, hören davon im Radio. Während das Mädchen fliehen will, ist der Junge zu aufgeheizt, um schon aufzuhören. Doch als sie etwas im Spiegel gesehen haben will, fährt er missmutig los. Als er aussteigt, bricht er bewusstlos in sich zusammen: An der Klinke der Autotür hängt der abgerissene Haken des Killers ...
- Dies ist purer, unverfälschter Horror, der funktioniert, obwohl oder gerade weil nichts Greifbares passiert. King, der sich grundsätzlich gegen Unterteilungen der Phantasie-Literatur sträubt, weil diese müsig sind und keine scharfen Grenzen zulassen, definiert in diesem Abschnitt dennoch drei Ebenen, auf denen Horror seine Wirkung entfalten kann.
- Terror: Das, was die eigene Phantasie aus dem Dargebotenen macht, ohne dass es dargestellt werden muss (die Geschichte vom Haken)
- Horror: Grauen, das man tatsächlich sieht (etwa Zombies)
- Ekel: Hier fühlen sich viele veranlasst, den Film abzubrechen oder schreiend aus dem Kino zu rennen (etwa die "Geburts"-Szene aus Alien)
- Es kann klar nachvollzogen werden, dass das Genre in den USA vor allem in Zeiten eigener Not erfolgreich war (etwa während der Zeit der Depression), in den 40er Jahren aber eine große Flaute erfuhr, was der Theorie der Katharsis entspricht.
- Im Folgenden widmet King sich ausführlich der Frage, was eigentlich Monster seien. Und er will nicht hinaus auf Werwölfe, Vampire oder Zombies; er spricht von Monstern oder Monstrositäten, die es geben kann oder tatsächlich gibt: Missgeburten, übermäßig fette Menschen, physisch Entstellte, sogar von Akne Geplagte. Der Film Freaks ist deshalb so grausam anzusehen, weil dort mit tatsächlichen "Freaks" gearbeitet wurde, etwa dem "Menschlichen Torso" Prince Randian. In Ländern, denen es grundsätzlich gut geht, wie den USA, ist die Angst, anders zu sein, ein Faktor, der immer wieder in Horrorfilmen verarbeitet wird. Wenn man keine Angst haben muss vor Kriegen vor der Haustür, vor Hungersnöten oder einer Epidemie, kann schon ein Pickel zum Grauen werden ... und Filme wie Der Tod hat schwarze Krallen (orig.: I Was a Teenage Werewolf) oder I Was a Teenage Frankenstein spielen genau mit dieser Angst, plötzlich ein Freak zu werden.
III) Geschichten vom Tarot
- Mit Tarot meint King hier drei Archetypen, drei Tarotkarten, die das Genre wie keine anderen dominieren. Diese drei Tarotkarten sind Der Andere, Der Vampir und Der Werwolf. Repräsentiert werden diese Archetypen von den drei Stützen der Horrorliteratur, die King hier jeweils ausführlich bespricht.
- Mary Shelley, Frankenstein
- Warum ist diese von einer 19-Jährigen geschriebene Geschichte, die laut King viele absurde Momente aufweist und insgesamt zu den eher selten gelesenen Horror-Erzählungen gehört, bis heute im kulturellen Gedächtnis geblieben? Jeder kennt den Namen Frankenstein, wenn auch wenige wissen, dass es der Name des Schöpfers, nicht der Kreatur ist, wenn auch wenige wissen, dass Frankenstein eine fast philosophische Abhandlung ist, in der das (vorzügliches Englisch sprechende) "Monster" um Akzeptanz in der Gesellschaft ringt. Warum ist dem so?
- King führt es zum einen auf den Erfolg der ungezählten Film-Adaptionen zurück (welche die Originalversion völlig verzerren), zum anderen aber auch auf die im Buch im Mittelpunkt stehende Furcht davor, das Monster zu sein, die in manchen Verfilmungen noch durchaus mitschwingt. Dies ist die erste Tarotkarte: Der Andere - die Angst vor ihm, aber auch die Angst, zu ihm zu werden oder er zu sein.
- Bram Stoker, Dracula
- In der Horrorliteratur lassen sich zwei grundsätzliche Themen unterscheiden: Das Grauen, das auf einen fehlgeleiteten freien Willen zurückzuführen ist (Victor Frankenstein schaufelt sich im Grunde sein eigenes Grab) und der Schrecken, der von außen kommt. Bram Stoker war einer der Ersten, die es wagten, diesen Schrecken von außen in der Figur des transsylvanischen Vampirs zu personifizieren.
- Dies birgt für die Zuschauer oder Leser einen (meist natürlich nur unterbewusst wahrgenommenen) Vorteil: Das Grauen kann mehr "genossen" werden, da niemand an dem Unheil schuld ist; nicht das Böse im Menschen wird angeprangert, sondern das Böse an sich. Zusammen mit den deutlich sexuellen Untertönen des Vampirromans macht dies einen Löwenanteil am Erfolg des Klassikers aus. Besonders jüngere, sexuell noch unerfahrene Menschen oder Menschen mit Problemen im sexuellen Bereich erleben hier, dass Sex in der Tat gefährlich sein kann und sehen sich in ihren Ängsten bestätigt. Es ist eine andere Art von Sex, denn der Vampir nimmt Körperflüssigkeit, statt sie zu geben. King scheint über das heutige Phänomen der Twilight-Saga zu schreiben, wenn er meint:
Diese infantile, zurückhaltende Haltung dem Sex gegenüber mag einer der Gründe dafür sein, weshalb der Vampir-Mythos besonders bei Heranwachsenden immer so populär gewesen ist, die noch versuchen, mit ihrer eigenen Sexualität zurechtzukommen. Der Vampir scheint eine Abkürzung durch sämtliche Stammesmoralvorstellungen bezüglich der Sexualität gefunden zu haben ..., und er lebt [noch dazu][4] ewig. | ||
- Robert L. Stevenson, Dr. Jekyll und Mr. Hyde
- Natürlich geht es in der kurzen Erzählung nicht um einen eigentlichen Werwolf - dennoch verwandelt der angesehene Arzt Dr. Jekyll sich, um den einschränkenden Gepflogenheiten der englischen Gesellschaft zu entkommen, in den unmoralischen Mr. Hyde, der seine innersten Triebe ausleben kann. Es wird hier, noch einige Zeit vor Siegmund Freud, der Kampf Über-Ich gegen Es beschrieben, der sich in sehr vielen kommenden Werken immer wieder neu entdecken wird. Als Paradebeispiel zitiert King Robert Blochs Psycho und die gelungene Adaption durch Hitchcock, denn der Motel-Besitzer Norman Bates ist ein Werwolf der Neuzeit.
- King versäumt es an dieser Stelle nicht, den Lesern ans Herz zu legen, diese drei Romane auch tatsächlich zu lesen - und nicht nur, um eine Kulturlücke zu schließen, sondern des Spaßes halber, den alle drei Bücher mit sich bringen; King ist überzeugt, dass bei aller Analyse die grundsätzliche Güte der Werke der Kern für ihr langes Leben ist. Letztlich weist er noch auf etwas hin, was alle drei Geschichten gemeinsam haben und was man nicht übersehen sollte: Sie alle behandeln den Einbruch des Horrors in das alltägliche Leben.
IV) Eine ärgerliche autobiographische Unterbrechung
- Eine der häufigsten - und aus Sicht des Autors nervigsten - Fragen, die ihm immer wieder gestellt werden, ist die, warum er gerade Horror schreibt; er verweist auf das Vorwort zu Nachtschicht, wo er dieser Frage ausführlich nachgeht. Hier gibt er als Antwort die Gegenfrage, warum man diese Frage nicht auch Schriftstellern anderer Genres stellt - Horrorautoren müssen wohl einfach anders sein. Als King einmal auf einer Versammlung die Geschichte erzählte, wie er als Vierjähriger offenbar Zeuge eines schrecklichen Unfalls wurde, als ein Junge von einem Zug überfahren wurde (er selbst kann sich daran nicht erinnern, doch erzählte seine Mutter ihm davon), war er amüsiert von der Reaktion des Publikums:
Hier war eine Schublade, in die ich abgelegt werden konnte ..., hier war bei Gott ein Motiv. Ich schrieb Brennen muss Salem, Shining und vernichtete die Welt in Das letzte Gefecht durch eine Seuche, weil ich gesehen habe, wie dieser Junge in meinen Jugendtagen, an die ich mich nicht mehr erinnern kann, von einem langsamen Güterzug überfahren wurde. Ich halte das für eine vollkommen lächerliche Vorstellung - solche aus der Hüfte geschossenen, psychologischen Urteile sind wenig mehr als bemäntelte Astrologie. | ||
- King hat einfach ein gottgegebenes Talent für das Schreiben, doch es dauerte seine Zeit, bis er "seine" Sparte fand. Er vergleicht es mit der Suche nach Wasser mit einer Wünschelrute. Dies brachte ihm sein Onkel einst bei und überzeugte den damals skeptischen Achtjährigen, bei dem die Rute über einer Wasserader ebenso heftig ausschlug wie bei seinem Onkel. So ähnlich war es, als King in der Scheune seines Onkels auf einen Karton Bücher stieß, die einst seinem seit Jahren verschwundenen Vater gehörten. Hier trifft King erstmals auf Horrorliteratur ... und besonders H.P. Lovecrafts Fantasiewelt nimmt ihn gefangen. Das, zusammen mit dem Film Der Schrecken vom Amazonas, zementiert Kings lebenslanges Interesse am Horrorgenre; er hat seine persönliche Wasserader gefunden.
- Es ist erstaunlich und scheinbar widersprüchlich, dass es Kindern oft leichter fällt, sich auf dieses Genre einzulassen. Die von dem Philosophen Coleridge eingeführte Idee der "Willentlichen Aussetzung der Ungläubigkeit" (orig.: willing suspension of disbelief) ist dem Kind oft ein Leichtes - und King bedauert jeden, dem dies niemals gelingt und der aus diesem Grund nichts liest oder anschaut, was in Wirklichkeit nicht passieren kann. Noch heute gelingt es King, auch bei alten Filmen mit offensichtlich überholten Effekten (wie dem Schrecken vom Amazonas, wo ein Stuntman in einem Gummikostüm steckt), die Ungläubigkeit abzulegen - und nur so kann man dem Genre würdig begegnen.
V) Radio und die Kulisse der Wirklichkeit
- In den 50er Jahren erlebte ein sehr junger Stephen King das Ende der Radio-Ära mit und verbindet damit, vor allem mit den Shows Suspense und Lights Out noch einige nostalgische Erinnerungen. Besonders auf ein Element konnte das Radio bauen: Die Phantasie des Zuhörers war voll und ganz beansprucht - und bei Horror-Szenarien war das, was sich im Kopf des Publikums abspielte, erschreckender als alles, was man hätte zeigen können.
- Nach diesem Prinzip funktionieren auch sehr viele Filme und Romane; sobald man etwas tatsächlich sieht bzw. beschrieben bekommt, verliert sich der Schrecken zumeist. Dennoch gehört King zu der Sorte Schriftsteller, die unheimlich quietschende Türen aufstoßen und zeigen, was dahinter ist - denn hin und wieder führt gerade das zum echten Grauen. Trotzdem darf das Grundprinzip des Radios nicht vergessen werden, da der Film genau darunter leidet, dass er Dinge zeigen muss:
Ein künstlerisches Werk des Horrors ist fast immer eine Enttäuschung. Es handelt sich um eine klassische Situation, in der man nicht gewinnen kann. Man macht den Leuten lange, lange Zeit mit dem Unbekannten Angst [...], aber früher oder später muss man, wie beim Pokern, die Karten aufdecken. Man muss die Tür aufmachen und dem Publikum zeigen, was dahinter ist. [...] Radio vermied die »Tür aufmachen/Tür zulassen«-Frage, glaube ich, weil das Radio auf die Bank der Phantasie einzahlte. | ||
- Zwei der für das Radio geltenden Konventionen waren so sehr in den Köpfen der Künstler verankert, dass sie sogar Einzug erhielten in die ersten Filme und Serien. Diese Konventionen waren: Ein Erzähler musste durch die Handlung führen und Beschreibungen wurden in Dialoge eingearbeitet ... was in Filmen nur sehr selten funktioniert. Damit widmet sich King nach diesem kurzen Abstecher nun dem Film.
VI) Der moderne amerikanische Horror-Film - Text und Subtext
- Hat das Horrorgenre einen künstlerischen Wert? King ist davon überzeugt, zumindest wenn es dem Genre gelingt, Fantasie-Ängste mit unseren realen Ängsten zu koppeln. Dies gelingt durchaus nicht jedem Buch oder Film; vor allem viele Filme werden des Profits wegen produziert, und wenn sich aus ihnen ein künstlerischer Anspruch entwickelt, dann ist dies eher Zufall. Doch wann immer neben dem offensichtlich zu sehenden Horror (hier: Text) ein unterschwelliges Grauen (hier: Subtext) zu erkennen ist, darf dem Werk künstlerischer Wert zugeschrieben werden.
- So ist es laut King keineswegs Zufall, dass manche Filme aufgrund dieses Subtextes in verschiedenen Ländern mit verschiedenen aktuellen sozio-politischen Problemen völlig unterschiedlich ankommen:
Das erklärt meiner Meinung nach auch, weshalb Der Exorzist (ein sozialer Horror- Film, wenn es je einen gegeben hat) in Westdeutschland nur mittelmäßige Einspielergebnisse erhielt, weil dieses Land damals ein vollkommen anderes Arsenal sozialer Ängste hatte (sie machten sich wesentlich mehr Sorgen über bombenwerfende Radikale als über junge Leute mit Gossensprache), und weshalb Dawn of the Dead dort wie eine Rakete abging. | ||
- Von Subtext ist aber auch dann zu sprechen, wenn Filmemacher bewusst eine Tabugrenze überschreiten; vor allen Dingen die Angst vor einem schrecklichen Tod wird immer wieder angesprochen. King verweist darauf, wie wenig der Durchschnittsbürger etwa über das Schicksal von Leichen weiß, wenn sie erst einmal dem Bestattungsunternehmer zugeführt werden. Als er für Friedhof der Kuscheltiere recherchierte, handelte er sich mehrfach unverständliche Blicke ein - was nach dem Tod mit einem Leichnam passierte, hat einen nicht zu interessieren. Dieses Tabu nutzten Regiegrößen wie George Romero oder auch Alfred Hitchcock für sich: Die Zombies in Nacht der Lebenden Toten, die unvergessliche Enthüllung von Norman Bates' ausgestopfter Mutter in Psycho oder die eingemauerte Tote in Das Pendel des Todes sind Aufnahmen, die sich dem Zuschauer für immer ins Gedächtnis gebrannt haben.
- King erklärt, dass er im Grunde nicht allzu viel davon hält, Filme oder Bücher einer ausgiebigen Analyse zu unterwerfen, dennoch möchte er verschiedene Kategorien diskutieren, in die sich Filme entsprechend ihrem Subtext einordnen lassen.
- wirtschaftlicher Subtext: Als Paradebeispiel zitiert King den Film Amityville Horror, in dem es vordergründig um ein Geisterhaus geht, das in seinem Subtext jedoch die Angst vor Ruin und Bankrott heraufbeschwört. Der Zerfall des Hauses spiegelt den finanziellen Untergang der darin wohnenden Familie wider, was an einigen Stellen des Films auch konkret dargestellt wird - für das damalige Publikum eine grauenvolle Vorstellung, mit der sie sympathisieren konnten.
- politische Polemik: Dies ist ein sehr weites Feld, in das auch die Angst vor auf die Spitze getriebenem Forschungsdrang gehört. Werke wie Tarantula (über eine monströs anwachsende Spinne) oder Die unglaubliche Geschichte des Mr. C (über einen nach einem Kontakt mit einem verseuchten Nebel immer mehr schrumpfenden Mann), ganz abgesehen von anderen Riesentier-Abhandlungen wie etwa Formicula oder die japanische Godzilla-Serie, münzen die Angst vor nuklearer Verseuchung in Horrorfilme um; die Angst vor außer Kontrolle geratenen Maschinen wird etwa deutlich in Werken Kubriks (zum Beispiel in HAL, dem Amok laufenden Bordcomputer von 2001 - Odyssee im Weltraum) oder dem Frühwerk Steven Spielbergs, Duell, wo ein Truck zur tödlichen Waffe wird.
- Ausgiebig beleuchtet King den Film Das Ding aus einer anderen Welt (das Original von 1951), in dem am Nordpol ein UFO entdeckt wird und das darin lebende Wesen geborgen wird. Als es zu sich kommt, beginnt es zu morden. Deutlich politisch wird der Film, wenn die Wissenschaftler mit all ihren diplomatischen Verhandlungsversuchen scheitern und das Militär einschreitet, um das Ungeheuer letztlich zu vernichten; nach der gescheiterten "Appeasement-Politik" im Kampf gegen Hitler konnte das Publikum diese Lösung nur bejubeln.
- Gerade in Fällen politischen Subtexts sind solche Filme einem späteren Publikum weniger zugänglich:
Es mag sein, dass nichts auf der Welt schwerer zu verstehen ist als ein Schrecken, dessen Zeit gekommen und vorübergegangen ist. [...] Das könnte der Grund sein, weshalb der Alptraum einer Generation zur Soziologie der nächsten Generation wird, und selbst die, die durch das Feuer gegangen sind, haben Schwierigkeiten, sich daran zu erinnern, wie sich die glühenden Kohlen anfühlten. Ich erinnere mich zum Beispiel, dass 1968, als ich einundzwanzig Jahre alt war, das Thema lange Haare ein besonders übles war. Das mag heute so schwer zu verstehen sein wie die Vorstellung, dass sich einst Menschen wegen des Problems umbrachten, ob die Erde um die Sonne oder die Sonne um die Erde kreist, aber auch das ist geschehen. |
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- soziale Horrorfilme: Hier kommt King auf drei prägende Filme zu sprechen, die ihren Horror aus den sozialen Umständen der Zeit ziehen. Die Frauen von Stepford überspitzt den Wunsch des Mannes, eine Frau zu haben, die sich um ihn sorgt, für den Sex bereitsteht, aber ansonsten unauffällig ist - in Stepford nämlich werden die Frauen nach und nach durch Roboter ersetzt.
- Der Exorzist schlug Kings Meinung nach vor allem deswegen so ein, weil er den Generationenkonflikt auf den Punkt brachte: Die Erwachsenen (repräsentiert von Regans verzweifelter Mutter) sahen ihre Gras rauchenden und Rock 'n' Roll hörenden Kinder wie von Dämonen besessen; die Jugend erlebte ein Kind, das es wagte, (wie etwa in der berühmten Kruzifix-Szene) Erwachsenen grausamste Obszönitäten ins Gesicht zu schleudern.
- Brian de Palmas Carrie (basierend natürlich auf Kings gleichnamigem Roman) zeigt den unterschwelligen Hass der jungen Generation deutlicher als das Buch; Carries Rache ist zudem der Traum aller Gehänselten - Subtexte, die de Palma King zufolge im Film besser gelingen als ihm selbst im Roman.
- Im Folgenden präsentiert King seinen Lesern ein kleines Quiz: Er stellt 20 Filme vor, indem er eine Kurzzusammenfassung in Märchenform gibt; als Beispiel hier seine Vorstellung von Alien:
Es waren einmal ein paar tapfere Forscher, die auf einem anderen Planeten landeten, um nachzusehen, ob jemand Hilfe brauchte. Niemand brauchte Hilfe, aber als sie wieder aufbrachen, stellten sie fest, dass sie sich den schwarzen Mann an Bord geholt hatten. | ||
- Mindestens 14 davon, so King, sollte der wahre Horrorfan erkennen und benennen können. Interessierte können die Liste hier einsehen:
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2. Halloween
3. Psycho
4. Coma (dt: Koma)
5. Looking for Mr. Goodbar (dt: Auf der Suche nach Mr. Goodbar)
6. Alien
7. The Haunting (dt: Bis das Blut gefriert)
8. Midnight Express
9. The Bad Seed (dt: Die böse Saat)
10. The Night of the Hunter (dt: Die Nacht des Jägers)
11. Night Watch (dt: Die Nacht der tausend Augen)
12. Night of the Living Dead (dt: Die Nacht der lebenden Toten)
13. The Birds (dt: Die Vögel)
14. Dementia-13
15. What Ever Happened to Baby Jane? (dt: Was geschah wirklich mit Baby Jane?)
16. Bury the Living
17. Macabre
18. X- The Man with the X-Ray Eyes (dt: Der Mann mit den Röntgenaugen)
19. The Omen (dt: Das Omen)
20. Deliverance (dt: Beim Sterben ist jeder der erste)
- King stellt fest, dass die meisten Filme dieser Liste fast gänzlich ohne übersinnliche Elemente auskommen; ein Zeichen dafür, dass echtes Grauen einen Fuß in der Realität haben muss. Zudem zeigt sich, dass eine der zentralen Ängste des Menschen, die Angst vor der Dunkelheit, in jedem dieser Filme genutzt wird und oft sogar im Titel auftaucht (Nacht, dunkel, Midnight). Besonders effektiv spielt damit Warte, bis es dunkel ist, in der sich eine blinde Frau (dargestellt von Audrey Hepburn) in ihrem Apartment gegen einen Mörder zur Wehr setzen muss. Um eine gewisse Chancengleichheit herzustellen, zerstört sie sämtliche Lampen in der Wohnung, sodass fortan nur Schwärze zu sehen ist (viele Kinos reagierten darauf, indem sie ihre Beleuchtung ebenfalls komplett abschalteten) - bis sich nach einem Rempler aus Versehen die Kühlschranktür öffnet und Audrey nicht daran denkt, dass da drin auch ein Lichtchen brennt ...
- Neben der Urangst vor der Dunkelheit bauen die Filmemacher noch auf zwei bereits weiter vorne erwähnte Effekte: den Ekel und die Todesangst. Ekelmomente können selbst in den schlechtesten Filmen funktionieren, selbst wenn der Zuschauer mit dem Betroffenen keinerlei Mitleid hat. Das ist "dieser Augenblick der frisson, der Augenblick, wenn es den tastenden Fingern des Filmemachers gelingt, eine Lücke in unserer Verteidigung zu finden, hindurchzuschießen und auf einen der psychischen Druckpunkte zu drücken." Hier werden fast ausnahmslos die Kritiker anfangen, sich zu beschweren, doch King sieht solche Momente als elementar für den Horrorfilm.
- Ohne die Angst vor dem Tod würde wohl kein Horrorstreifen funktionieren. Das ist wohl selbstverständlich:
Menschen sterben beim Geschlechtsverkehr, in einem Fahrstuhl, während sie Münzen in eine Parkuhr stecken. Einige sterben mitten beim Niesen. Einige sterben in Restaurants, andere in billigen Stundenhotels, einige wenige, während sie auf dem Klo sitzen. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass wir im Bett oder in Kampfstiefeln sterben. Daher wäre es wahrhaftig bemerkenswert, wenn wir den Tod nicht ein wenig fürchten würden. Er ist halt einfach da, nicht wahr, der große, unteilbare Faktor X in unserem Leben, der gesichtslose Vater hunderter Religionen, und er ist so saumlos und ungreifbar, dass normalerweise nicht einmal bei Partys über ihn gesprochen wird. | ||
- Kings erste echte Begegnung mit dem Tod war die mit einer toten Katze am Straßenrand, deren Zerfall er mit kindlicher Distanziertheit zusammen mit ein paar Freunden über Wochen hinweg begutachtete und besprach. Der Horrorfilm macht uns alle wieder zu Kindern; wir können uns mit seiner Hilfe mit dem Tabuthema Tod auseinandersetzen, ohne dass von uns als Zuschauern tiefgehende Diskussionen des Themas erwartet werden. Wir beweisen, dass wir uns dem Tod - und sei er auch fiktiv - stellen können ... und lachen ihm ins Gesicht, weil wir dem so dargebotenen Horror sogar Spaß abgewinnen.
- ↑ Originalzitat: "If a horror movie is going to work, there has to be something in it beyond splatter. Either by pure chance or by pure genius, some filmmakers are able to reach that something; they grope into our subconscious minds, find the things so terrible we can't even articulate them and allow us to confront them. Not directly though; few of us are able to look straight into the eyes of the gorgon." (Seite xiii)
- ↑ Originalzitat: "None of us have quite the same fear receptors. (...) Cinematic horror is a potent art form, and there's a lot more going on under the surface than immediately meets the eye. Therein lies [sic!] its many dark pleasures." (Seite xxxi)
- ↑ In seinem Buch Wer fürchtet sich vor Stephen King ist Autor Uwe Anton der Ansicht, diese Episode sei fiktiv, da King anderswo behauptete, beim Friseur vom Sputnikschock erfahren zu haben. Anton meint augenzwinkernd: "Aber ein Kinobesuch liest sich - gerade bei diesem Autor - natürlich viel schöner" (Seite 20).
- ↑ Hier liegt im Deutschen eine Fehlübersetzung von "to boot" mit "um davon zu profitieren" vor, die hier korrigiert wurde.