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:Es ist erstaunlich und scheinbar widersprüchlich, dass es Kindern oft leichter fällt, sich auf dieses Genre einzulassen. Die von dem Philosophen Coleridge eingeführte Idee der [http://de.wikipedia.org/wiki/Willentliche_Aussetzung_der_Ungl%C3%A4ubigkeit "Willentlichen Aussetzung der Ungläubigkeit"] (orig.: ''willing suspension of disbelief'') ist dem Kind oft ein Leichtes - und King bedauert jeden, dem dies niemals gelingt und der aus diesem Grund nichts liest oder anschaut, was in Wirklichkeit nicht passieren kann. Noch heute gelingt es King, auch bei alten Filmen mit offensichtlich überholten Effekten (wie dem Schrecken vom Amazonas, wo ein Stuntman in einem Gummikostüm steckt), die Ungläubigkeit abzulegen - und nur so kann man dem Genre würdig begegnen. | :Es ist erstaunlich und scheinbar widersprüchlich, dass es Kindern oft leichter fällt, sich auf dieses Genre einzulassen. Die von dem Philosophen Coleridge eingeführte Idee der [http://de.wikipedia.org/wiki/Willentliche_Aussetzung_der_Ungl%C3%A4ubigkeit "Willentlichen Aussetzung der Ungläubigkeit"] (orig.: ''willing suspension of disbelief'') ist dem Kind oft ein Leichtes - und King bedauert jeden, dem dies niemals gelingt und der aus diesem Grund nichts liest oder anschaut, was in Wirklichkeit nicht passieren kann. Noch heute gelingt es King, auch bei alten Filmen mit offensichtlich überholten Effekten (wie dem Schrecken vom Amazonas, wo ein Stuntman in einem Gummikostüm steckt), die Ungläubigkeit abzulegen - und nur so kann man dem Genre würdig begegnen. | ||
− | ===Radio und die Kulisse der Wirklichkeit=== | + | ===IV) Radio und die Kulisse der Wirklichkeit=== |
+ | :In den 50er Jahren erlebte ein sehr junger Stephen King das Ende der Radio-Ära mit und verbindet damit, vor allem mit den Shows ''Suspense'' und ''Lights Out'' noch einige nostalgische Erinnerungen. Besonders auf ein Element konnte das Radio bauen: Die Phantasie des Zuhörers war voll und ganz beansprucht - und bei Horror-Szenarien war das, was sich im Kopf des Publikums abspielte, erschreckender als alles, was man hätte ''zeigen'' können. | ||
+ | :Nach diesem Prinzip funktionieren auch sehr viele Filme und Romane; sobald man etwas tatsächlich ''sieht'' bzw. beschrieben bekommt, verliert sich der Schrecken zumeist. Dennoch gehört King zu der Sorte Schriftsteller, die unheimlich quietschende Türen aufstoßen und zeigen, was dahinter ist - denn hin und wieder führt gerade das zum echten Grauen. Trotzdem darf das Grundprinzip des Radios nicht vergessen werden, da der Film genau darunter leidet, dass er Dinge zeigen muss: | ||
+ | {{cquote|Ein künstlerisches Werk des Horrors ist fast immer eine Enttäuschung. Es handelt sich um eine klassische Situation, in der man nicht gewinnen kann. Man macht den Leuten lange, lange Zeit mit dem Unbekannten Angst [...], aber früher oder später muss man, wie beim Pokern, die Karten aufdecken. Man muss die Tür aufmachen und dem Publikum zeigen, was dahinter ist. [...] Radio vermied die »Tür aufmachen/Tür zulassen«-Frage, glaube ich, weil das Radio auf die Bank der Phantasie einzahlte.}} | ||
+ | :Zwei der für das Radio geltenden Konventionen waren so sehr in den Köpfen der Künstler verankert, dass sie sogar Einzug erhielten in die ersten Filme und Serien. Diese Konventionen waren: Ein Erzähler musste durch die Handlung führen und Beschreibungen wurden in Dialoge eingearbeitet ... was in Filmen nur sehr selten funktioniert. Damit widmet sich King nach diesem kurzen Abstecher nun dem Film. | ||
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===Der moderne amerikanische Horror-Film -Text und Subtext=== | ===Der moderne amerikanische Horror-Film -Text und Subtext=== | ||
===Der Horror-Film als Billigfraß=== | ===Der Horror-Film als Billigfraß=== |
Version vom 17. Februar 2010, 16:10 Uhr
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Hier wird derzeit die Inhaltsangabe von Danse Macabre erstellt. |
Inhaltsangabe zu Danse Macabre
Stephen Kings Sachbuch Danse Macabre ist in mehrere Abschnitte und Unterkapitel unterteilt. Diese Inhaltsangabe orientiert sich an der amerikanischen Neuauflage aus dem Jahr 2010 (Gallery Books). Übersetzungen sind Laienübersetzungen; die Originalzitate finden sich in den Fußnoten.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Vorworte
- 2 Hauptteil
- 2.1 I) Der 4. Oktober 1957 und eine Einladung zum Tanz
- 2.2 II) Geschichten vom Haken
- 2.3 III) Geschichten vom Tarot
- 2.4 IV) Eine ärgerliche autobiographische Unterbrechung
- 2.5 IV) Radio und die Kulisse der Wirklichkeit
- 2.6 Der moderne amerikanische Horror-Film -Text und Subtext
- 2.7 Der Horror-Film als Billigfraß
- 2.8 Die Mattscheibe, oder: Dieses Monster brachte Ihnen Gainesburgers
- 2.9 Horror-Literatur
- 2.10 Der letzte Walzer - Horror und Moral, Horror und Magie
- 3 Nachwort
- 4 Anhang
- 5 Fußnoten
Vorworte
Was Angst macht: Ein Vorwort zur Ausgabe von 2010
- King gesteht in dem Essay What's Scary, dass er auch heute noch, im Alter von 63 Jahren, Horrorfilme liebt und dazu auch voll und ganz steht. Noch immer fragt er sich, warum manche dieser Horrorfilme funktionieren und manche so daneben gehen. Doch hauptsächlich will er darstellen, dass Menschen, die gerne Horror lesen und sehen, völlig normale Menschen mit einer überbordenden Phantasie sind - diese Menschen sind mutig, da sie den Alltag trotz aller schrecklichen Möglichkeiten meistern und benutzen das Horrorgenre als Ventil für ihre Ängste.
- Über dreißig Jahre sind vergangen seit der Erstauflage - Anlass genug für King, einige der gelungeneren Filme der letzten Zeit unter die Lupe zu nehmen. Ausführlich bespricht King, wie die Filme The Blair Witch Project (1999) und The Last House on the Left (2009; siehe auch hier), die er als die besten Horrorfilme der letzten 15 Jahre bezeichnet, funktionieren und die Zuschauer in ihren Bann schlagen. Seine Kernaussage ist, dass Effekte immer im Hintergrund stehen müssen und dass der wahre Schrecken nur funktioniert, wenn dieser sich echt anfühlt: [1]
Wenn ein Horrorfilm funktionieren soll, muss etwas darin sein, das über das Verspritzen von Blut hinausgeht. Sei es durch Zufall oder weil sie Genies sind, gelingt es manchen Filmemachern, dieses Etwas zu erhaschen; sie tasten sich in unser Unterbewusstsein vor und finden Dinge, die so schrecklich sind, dass wir ihnen nicht einmal einen Namen geben können und erlauben es uns, ihnen gegenüberzutreten. Aber nur indirekt; wenige von uns sind in der Lage, dem Monster geradewegs in die Augen zu blicken. | ||
- King mag die von Blair Witch inspirierten "Doku-Horrorfilme" wie Cloverfield oder auch District 9, den er als "perfekten Geniestreich" bezeichnet. Nun aber kommt King auf sein Lieblingsgenre innerhalb des Horrors zu sprechen, die Zombies. Besonders lobt er das Remake von George A. Romeros Dawn of the Dead und die Parodie Shaun of the Dead. Bei seiner Analyse von Dawn bezeichnet King dessen Anfang als "eine der besten Eröffnungssequenzen eines Horrorfilms, die je gefilmt wurden" und sieht deutliche Parallelen zwischen diesen Monstern und Amerikas Angst vor Terroristen.
- Am Ende des Vorworts listet King noch eine Reihe gelungener Filme, zu denen er allerdings nur eine kurze Erläuterung anbietet; darunter befinden sich mit Zimmer 1408 und The Mist auch zwei Verfilmungen seiner Werke. Er schließt mit den Worten:
Nicht jeder von uns hat dieselben Angst-Rezeptoren. (...) Kino-Horror ist eine mächtige Kunstform, und unter der Oberfläche verbirgt sich viel mehr, als man auf den ersten Blick sieht. Darin begründet sich ihr vielfältiges, dunkles Vergnügen. [2] | ||
Vorwort zur Originalausgabe
- Es ist Kings Verleger Bill Thompson, der King 1978 auf die Idee für dieses Buch bringt. Anfangs ist King eingeschüchtert von der schieren Forschungsarbeit, die für sein erstes Sachbuch vor ihm liegt, doch da er gerade an einer Univorlesung namens "Themes in Supernatural Literature" ("Themen in der übersinnlichen Litatur") arbeitet, nimmt er deren Erfolg bei den Studenten als Ermutigung und beginnt mit dem Schreiben. Dieses Vorwort ist auch eine Danksagung, unter anderem an Peter Straub, seinen Agenten Kirby McCauley und den Uniprofessor Burton Hatlen, von dem King erstmals etwas hörte vom Pool, zu dem alle Schriftsteller und Leser immer wieder zurückkehren (eine Idee, der King in der Welt Boo'ya Mond aus dem Roman Love Gestalt gibt).
Vorwort zur Ausgabe von 1983
- Nach der ersten Ausgabe erreichen King hunderte Fanbriefe mit Hinweisen auf Fehlern in Kings Buch. King beauftragt einen Freund und Horror-Fan namens Dennis Etchison, diese Zuschriften auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen und tatsächlich nötige Änderungen herauszufiltern. Das Ergebnis ist eine revidierte Neuauflage.
Hauptteil
I) Der 4. Oktober 1957 und eine Einladung zum Tanz
- Während einer Filmaufführung 1957 erlebt King einen Schock, der ihn - wie viele Amerikaner - prägen wird, als der Manager des Kinos den Film unterbricht, um seinem Publikum mitzuteilen, dass die Russen soeben einen Satelliten ins All geschossen haben. Der Sputnikschock, der den Amerikanern ihre Verwundbarkeit vor Augen hielt und sie aus ihrem Glauben riss, bei allem die Besten zu sein, ist für King ein exzellentes Beispiel dafür, dass schreckliche Momente ewig in Erinnerung bleiben - ebenso wie jeder, der damals ein gewisses Alter hatte, sich daran erinnern kann, wo er war, als er vom Tod John F. Kennedys hörte.
- Das Horrorgenre hilft uns beim Bewältigen unserer eigenen inneren Dämonen, denn - so King - "im wirklichen Leben ist Horror eine Empfindung, mit der man ganz alleine zurechtkommen muss". Und erfundener Horror ist für dieses Katharsis noch besser geeignet, da wir erst lernen müssen, diese zu bewältigen, bevor wir uns den eigenen Ängsten stellen können. Doch macht King auch eins unmissverständlich klar: "Das soll nicht heißen, dass das Schreiben auf der Grundlage seiner Nützlichkeit gerechtfertigt werden sollte; es ist ausreichend, den Leser zu erfreuen, nicht?"
- Für King ist der Umgang mit dem Horror ein makabrer Tanz, der vor allem dann erfolgreich ist, wenn er bis zu unseren Urängsten vordringt, Türen aufstößt, die wir verschlossen halten und von deren Existenz wir vielleicht nicht einmal etwas wussten. Zu diesem Tanz will King uns mit diesem Buch einladen.
II) Geschichten vom Haken
- Die Überschrift spielt an auf eine allen amerikanischen Kindern bekannte Ur-Horrorgeschichte: Ein gefährlicher Mörder mit einer Hakenhand ist aus dem Gefängnis entflohen - zwei Teenager, die gerade im Auto rummachen, hören davon im Radio. Während das Mädchen fliehen will, ist der Junge zu aufgeheizt, um schon aufzuhören. Doch als sie etwas im Spiegel gesehen haben will, fährt er missmutig los. Als er aussteigt, bricht er bewusstlos in sich zusammen: An der Klinke der Autotür hängt der abgerissene Haken des Killers ...
- Dies ist purer, unverfälschter Horror, der funktioniert, obwohl oder gerade weil nichts Greifbares passiert. King, der sich grundsätzlich gegen Unterteilungen der Phantasie-Literatur sträubt, weil diese müsig sind und keine scharfen Grenzen zulassen, definiert in diesem Abschnitt dennoch drei Ebenen, auf denen Horror seine Wirkung entfalten kann.
- Terror: Das, was die eigene Phantasie aus dem Dargebotenen macht, ohne dass es dargestellt werden muss (die Geschichte vom Haken)
- Horror: Grauen, das man tatsächlich sieht (etwa Zombies)
- Ekel: Hier fühlen sich viele veranlasst, den Film abzubrechen oder schreiend aus dem Kino zu rennen (etwa die "Geburts"-Szene aus Alien)
- Es kann klar nachvollzogen werden, dass das Genre in den USA vor allem in Zeiten eigener Not erfolgreich war (etwa während der Zeit der Depression), in den 40er Jahren aber eine große Flaute erfuhr, was der Theorie der Katharsis entspricht.
- Im Folgenden widmet King sich ausführlich der Frage, was eigentlich Monster seien. Und er will nicht hinaus auf Werwölfe, Vampire oder Zombies; er spricht von Monstern oder Monstrositäten, die es geben kann oder tatsächlich gibt: Missgeburten, übermäßig fette Menschen, physisch Entstellte, sogar von Akne Geplagte. Der Film Freaks ist deshalb so grausam anzusehen, weil dort mit tatsächlichen "Freaks" gearbeitet wurde, etwa dem "Menschlichen Torso" Prince Randian. In Ländern, denen es grundsätzlich gut geht, wie den USA, ist die Angst, anders zu sein, ein Faktor, der immer wieder in Horrorfilmen verarbeitet wird. Wenn man keine Angst haben muss vor Kriegen vor der Haustür, vor Hungersnöten oder einer Epidemie, kann schon ein Pickel zum Grauen werden ... und Filme wie Der Tod hat schwarze Krallen (orig.: I Was a Teenage Werewolf) oder I Was a Teenage Frankenstein spielen genau mit dieser Angst, plötzlich ein Freak zu werden.
III) Geschichten vom Tarot
- Mit Tarot meint King hier drei Archetypen, drei Tarotkarten, die das Genre wie keine anderen dominieren. Diese drei Tarotkarten sind Der Andere, Der Vampir und Der Werwolf. Repräsentiert werden diese Archetypen von den drei Stützen der Horrorliteratur, die King hier jeweils ausführlich bespricht.
- Mary Shelley, Frankenstein
- Warum ist diese von einer 19-Jährigen geschriebene Geschichte, die laut King viele absurde Momente aufweist und insgesamt zu den eher selten gelesenen Horror-Erzählungen gehört, bis heute im kulturellen Gedächtnis geblieben? Jeder kennt den Namen Frankenstein, wenn auch wenige wissen, dass es der Name des Schöpfers, nicht der Kreatur ist, wenn auch wenige wissen, dass Frankenstein eine fast philosophische Abhandlung ist, in der das (vorzügliches Englisch sprechende) "Monster" um Akzeptanz in der Gesellschaft ringt. Warum ist dem so?
- King führt es zum einen auf den Erfolg der ungezählten Film-Adaptionen zurück (welche die Originalversion völlig verzerren), zum anderen aber auch auf die im Buch im Mittelpunkt stehende Furcht davor, das Monster zu sein, die in manchen Verfilmungen noch durchaus mitschwingt. Dies ist die erste Tarotkarte: Der Andere - die Angst vor ihm, aber auch die Angst, zu ihm zu werden oder er zu sein.
- Bram Stoker, Dracula
- In der Horrorliteratur lassen sich zwei grundsätzliche Themen unterscheiden: Das Grauen, das auf einen fehlgeleiteten freien Willen zurückzuführen ist (Victor Frankenstein schaufelt sich im Grunde sein eigenes Grab) und der Schrecken, der von außen kommt. Bram Stoker war einer der Ersten, die es wagten, diesen Schrecken von außen in der Figur des transsylvanischen Vampirs zu personifizieren.
- Dies birgt für die Zuschauer oder Leser einen (meist natürlich nur unterbewusst wahrgenommenen) Vorteil: Das Grauen kann mehr "genossen" werden, da niemand an dem Unheil schuld ist; nicht das Böse im Menschen wird angeprangert, sondern das Böse an sich. Zusammen mit den deutlich sexuellen Untertönen des Vampirromans macht dies einen Löwenanteil am Erfolg des Klassikers aus. Besonders jüngere, sexuell noch unerfahrene Menschen oder Menschen mit Problemen im sexuellen Bereich erleben hier, dass Sex in der Tat gefährlich sein kann und sehen sich in ihren Ängsten bestätigt. Es ist eine andere Art von Sex, denn der Vampir nimmt Körperflüssigkeit, statt sie zu geben. King scheint über das heutige Phänomen der Twilight-Saga zu schreiben, wenn er meint:
Diese infantile, zurückhaltende Haltung dem Sex gegenüber mag einer der Gründe dafür sein, weshalb der Vampir-Mythos besonders bei Heranwachsenden immer so populär gewesen ist, die noch versuchen, mit ihrer eigenen Sexualität zurechtzukommen. Der Vampir scheint eine Abkürzung durch sämtliche Stammesmoralvorstellungen bezüglich der Sexualität gefunden zu haben ..., und er lebt [noch dazu][3] ewig. | ||
- Robert L. Stevenson, Dr. Jekyll und Mr. Hyde
- Natürlich geht es in der kurzen Erzählung nicht um einen eigentlichen Werwolf - dennoch verwandelt der angesehene Arzt Dr. Jekyll sich, um den einschränkenden Gepflogenheiten der englischen Gesellschaft zu entkommen, in den unmoralischen Mr. Hyde, der seine innersten Triebe ausleben kann. Es wird hier, noch einige Zeit vor Siegmund Freud, der Kampf Über-Ich gegen Es beschrieben, der sich in sehr vielen kommenden Werken immer wieder neu entdecken wird. Als Paradebeispiel zitiert King Robert Blochs Psycho und die gelungene Adaption durch Hitchcock, denn der Motel-Besitzer Norman Bates ist ein Werwolf der Neuzeit.
- King versäumt es an dieser Stelle nicht, den Lesern ans Herz zu legen, diese drei Romane auch tatsächlich zu lesen - und nicht nur, um eine Kulturlücke zu schließen, sondern des Spaßes halber, den alle drei Bücher mit sich bringen; King ist überzeugt, dass bei aller Analyse die grundsätzliche Güte der Werke der Kern für ihr langes Leben ist. Letztlich weist er noch auf etwas hin, was alle drei Geschichten gemeinsam haben und was man nicht übersehen sollte: Sie alle behandeln den Einbruch des Horrors in das alltägliche Leben.
IV) Eine ärgerliche autobiographische Unterbrechung
- Eine der häufigsten - und aus Sicht des Autors nervigsten - Fragen, die ihm immer wieder gestellt werden, ist die, warum er gerade Horror schreibt; er verweist auf das Vorwort zu Nachtschicht, wo er dieser Frage ausführlich nachgeht. Hier gibt er als Antwort die Gegenfrage, warum man diese Frage nicht auch Schriftstellern anderer Genres stellt - Horrorautoren müssen wohl einfach anders sein. Als King einmal auf einer Versammlung die Geschichte erzählte, wie er als Vierjähriger offenbar Zeuge eines schrecklichen Unfalls wurde, als ein Junge von einem Zug überfahren wurde (er selbst kann sich daran nicht erinnern, doch erzählte seine Mutter ihm davon), war er amüsiert von der Reaktion des Publikums:
Hier war eine Schublade, in die ich abgelegt werden konnte ..., hier war bei Gott ein Motiv. Ich schrieb Brennen muss Salem, Shining und vernichtete die Welt in Das letzte Gefecht durch eine Seuche, weil ich gesehen habe, wie dieser Junge in meinen Jugendtagen, an die ich mich nicht mehr erinnern kann, von einem langsamen Güterzug überfahren wurde. Ich halte das für eine vollkommen lächerliche Vorstellung - solche aus der Hüfte geschossenen, psychologischen Urteile sind wenig mehr als bemäntelte Astrologie. | ||
- King hat einfach ein gottgegebenes Talent für das Schreiben, doch es dauerte seine Zeit, bis er "seine" Sparte fand. Er vergleicht es mit der Suche nach Wasser mit einer Wünschelrute. Dies brachte ihm sein Onkel einst bei und überzeugte den damals skeptischen Achtjährigen, bei dem die Rute über einer Wasserader ebenso heftig ausschlug wie bei seinem Onkel. So ähnlich war es, als King in der Scheune seines Onkels auf einen Karton Bücher stieß, die einst seinem seit Jahren verschwundenen Vater gehörten. Hier trifft King erstmals auf Horrorliteratur ... und besonders H.P. Lovecrafts Fantasiewelt nimmt ihn gefangen. Das, zusammen mit dem Film Der Schrecken vom Amazonas, zementiert Kings lebenslanges Interesse am Horrorgenre; er hat seine persönliche Wasserader gefunden.
- Es ist erstaunlich und scheinbar widersprüchlich, dass es Kindern oft leichter fällt, sich auf dieses Genre einzulassen. Die von dem Philosophen Coleridge eingeführte Idee der "Willentlichen Aussetzung der Ungläubigkeit" (orig.: willing suspension of disbelief) ist dem Kind oft ein Leichtes - und King bedauert jeden, dem dies niemals gelingt und der aus diesem Grund nichts liest oder anschaut, was in Wirklichkeit nicht passieren kann. Noch heute gelingt es King, auch bei alten Filmen mit offensichtlich überholten Effekten (wie dem Schrecken vom Amazonas, wo ein Stuntman in einem Gummikostüm steckt), die Ungläubigkeit abzulegen - und nur so kann man dem Genre würdig begegnen.
IV) Radio und die Kulisse der Wirklichkeit
- In den 50er Jahren erlebte ein sehr junger Stephen King das Ende der Radio-Ära mit und verbindet damit, vor allem mit den Shows Suspense und Lights Out noch einige nostalgische Erinnerungen. Besonders auf ein Element konnte das Radio bauen: Die Phantasie des Zuhörers war voll und ganz beansprucht - und bei Horror-Szenarien war das, was sich im Kopf des Publikums abspielte, erschreckender als alles, was man hätte zeigen können.
- Nach diesem Prinzip funktionieren auch sehr viele Filme und Romane; sobald man etwas tatsächlich sieht bzw. beschrieben bekommt, verliert sich der Schrecken zumeist. Dennoch gehört King zu der Sorte Schriftsteller, die unheimlich quietschende Türen aufstoßen und zeigen, was dahinter ist - denn hin und wieder führt gerade das zum echten Grauen. Trotzdem darf das Grundprinzip des Radios nicht vergessen werden, da der Film genau darunter leidet, dass er Dinge zeigen muss:
Ein künstlerisches Werk des Horrors ist fast immer eine Enttäuschung. Es handelt sich um eine klassische Situation, in der man nicht gewinnen kann. Man macht den Leuten lange, lange Zeit mit dem Unbekannten Angst [...], aber früher oder später muss man, wie beim Pokern, die Karten aufdecken. Man muss die Tür aufmachen und dem Publikum zeigen, was dahinter ist. [...] Radio vermied die »Tür aufmachen/Tür zulassen«-Frage, glaube ich, weil das Radio auf die Bank der Phantasie einzahlte. | ||
- Zwei der für das Radio geltenden Konventionen waren so sehr in den Köpfen der Künstler verankert, dass sie sogar Einzug erhielten in die ersten Filme und Serien. Diese Konventionen waren: Ein Erzähler musste durch die Handlung führen und Beschreibungen wurden in Dialoge eingearbeitet ... was in Filmen nur sehr selten funktioniert. Damit widmet sich King nach diesem kurzen Abstecher nun dem Film.
Der moderne amerikanische Horror-Film -Text und Subtext
Der Horror-Film als Billigfraß
Die Mattscheibe, oder: Dieses Monster brachte Ihnen Gainesburgers
Horror-Literatur
Der letzte Walzer - Horror und Moral, Horror und Magie
Nachwort
Anhang
Fußnoten
- ↑ Originalzitat: "If a horror movie is going to work, there has to be something in it beyond splatter. Either by pure chance or by pure genius, some filmmakers are able to reach that something; they grope into our subconscious minds, find the things so terrible we can't even articulate them and allow us to confront them. Not directly though; few of us are able to look straight into the eyes of the gorgon." (Seite xiii)
- ↑ Originalzitat: "None of us have quite the same fear receptors. (...) Cinematic horror is a potent art form, and there's a lot more going on under the surface than immediately meets the eye. Therein lies [sic!] its many dark pleasures." (Seite xxxi)
- ↑ Hier liegt im Deutschen eine Fehlübersetzung von "to boot" mit "um davon zu profitieren" vor, die hier korrigiert wurde.