The Green Mile: Rezension: Unterschied zwischen den Versionen
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Ganz märchentypisch wird auch bald klar, dass die Grenzen zwischen gut und böse hier oft sehr eindeutig gezogen sind. Dem Unschuldslamms Coffey wird der abgrundtief böse Wharton gegenübergestellt, der nicht nur hinter den Morden steckt für die unser Wunderheiler verurteilt wurde, sondern auch im Todestrakt jede Gelegenheit nutzt um Chaos zu stiften. Würde sich die Geschichte auf diese beiden Widersacher beschränken, wäre es für mich deutlich zu simpel. Zumal der Mord an Wharton - während er sicher verwahrt in seiner Zelle schläft! - nicht wirklich zur Anti-Todesstrafen-Message passt, die man aus dem restlichen Buch lesen kann. Was mich deutlich mehr fasziniert sind die spannende moralischen Grautöne der anderen Gefangenen. Hier nutzt King die ganze Breite des Mediums Fortsetzungsromans, um immer wieder Schlaglichter auf die anderen Insassen und ihre sehr verschiedenen Geschichten zu werfen. Das ist auch einer der großen Vorteile gegenüber dem Film, der sich zwangsläufig mehr auf die klar umrissenen Hauptfiguren konzentrieren muss. | Ganz märchentypisch wird auch bald klar, dass die Grenzen zwischen gut und böse hier oft sehr eindeutig gezogen sind. Dem Unschuldslamms Coffey wird der abgrundtief böse Wharton gegenübergestellt, der nicht nur hinter den Morden steckt für die unser Wunderheiler verurteilt wurde, sondern auch im Todestrakt jede Gelegenheit nutzt um Chaos zu stiften. Würde sich die Geschichte auf diese beiden Widersacher beschränken, wäre es für mich deutlich zu simpel. Zumal der Mord an Wharton - während er sicher verwahrt in seiner Zelle schläft! - nicht wirklich zur Anti-Todesstrafen-Message passt, die man aus dem restlichen Buch lesen kann. Was mich deutlich mehr fasziniert sind die spannende moralischen Grautöne der anderen Gefangenen. Hier nutzt King die ganze Breite des Mediums Fortsetzungsromans, um immer wieder Schlaglichter auf die anderen Insassen und ihre sehr verschiedenen Geschichten zu werfen. Das ist auch einer der großen Vorteile gegenüber dem Film, der sich zwangsläufig mehr auf die klar umrissenen Hauptfiguren konzentrieren muss. | ||
− | Dabei finde ich auch die Entscheidung, einen Aufseher zum Erzähler und Sympathieträger zu machen sehr erfrischend. Würden wir - wie in ''Pin Up'' - aus den Augen eines Mithäftlings auf die wundersamen Ereignisse im Todestrakt schauen, würden wir einige interessante moralische Fragen verpassen. Ist es Unrecht einen Hebel umzulegen und einen gottgesandten Wunderheiler in einen toten Häftling zu verwandeln? Oder erst wenn man berechtigte Zweifel an seiner Schuld hat? Oder ist es vielleicht in allen Fällen falsch, Menschen das Lebensrecht abzusprechen | + | Dabei finde ich auch die Entscheidung, einen Aufseher zum Erzähler und Sympathieträger zu machen sehr erfrischend. Würden wir - wie in ''Pin Up'' - aus den Augen eines Mithäftlings auf die wundersamen Ereignisse im Todestrakt schauen, würden wir einige interessante moralische Fragen verpassen. Ist es Unrecht einen Hebel umzulegen und einen gottgesandten Wunderheiler in einen toten Häftling zu verwandeln? Oder erst wenn man berechtigte Zweifel an seiner Schuld hat? Oder ist es vielleicht in allen Fällen falsch, Menschen das Lebensrecht abzusprechen? Ein ganzer Haufen Fragen, der gestellt aber nicht beantwortet werden kann, aber aus der Perspektive des zweifelnden Vollzugsbeamten hervorragend funktioniert. Auch dass unser Erzähler uns gleich noch Einblick in sein Leben im Alter gibt, passt als Rahmenhandlung erstaunlich gut ins Gesamtkonzept. Der Vergleich zwischen Altenheim und Gefängnis mag nicht ganz originell sein, ist hier aber sehr nett umgesetzt, wenn Edgecombe sich plötzlich auf der anderen Seite wiederfindet. Allerdings ist es ein bisschen nervig, wenn er pünktlich zu jedem neuen Teil wieder nacherzählt was man schon weiß, um mögliche neue Leser auf den neuesten Stand zu bringen. Das hätte man in der Gesamtausgabe gerne rausstreichen können, stört aber nicht so sehr dass es einen Punkt kosten würde. |
Ein Buch, das so tief im Thema Todesstrafe verwurzelt ist steht und fällt natürlich mit den Hinrichtungsszenen - und hier kann unser Autor mal wieder zeigen, wie geschickt er auf dem schmalen Grad zwischen emotionalem Kitsch und nüchterner Distanz balanciert. Wirklich erstaunlich, dass der gleiche King, der in anderen Werken Hunderte in den Tod schickt ohne mit der Wimper zu zucken, hier so ausführliche, dramatische und persönliche Abschiede hinbekommt. Trotzdem muss ich zugeben, dass mich der Tod von Mr. Jingels tatsächlich am meisten berührt hat. Zum einen war er das letzte sichtbare magische Element, um die märchenhafte Gefängniswelt mit dem tristen Altenheim zu verbinden. Zum anderen hat das Sterben von Tieren für mich auch immer ein ganz besonderes Grauen. Während Menschen - insbesondere im Todestrakt - zumindest intellektuell erfassen, dass ihr Ende bevorsteht, leben Tiere in einem ewigen, zeitlosen Jetzt, können sich nicht erklären, warum sie plötzlich schwächer werden und finden den Tod ohne sich mit Gedanken an ein Danach ablenken zu können. Daneben funktioniert der Tod der Maus als perfekter melancholischer Schlusspunkt, um Edgecombe endgültig klar zu machen, dass auch er ums Sterben nicht herumkommen wird. Der Tod wartet auf jeden, egal wie lang die grüne Meile wird. | Ein Buch, das so tief im Thema Todesstrafe verwurzelt ist steht und fällt natürlich mit den Hinrichtungsszenen - und hier kann unser Autor mal wieder zeigen, wie geschickt er auf dem schmalen Grad zwischen emotionalem Kitsch und nüchterner Distanz balanciert. Wirklich erstaunlich, dass der gleiche King, der in anderen Werken Hunderte in den Tod schickt ohne mit der Wimper zu zucken, hier so ausführliche, dramatische und persönliche Abschiede hinbekommt. Trotzdem muss ich zugeben, dass mich der Tod von Mr. Jingels tatsächlich am meisten berührt hat. Zum einen war er das letzte sichtbare magische Element, um die märchenhafte Gefängniswelt mit dem tristen Altenheim zu verbinden. Zum anderen hat das Sterben von Tieren für mich auch immer ein ganz besonderes Grauen. Während Menschen - insbesondere im Todestrakt - zumindest intellektuell erfassen, dass ihr Ende bevorsteht, leben Tiere in einem ewigen, zeitlosen Jetzt, können sich nicht erklären, warum sie plötzlich schwächer werden und finden den Tod ohne sich mit Gedanken an ein Danach ablenken zu können. Daneben funktioniert der Tod der Maus als perfekter melancholischer Schlusspunkt, um Edgecombe endgültig klar zu machen, dass auch er ums Sterben nicht herumkommen wird. Der Tod wartet auf jeden, egal wie lang die grüne Meile wird. |
Version vom 13. Februar 2019, 11:04 Uhr
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Inhaltsverzeichnis
Croaton (5 / 5)
The Green Mile ist wieder einer jener Romane, zu denen ich einen großen persönlichen Bezug habe. Nicht nur, dass ich die grauenvolle Erfahrung mitmachen musste, tatsächlich immer einen Monat zwischen den Einzelbänden warten zu müssen, was das Mitfiebern unfreiwillig enorm steigerte (vor allem zu einer Zeit, als es noch nicht selbstverständlich war, dass ein englisches Buch auch rechtzeitig im Handel ist!). Zudem war der Roman das Thema meiner über 100-seitigen Zulassungsarbeit an der Uni! Man sollte also meinen, ich hätte mich bei der ersten 5 oben vertippt und könnte das Buch jetzt nicht mehr sehen, aber keineswegs: Es ist einfach zu gut, um es nicht zu mögen.
Paul Edgecombe und John Coffey sind ein schlicht geniales Duo, ergänzt von einer außerordentliche Riege sympathischer Nebenfiguren und einem Fiesling der Extraklasse. Zwei Bände - oder aus meiner damaligen Sicht zwei Monate - lang ahnt man nichts von Coffeys Gabe und dann haut es einen vom Hocker. Man will Kings Ankündigung aus Band 1, dass Coffey tatsächlich sterben wird, einfach nicht glauben und muss immer weiter lesen. Die Einzelschicksale sind genial herausgearbeitet, das Hin- und Herspringen - einerseits in der Zeit, andererseits zwischen Cold Mountain und Georgia Pines - ist ein gemeiner Kunstgriff des Autors, da er es so immer wieder schafft, die Spannungsschraube enger zu ziehen ... auch wenn er sich dabei etwas verzettelt, was den Konflikt Form versus Inhalt betrifft (siehe The Green Mile: Fortsetzungsroman).
Die deutsche Übersetzung ist hierbei wohl einzigartig - viel mehr kann man kaum falsch machen (siehe auch eigener Artikel!), was TGM eindeutig ein Sollte-man-im-Original-lesen-Siegel verleiht. Dafür aber passt die kongeniale Verfilmung des unvergleichlichen Frank Darabont (siehe auch hier).
Fazit: Seit seinem Erscheinen vor fast 12 Jahren immer schon in meinen persönlichen Top Drei!
Horaz Klotz (5 / 5)
King treibt sich ja immer wieder gern im Häftlings-Milieu herum. Anders als in seinen Kurzbesuchen in Pin Up oder Ein Tod greift er für seinen Magnus Opus-Gefängnis-Roman mal wieder tief in die Märchenkiste und mischt den tristen Zellenalltag mit mehr als einer Priese Magie auf. Und das klappt ausgezeichnet, obwohl er dem Leser wirklich so einiges zumutet - eine clevere Maus, die Edgecombe bis ins Altenheim folgt, einen Wunderheiler, der nicht nur Gedanken lesen sondern nebenbei auch noch Zombies erschaffen kann und Krankheits-Insekten, die sich in Rauch auflösen sobald sie ausgesaugt wurden. Das kratzt schon immer wieder ziemlich stark am Fantasy-Klischee und es ist einmal wieder Kings nüchterner Erzählkunst zu verdanken, dass die menschlichen Schicksale im Todestrakt unter all den Wundern und Effekten nie aus dem Blick geraten.
Ganz märchentypisch wird auch bald klar, dass die Grenzen zwischen gut und böse hier oft sehr eindeutig gezogen sind. Dem Unschuldslamms Coffey wird der abgrundtief böse Wharton gegenübergestellt, der nicht nur hinter den Morden steckt für die unser Wunderheiler verurteilt wurde, sondern auch im Todestrakt jede Gelegenheit nutzt um Chaos zu stiften. Würde sich die Geschichte auf diese beiden Widersacher beschränken, wäre es für mich deutlich zu simpel. Zumal der Mord an Wharton - während er sicher verwahrt in seiner Zelle schläft! - nicht wirklich zur Anti-Todesstrafen-Message passt, die man aus dem restlichen Buch lesen kann. Was mich deutlich mehr fasziniert sind die spannende moralischen Grautöne der anderen Gefangenen. Hier nutzt King die ganze Breite des Mediums Fortsetzungsromans, um immer wieder Schlaglichter auf die anderen Insassen und ihre sehr verschiedenen Geschichten zu werfen. Das ist auch einer der großen Vorteile gegenüber dem Film, der sich zwangsläufig mehr auf die klar umrissenen Hauptfiguren konzentrieren muss.
Dabei finde ich auch die Entscheidung, einen Aufseher zum Erzähler und Sympathieträger zu machen sehr erfrischend. Würden wir - wie in Pin Up - aus den Augen eines Mithäftlings auf die wundersamen Ereignisse im Todestrakt schauen, würden wir einige interessante moralische Fragen verpassen. Ist es Unrecht einen Hebel umzulegen und einen gottgesandten Wunderheiler in einen toten Häftling zu verwandeln? Oder erst wenn man berechtigte Zweifel an seiner Schuld hat? Oder ist es vielleicht in allen Fällen falsch, Menschen das Lebensrecht abzusprechen? Ein ganzer Haufen Fragen, der gestellt aber nicht beantwortet werden kann, aber aus der Perspektive des zweifelnden Vollzugsbeamten hervorragend funktioniert. Auch dass unser Erzähler uns gleich noch Einblick in sein Leben im Alter gibt, passt als Rahmenhandlung erstaunlich gut ins Gesamtkonzept. Der Vergleich zwischen Altenheim und Gefängnis mag nicht ganz originell sein, ist hier aber sehr nett umgesetzt, wenn Edgecombe sich plötzlich auf der anderen Seite wiederfindet. Allerdings ist es ein bisschen nervig, wenn er pünktlich zu jedem neuen Teil wieder nacherzählt was man schon weiß, um mögliche neue Leser auf den neuesten Stand zu bringen. Das hätte man in der Gesamtausgabe gerne rausstreichen können, stört aber nicht so sehr dass es einen Punkt kosten würde.
Ein Buch, das so tief im Thema Todesstrafe verwurzelt ist steht und fällt natürlich mit den Hinrichtungsszenen - und hier kann unser Autor mal wieder zeigen, wie geschickt er auf dem schmalen Grad zwischen emotionalem Kitsch und nüchterner Distanz balanciert. Wirklich erstaunlich, dass der gleiche King, der in anderen Werken Hunderte in den Tod schickt ohne mit der Wimper zu zucken, hier so ausführliche, dramatische und persönliche Abschiede hinbekommt. Trotzdem muss ich zugeben, dass mich der Tod von Mr. Jingels tatsächlich am meisten berührt hat. Zum einen war er das letzte sichtbare magische Element, um die märchenhafte Gefängniswelt mit dem tristen Altenheim zu verbinden. Zum anderen hat das Sterben von Tieren für mich auch immer ein ganz besonderes Grauen. Während Menschen - insbesondere im Todestrakt - zumindest intellektuell erfassen, dass ihr Ende bevorsteht, leben Tiere in einem ewigen, zeitlosen Jetzt, können sich nicht erklären, warum sie plötzlich schwächer werden und finden den Tod ohne sich mit Gedanken an ein Danach ablenken zu können. Daneben funktioniert der Tod der Maus als perfekter melancholischer Schlusspunkt, um Edgecombe endgültig klar zu machen, dass auch er ums Sterben nicht herumkommen wird. Der Tod wartet auf jeden, egal wie lang die grüne Meile wird.
Fazit: Vielleicht nicht Kings ausgefeiltester Roman, auf jeden Fall nicht sein rundester - aber für mich mit Abstand der anrührendste.
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