Der Outsider: Rezension: Unterschied zwischen den Versionen
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− | + | Jeder King-Fan weiß, dass der Meister gern den Story-Frankenstein spielt, alte Elemente und Genres seiner Geschichten ausgräbt, neu zusammensetzt und auf das beste hofft. ''Der Outsider'' ist so ein Wagnis - eine Mischung aus klassischen Krimi und King-typischem Monster-Horror. Diese Mischung funktioniert für mich leider überhaupt nicht. Der Witz bei einem guten Krimi ist ja, dass der Leser mitraten kann und im besten Fall schon vorm Kommissar auf des Rätsels Lösung kommt. Die unausgesprochene Vereinbarung zwischen Schreiber und Leser ist dabei: "Ich biete dir einen ganzen Haufen an widersprüchlichen Informationen, falschen Fährten und komplizierten Motiven, du versuchst dich mit Logik und gesundem Menschenverstand durch diesen Dschungel zu arbeiten und den Täter herauszufinden." Und genau das geht eben nicht, wenn der Autor auf halber Strecke plötzlich ein übernatürliches Monster mit einer ganzen Reihe magischen Fähigkeiten aus dem Hut zieht und schadenfroh verkündet: "Haha, die ganzen scheinbar unlogischen Hinweise und Zeugenaussagen können gar nicht logisch erklärt werden. Es war alles Magie. Reingefallen!" Als erfahrener King-Leser ahnt man natürlich ziemlich schnell, dass es darauf hinausläuft, wird aber trotzdem durch seitenlange Verhöre, DNA- und Indizienanalysen geschleift, die im Nachhinein alle mit Monster-Magie wegerklärt werden. Fantastische Krimis können natürlich funktionieren - die meisten Harry Potter-Bücher sind nichts anderes - aber nur wenn Leser und Ermittler die Regeln der Welt kennen und die Hinweise entsprechend deuten können. | |
Mit Regeln für sein neuestes Monster tut sich King aber sichtlich schwer. Das als volkstümlicher Gestaltwandler vorgestellte Westen, hat plötzlich auch die Fähigkeit zur Astralprojektion und bekommt auf den letzten Metern noch einige Sonderkräfte spendiert, die ganz zufällig genau in die Situation passen. Auch sonst konnte mich der Außenseiter als düsterer Antagonist nicht wirklich überzeugen. Der Kniff mit Angst, Schmerz und Tod als Nahrung ist ein ziemlich billiger Kunstgriff, der bei ''ES'' noch halbwegs thematisch funktioniert hat, bei ''Dr. Sleep'' schon ziemlich bemüht wirkte und hier nicht mehr wirklich reinpasst. Interessanterweise habe ich erst vor Kurzem ein Interview mit Mr. King und George R. R. Martin gesehen, in dem beide sich einig waren, dass mehrdimensionale und - zumindest im Ansatz - menschliche Bösewichte, mit eigener Geschichte und halbwegs nachvollziehbaren Motiven fast immer besser funktionieren als Killer-Maschinen und Slasher-Monster. Der Außenseiter ist eindeutig Letzteres: Er taucht plötzlich in der Geschichte auf, ist von Natur aus böse und muss möglichst grausame Morde begehen um am Leben zu bleiben, mehr brauchen wir nicht zu wissen. Das ist schon fast unverschämt simple Schurken-Schreibe. | Mit Regeln für sein neuestes Monster tut sich King aber sichtlich schwer. Das als volkstümlicher Gestaltwandler vorgestellte Westen, hat plötzlich auch die Fähigkeit zur Astralprojektion und bekommt auf den letzten Metern noch einige Sonderkräfte spendiert, die ganz zufällig genau in die Situation passen. Auch sonst konnte mich der Außenseiter als düsterer Antagonist nicht wirklich überzeugen. Der Kniff mit Angst, Schmerz und Tod als Nahrung ist ein ziemlich billiger Kunstgriff, der bei ''ES'' noch halbwegs thematisch funktioniert hat, bei ''Dr. Sleep'' schon ziemlich bemüht wirkte und hier nicht mehr wirklich reinpasst. Interessanterweise habe ich erst vor Kurzem ein Interview mit Mr. King und George R. R. Martin gesehen, in dem beide sich einig waren, dass mehrdimensionale und - zumindest im Ansatz - menschliche Bösewichte, mit eigener Geschichte und halbwegs nachvollziehbaren Motiven fast immer besser funktionieren als Killer-Maschinen und Slasher-Monster. Der Außenseiter ist eindeutig Letzteres: Er taucht plötzlich in der Geschichte auf, ist von Natur aus böse und muss möglichst grausame Morde begehen um am Leben zu bleiben, mehr brauchen wir nicht zu wissen. Das ist schon fast unverschämt simple Schurken-Schreibe. |
Version vom 2. Oktober 2018, 10:29 Uhr
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Inhaltsverzeichnis
Croaton (4 / 5)
Da diese Rezension noch vor der deutschen Übersetzung von Stephen Kings Roman Der Outsider erscheint, soll ausdrücklich vor Spoilern gewarnt werden, auch das Ende wird verraten!
Stark trifft auf Desperation, so lässt sich der Roman wohl grob zusammenfassen. Die ersten 70 Prozent sind glatte 5 Punkte wert. Das Szenario, das King hier entwirft, ist - auch wenn es wie gesagt sehr an die Ausgangslage aus Stark erinnert - faszinierend: DNS-Spuren und Fingerabdrücke zeigen eindeutig, dass Terry Maitland ein Mörder sein muss, doch hat der ein wasserdichtes, unanfechtbares Alibi, sogar Filmaufnahmen liegen vor.
So, wie King den Fall darstellt, ist nach kurzer Zeit klar, dass es nur eine übersinnliche Aufklärung geben kann, womit ich kein Problem habe - das war ja schon bei Stark mehr als gelungen. Leider aber wird der Titel gebende Außenseiter als Kinderschreck und im Zusammenhang mit einer lächerlichen Filmreihe eingeführt, was ihm sogleich jeglichen Schrecken nimmt, den King ihm auch nicht wiedergeben kann ... in Sachen Bedrohlichkeit kann der Außenseiter George Stark zu keinem Zeitpunkt das Wasser reichen. Dem Gestaltwandler Tak aus Desperation schon gar nicht. Auch hätte es nicht sein müssen, dass Holly Gibney einmal mehr eher unmotiviert zum Zentrum der Handlung wird (wie ich das schon bei Mr. Mercedes kritisiert hatte); ich hätte sie in Der Outsider nicht gebraucht; mit ihr erhält viel Unfug Einzug in den Roman. Zudem wird die Handlung von Mind Control noch einmal aufgewärmt, was für den Outsider belanglos ist.
Das Buch flacht immer bedrohlicher ab, vor allem, weil die "Gesetzmäßigkeiten" rund um dieses böse Wesen eher unausgegoren sind, dann aber verheißt der Handlungsort der finalen Auseinandersetzung - eine Tropfsteinhöhle à la China-Mine aus Desperation - Hoffnung auf einen gelungenen Showdown. Doch was für eine Antiklimax: Enden waren ja noch nie Kings Stärke, doch dass dem Meister tatsächlich nichts anderes einfällt, als die Konfrontation am Ende von Mr. Mercedes eins zu eins zu kopieren (Holly vs. Brady Hartsfield = Holly vs. der Außenseiter), ist mein größter Kritikpunkt am Roman.
Und dann ist da noch Ralph Anderson. Natürlich denkt jeder Fan sofort an den kleinen Jungen aus Der Sturm des Jahrhunderts, und so wartet man auf den Zusammenhang ... der nie kommt. Kein Wort über diese Namensgleichheit, sodass ich mich fragen muss, warum King seinem Hauptdarsteller diesen Namen gab.
So enttäuscht war ich am Ende wegen all dem, dass ich spontan 3 Punkte geben wollte. Doch da war auch die anfängliche, lange anhaltende Spannung, da ist ein liebenswert-sympathisches Ka-Tet (der Begriff fällt nicht), das sich dem Feind entgegenstellt, also doch eher 4? Letztlich bemühte ich die einfache Mathematik: Wenn 70 Prozent 5 Punkte wert sind, die restlichen 30 nur noch 3, ergibt sich immer noch ein Schnitt von 4. Das klingt jetzt zu gut für die insgesamt eher negativ daherkommende Kritik - aber bei King wünscht man sich eben Perfektion, das kann ich nicht attestieren. Ein starker Roman ist es jedoch allemal geworden.
Fazit: Ein Buch, dem zunehmend die Luft ausgeht, das aber in den ersten drei Vierteln so starke Passagen und ein so stimmiges Ensemble aufweisen kann, dass ich mir noch versöhnliche 4 Punkte abringen kann.
Vermis (4 / 5)
The Außenseiter ist der vierte Roman in der Holly Gibney Trilogie. Eigentlich hatte ich mich nicht besonders auf dieses Buch gefreut: Ich mag die Hodges-Trilogie ganz gern, brauche aber definitiv nie wieder halbgare, schlockige Krimi-Versuche, bei denen King es nicht schafft seine schlecht konstruierten Handlungen durch sein sonst Vorhandenes erzählerisches Können zu verschleiern. Und nach dem Rohrkrepierer Sleeping Beauties hat sich mein letztes bisschen Neugierde und Vorfreude auch verflüchtig. Nun habe ich den Outsider gelesen und das undenkbare ist passiert. Das Buch hat mir gefallen! Gehen wir etwas ins Detail.
Literarischer Restauflauf
Stark trifft Desperation trifft die Mr. Mercedes Trilogie. Hat King sich früher noch an den Werken von anderen Autoren bedient, pflückt er sich jetzt fröhlich Elemente aus seinen eigenen Büchern und verarbeitet sie erneut. ABER! Wenn es anders genug und vor allem unterhaltsam ist, ist es für mich eigentlich okay. Beim Outsider funktioniert es gerade noch so.
Ich kann Croaton nur zustimmen: die ersten rund 70 Prozent sind definitiv das beste am Buch, wenn auch schon aus Stark bekannt. Ich wusste zwar schon im Voraus, dass die Auflösung übernatürlich sein würde, trotzdem hat mich die Story bei Laune gehalten. Dann kam Holly.
Okay, ich denke ich kann jetzt sagen, dass ich diesen Charakter irgendwo mag, wenn es auch vier Bücher gedauert hat, damit ich es zugebe. Wenn man sie nicht mag, wird sie einem das Buch wohl versauen, aber selbst wenn man sie mag, stört ihr Einzug in die Story. Ich war tatsächlich gespannt, wie Ralph Anderson sich entwickelt, wie er weiter vorgeht, wie er das Übernatürliche akzeptieren muss. Gut, das alles ist zwar vorhanden, aber Holly wird zum Hauptcharakter und verdrängt Ralph, was mich einfach stört. Kurz nach ihrem Einbezug verwandelt sich der Rest des Romans zu einer Kopie von Desperation und Recycelt das Ende von Mr. Mercedes.
Wieso ich diese Geschichte tatsächlich mehr mag als die Hodges Trilogie liegt wohl am Antagonisten. Wir erfahren nicht viel über den Outsider und das ist auch gut so! Nach drei Krimis in denen wir Leser alles erfahren, wer der Böse ist, was er tat, was er tun wird, war es so erfrischend endlich wieder das Unbekannte als Bösewicht zu haben. Der Outsider gefällt mir eigentlich schon als Charakter, eben weil er so wenig "Screentime" zugestanden bekommt. Ich mag die Sache mit der Folklegende die ihn umgibt. Aber nur die Legende an sich, nicht diesen dämlichen Film, oder der Name den sie ihm geben. "El Cuco" reiht sich mit Pazuzu, dem Babadook und Konsorten in eine Reihe von seltendämlichen, albernen Dämonennamen, die den Bösen eher ins Lächerliche ziehen.
Gefallen hat mir übrigens, dass King endlich wieder etwas brutaler wurde. Er zerstört im Verlauf des Buches zwei glückliche Familien, lässt am ende zumindest ein paar der Good Guys draufgehen und beschreibt die verstümmelte Leiche des Jungen kurz aber intensiv. Nach der Young-Adult-Roman Stimmung seiner letzten Krimis ging es hier zumindest etwas härter zu.
Also ja, Sehr gute, unterhaltende 70 Prozent, danach ist es zwar immer noch unterhaltsam, aber schwächer. Das wäre eigentlich meine Rezension. Ein gutes Buch, anfangs sehr spannend, tatsächlich manchmal ein wenig beängstigend (die Vorstellung von einem Gesichtsdieb der dafür sorgt, das Unschuldige leiden müssen ist zwar nicht neu, hat für mich aber noch seinen Reiz). Ich würde sagen, das ist Kings bester Roman seit Revival, auch wenn ihn das nicht zu einem Meisterwerk macht. Aber solide, spannende Unterhaltung.
Zu einem Punkt muss ich mich aber noch äußern.
Was haben alle gegen Speck?
Ich bin nicht jemand, der sich einfach so über die Übersetzung vom Englischen ins Deutsche beschwert, weder in Filmsynchronisation, noch in Büchern, aber junge, junge, was unsere lieben Heynis hier geschafft haben...
Fangen wir beim Titel an. Warum? Warum wird Outsider als Titel und als Bezeichnung für das Wesen im Buch stehen gelassen, anstatt es einfach zu Außenseiter zu übersetzten. Was ist an dem Wort Außenseiter denn bitte so schlecht? Nicht genug Pepp und Shazam für einen Titel, der den Durchschnittsleser ansprechen soll? Warum auch noch "DER Outsider", was zehnmal dämlicher klingt?
Und dann kommen wir zum Essen. Sicher sind Deutsch und Englisch in unserer heutigen Zeit nicht mehr auseinanderzubekommen, aber ich habe in meinem Leben noch keinen Deutschen erlebt, der Bacon anstelle von Speck sagt. Gut, spätestens seit Duddits muss der deutsche Speck es erdulden so genannt zu werden, aber wenn dann in diesem Buch zwei, in Zahlen 2! Stellen kommen, in denen steht:
"In dem Restaurant gab es warmen, duftenden Apfel Pie"
Dann haut mich das raus. Dieses Genörgel hat zwar mit dem Buch an sich nicht zu tun und fließt auch nicht in meine Bewertung, aber Himmel Herrgott, die werten Damen und Herren bei Heyne sollten Speck Speck und Kuchen Kuchen lassen sein!
Jimla (4 / 5)
Ich würde an dieser Stelle gerne eine ganz eigene Meinung zu Der Outsider anbieten, aber wie es scheint, ist diesmal meine Meinung die Meinung von vielen.
Der erste Teil des Romans entpuppt sich als einer der intensivsten Pageturner im Gesamtwerk von King. Der Fall Maitland wird überaus spannend dargestellt – von der grausamen, öffentlichen Verhaftung (für die ich Detective Ralph Anderson – neben diversen anderen Gründen – den ganzen Roman hindurch nicht sympathisch finden konnte), dem Aufkommen erster Zweifel und dem vorläufigen Showdown vor dem Gerichtsgebäude, das für mich vollkommen überraschend und schockierend kam.
Das Problem dabei ist nur, dass dieser vorläufige Höhepunkt (auf Seite 250 von 750) dann auch der mit Abstand überwältigendste bleibt. Leider wird schnell klar, dass King mal wieder nicht um eine übernatürliche Erklärung herumkommen wird, da es einfach zu viele Widersprüche in dem Fall Maitland gibt. Bis zuletzt hoffte ich doch auf eine verblüffende Erklärung, doch diese Hoffnungen werden relativ bald zerstört, als Maitlands Tochter von einer Schreckgestalt an ihrem Fenster erzählt. Vorerst gelingt es King, eine gewisse Spannung zu halten: die Metaphern mit den Schritten im Sand und der Zuckermelone geben der Geschichte einen Ruck ins Unheimliche.
Leider klärt sich alles ziemlich rasch auf, als die scheinbar unfehlbare Holly Gibney (die ich im Übrigen schätze) die Bühne betritt. Dass ihre Bereitschaft, das Übernatürliche zu akzeptieren, ausgerechnet mit ihren Erlebnissen in Mind Control erklärt wird, wo ebendieses noch viel unglaubwürdiger eingeführt wurde, minderte meine Begeisterung für den vorliegenden Roman noch einmal deutlich. Ebenso wie die Nebenhandlung mit Jack Hoskins.
Die letzten 250 Seiten ziehen sich dann teils wie Kaugummi. Als Leser glaubt man alles, was sich Holly zusammengereimt hat; die Möglichkeit, dass sich King doch noch einen überraschenden Twist ausgedacht haben könnte, zog ich – letztlich zurecht – nicht mal in Betracht. Stattdessen ist die Überwältigung des Outsiders an Einfallslosigkeit kaum zu überbieten. Anstatt Ralph Anderson wenigstens einmal im Buch glänzen zu lassen, bekommt wieder Holly Gibney den Ruhm für sich - indem sie einfach ihre Mega-Waffe, die Sportsocke, noch mal herauskramt.
Fazit: 5 Sterne für das erste Drittel, 4 Sterne für das zweite, 2 für das letzte. Das ergibt rechnerisch noch eine aufgerundete 4; und angesichts des starken Beginns bin ich auch bereit, diese zu geben. Wenn ich auch wirklich enttäuscht über das einfallslose Finale bin.
Horaz Klotz (2 / 5)
Jeder King-Fan weiß, dass der Meister gern den Story-Frankenstein spielt, alte Elemente und Genres seiner Geschichten ausgräbt, neu zusammensetzt und auf das beste hofft. Der Outsider ist so ein Wagnis - eine Mischung aus klassischen Krimi und King-typischem Monster-Horror. Diese Mischung funktioniert für mich leider überhaupt nicht. Der Witz bei einem guten Krimi ist ja, dass der Leser mitraten kann und im besten Fall schon vorm Kommissar auf des Rätsels Lösung kommt. Die unausgesprochene Vereinbarung zwischen Schreiber und Leser ist dabei: "Ich biete dir einen ganzen Haufen an widersprüchlichen Informationen, falschen Fährten und komplizierten Motiven, du versuchst dich mit Logik und gesundem Menschenverstand durch diesen Dschungel zu arbeiten und den Täter herauszufinden." Und genau das geht eben nicht, wenn der Autor auf halber Strecke plötzlich ein übernatürliches Monster mit einer ganzen Reihe magischen Fähigkeiten aus dem Hut zieht und schadenfroh verkündet: "Haha, die ganzen scheinbar unlogischen Hinweise und Zeugenaussagen können gar nicht logisch erklärt werden. Es war alles Magie. Reingefallen!" Als erfahrener King-Leser ahnt man natürlich ziemlich schnell, dass es darauf hinausläuft, wird aber trotzdem durch seitenlange Verhöre, DNA- und Indizienanalysen geschleift, die im Nachhinein alle mit Monster-Magie wegerklärt werden. Fantastische Krimis können natürlich funktionieren - die meisten Harry Potter-Bücher sind nichts anderes - aber nur wenn Leser und Ermittler die Regeln der Welt kennen und die Hinweise entsprechend deuten können.
Mit Regeln für sein neuestes Monster tut sich King aber sichtlich schwer. Das als volkstümlicher Gestaltwandler vorgestellte Westen, hat plötzlich auch die Fähigkeit zur Astralprojektion und bekommt auf den letzten Metern noch einige Sonderkräfte spendiert, die ganz zufällig genau in die Situation passen. Auch sonst konnte mich der Außenseiter als düsterer Antagonist nicht wirklich überzeugen. Der Kniff mit Angst, Schmerz und Tod als Nahrung ist ein ziemlich billiger Kunstgriff, der bei ES noch halbwegs thematisch funktioniert hat, bei Dr. Sleep schon ziemlich bemüht wirkte und hier nicht mehr wirklich reinpasst. Interessanterweise habe ich erst vor Kurzem ein Interview mit Mr. King und George R. R. Martin gesehen, in dem beide sich einig waren, dass mehrdimensionale und - zumindest im Ansatz - menschliche Bösewichte, mit eigener Geschichte und halbwegs nachvollziehbaren Motiven fast immer besser funktionieren als Killer-Maschinen und Slasher-Monster. Der Außenseiter ist eindeutig Letzteres: Er taucht plötzlich in der Geschichte auf, ist von Natur aus böse und muss möglichst grausame Morde begehen um am Leben zu bleiben, mehr brauchen wir nicht zu wissen. Das ist schon fast unverschämt simple Schurken-Schreibe.
Was mir dagegen gefallen hat und dem Roman zumindest seine zwei Punkte einbringt waren die menschlichen Elemente. Die Geschichte um den Musterbürger Terry Maitland ist konsequent und nett gnadenlos runtererzählt. Von der spektakulären Verhaftung, bis zu seinem tatsächlich überraschenden Ende. Auch wie der Außenseiter Jack Hoskins erpresst ist halbwegs nachvollziehbar dargestellt und trifft genau die richtige King-typische Mischung aus alberner Überzeichnung und purem Horror. Leider verpasst es King die erzählerischen Daumenschrauben am Schluss nochmal anzuziehen und lässt diese Geschichte um ermordete Kinder und ausgelöschte Familien mit einem vergleichsweise harmlosen Happy End schließen. Ein paar Nebencharaktere werden geopfert, dann ist der mächtige Außenseiter schon besiegt und unsere Helden verabschieden sich mit ein paar Albträumen in den verdienten Feierabend.
Mit meiner Meinung zu Holly Gibney und ihrer Rolle in diesem Fall stehe ich anscheinend nicht allein da. Nicht nur, dass sie das Rätsel im Alleingang löst und die bisherigen Hauptfiguren um ein paar eigene Heldenmomente bringt. Nicht nur, dass sie natürlich wieder mal einen ihrer alten Fälle nacherzählen muss, was mehr und mehr nach einem Weg aussieht, kostenlose Werbung für andere Bücher in die Handlung zu schmuggeln. Ihr völlig unangekündigtes Auftauchen als One-Woman-Ghostbuster-Team schafft auch einen gefährlichen Präzedenzfall im King-Universum. Was hindert das nächste übersinnlich begabte Kind, das sich plötzlich mit einem blutrünstigen Dämon konfrontiert sieht, oder den nächsten alkoholkranken Schriftsteller, der überraschend Besuch vom Geist der vergangenen Weihnacht bekommt, daran, zum Telefon zu greifen und Holly und ihre Sportsocke zu Hilfe zu rufen? Ich hätte ein ziemliches Problem damit, wenn King sie ab jetzt häufiger als unmotivierte "Du kommst aus dem Gefängnis frei"-Karte benutzt, sobald er sich in eine Sackgasse geschrieben hat.
Fazit: Ein Krimi, der nicht funktioniert. Ein Monster, das mal wieder das absolute Böse ist. Eine Auflösung, die nicht zum Rest der Geschichte passt. Nur Kings Fähigkeit seinen Figuren ein eigenes Leben einzuhauchen und die Kaltblütigkeit, mit der er es ihnen wieder wegnimmt, rettet die Geschichte vor der Totalkatastrophe.
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