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Doctor Sleep: Rezension

8.904 Byte hinzugefügt, 13:42, 25. Sep. 2013
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==[[Benutzer:Tussauds|Tussauds]] (4 / 5)==
Stephen King hat es schon wieder getan. Nach ''Wind'' also die nächste Fortsetzung. Das erneute Beschäftigen mit Charakteren, deren Handlung eigentlich schon abgeschlossen sein sollte. Als er 2009 davon sprach, was passieren könnte, wenn Danny Torrance auf Charlie McGee treffen würde, war ich gespannt. Wenn man weiß, wie sehr King darauf bedacht ist, sich um herzergreifende Schicksale zu kümmern, kann man ahnen, dass man mit diesen Charakteren mitleiden würde.

Es ist 'nur' Danny Torrance geworden. Der kleine Junge, der in ''Shining'' so viel erleiden musste. Der trotz seiner Unschuld mitlerleben musste, wie sein Vater gefangen in einem Hotel der Rocky Mountains zu einem Wahnsinnigen wird. Wie er von dem puren Bösen aufgefressen wird und Jagd auf ihn macht. Mit ihm überleben seine Mutter Wendy und Dick Hallorann, der Koch, der genauso wie der junge Torrance das Shining hat. Doch wie schon bei anderen Geschichten Kings ist das Überleben mitunter grausamer als der Tod.

Danny kann die Vergangenheit nicht abschütteln. Wenige Jahre nach den Ereignissen in Colorado, sieht er Mrs. Massey, die er schon im Zimmer 217 sah. Mit Dick Halloranns Hilfe kann er sie in seinem Kopf wegschließen. Ebenso wie den Geist von Horace Derwent, der ihm wenig später auflauert. Eine andere Familientradition der Torrances erbt er ebenfalls und so wirbt King erneut für den Doppel-A-Verein in positiver Manier.

Doch Danny Torrance ist nicht mehr so unschuldig wie in ''Shining''. Er ist erwachsen geworden. Er ist ein Mann, der viele Fehler beging und sich besonders in den ersten Jahren seiner Abstinenz damit extre, auseinandersetzt. Die Unschuld ist einem neuen Charakter überlassen. Das kleine Mädchen Abra Stone, 13 Jahre alt, hat ebenfalls das Shining. Danny behauptet passenderweise, wenn er eine Taschenlampe ist, sei sie ein Leuchtturm. Ihre Kraft ist extrem stark. So stark, dass sie unfreiwillig in die Quere der Sekte ''True Knot'' gelangt. Sie sieht, wie ein anderer Junge von ihnen ermordet wird und sein Shining von den Vampirartigen eingeatmet wird.

Ein spannendes und sehr mystisches Spielfeld, auf dem King diese beiden Charaktere gegen die Vampirsekte antreten lässt. Nach außen sind sie unauffällig. In ihren Wohnwägen würden sie wohl nur für gelegentliches Fluchen von Autofahrern sorgen, die an ihnen vorbei wollen. Doch so unauffällig sie tun, so gerissen sind sie in Wirklichkeit. Jeder von ihnen hat eine besondere Fähigkeit. Telepathie, das Orten von Menschen über Bundessstaatengrenzen hinweg, die Suggestion, das Unsichtbarmachen und vieles mehr. Sie leben - soweit sie sich erinnern und sagen können - mehrere Hundert Jahre lang. Beinahe wie die Vampire in Jerusalem's Lot scheinen sie unsterblich. Wenn da nicht die kleine Abra Stone und der Alkoholiker Danny Torrance wären.

''Shining'' gehört zu meinen großen Favoriten. Kaum ein anderer Roman hat mich nachträglich noch so mit der Geschichte beschäftigt wie die Geschichte der Familie Torrance im Overlook Hotel. Auch ohne die Verfilmung von Stanley Kubrick ist die Handlung furchteinflößend und verstörend. Eben das, was man von Stephen Kings frühen Werken erwartet. Für mich war also die große Frage, was der Roman eigentlich werden würde. Eine Art Hommage an seine frühen, geradlinigen und kurzweiligen Romane. Oder eher eine langwierige, komplex verwobene Großvatergeschichte.

Es ist ein Zwischending. King setzt sich sehr intensiv mit dem Werk der Anonymen Alkoholiker auseinander. Hineingewebt sorgt Danny Torrances Beruf als Sterbehelfer dafür, dass man sich als Leser ganz automatisch mit dem Tod beschäftigt. Torrance ist am Boden als er das Helen Rivington House erreicht. Erst im Verlauf der eigentlichen Handlung lebt er auf, übernimmt Stück für Stück Verantwortung. Nicht nur für sich selbst, sondern auch für Abra, die ihm aus gutem Grund ans Herz wächst. Im Gegensatz dazu die kindliche Unschuld des kleinen Mädchens, das von einem Zauberer zum Spaß animiert, das Silberbesteck ihrer Familie aus der Schublade an die Decke hängt. Auch sie entwickelt sich. Sie verliert ihre Unschuld und zum Tragen kommt eine Wut, die ich so nie erwarten würde. Zugegeben, Rose O'Hara, Anführerin der Sekte, gehört zu den miesesten, gemeinsten und bösesten Widersachern, die King erfunden hat. Aber da ist noch mehr. Abra entwickelt sich von einem kleinen Mädchen, hin zu einer Frau. Ihre Pubertät führt mit Sicherheit nicht dazu, dass sie ausgeglichener wird. Ganz wie bei Charlie McGee in ''Feuerkind'' könnte man Angst haben, die 13-jährige würde aus reiner Wut an den Eltern die beiden umbringen wollen.

Doch zuerst gilt es die Vampire aufzuhalten. Hier beweist King, dass er noch immer in der Lage ist, mich in der Nacht wach zu halten. Die Hatz der Sektenmitglieder auf Abra, das Ablenkungsmanöver, das Scheitern und Entführen des Mädchens und was mit ihrem Entführer passiert, all das gehört zum besten Teil des Romans. Hier merkt man, wohin die Reise der Geschichte geht, auch wenn die Tatsache, dass der Roman zu dem Zeitpunkt noch etwa die Hälfte vor sich hat, die Spannung etwas herausnimmt, ob Abra an dieser Stelle überlebt oder nicht.

King will nach diesem Ereigniss den Spannungsbogen nochmal aufbauen. Zu einem echten Showdown vorbereiten und ich begebe mich freiwillig in seine Hände ohne den geringsten Zweifel, dass da noch etwas schief gehen kann. Oh wie schade, dass da doch noch was schief geht. King kann die Geschichte nicht einfach so weiterschreiben. Er kann nicht die angekündigten Dämonen zusammen mit Danny und Abra in Colorado exakt am gleichen Ort wo das Overlook stand gegen die Sekte kämpfen lassen. Nein, er muss erst noch verweben. Nicht nur die Zukunft von Danny und Abra sind verbunden, sondern auch die Vergangenheit. Ich bin mir nicht sicher, was ihn da geritten hat, aber innerhalb von wenigen Augenblicken ist aus Danny Torrance ''Onkel Dan'' geworden. Der Halbbruder von Abras Mutter. Jack Torrance soll also eine Affähre gehabt haben. Damals als er Lehrer in Vermont war lernte er Abras Großmutter kennen. Diese stirbt als Abras Mutter noch jung war und verschwindet dadurch solange, bis Danny passenderweise in seinen Gedanken darauf stößt. Mein Problem daran ist nicht unbedingt die Tatsache, dass Dannys Vater fremd ging. Ich frage mich, warum muss das in die Handlung mit hinein? Welchen Zweck hat diese familiäre Bindung zwischen Abra und Danny? Kann Lucy dadurch eher beruhigt werden, dass ein Fremder, der behauptet das Shining zu haben, mit der eigenen Tochter in den Krieg zieht? Ein Gefühl von Jerry Springer macht sich bereit und die Stimmung ist im Sinkflug.

Da kommt es erstmal ganz recht, dass King sich wieder erlaubt, das Tempo zu erhöhen. Schon als Danny mit dem verstorbenen Dick Hallorann spricht ist klar, dass die Geschichte in Colorado enden muss. Dort, wo er seinen größten Schrecken begegnete, muss sich Dan dem nächsten stellen. King handelt den Rest der Geschichte in sehr guter Form ab. Es ist spannend, zum Teil auch witzig - wer hätte gedacht, dass sich hunderte Jahre alte Vampire an einem Jungen vergiften, der den Erreger der Masern in sich trägt? - auf jeden Fall mitfühlend. Naja, beinahe. Natürlich kann ich nicht beurteilen, wie es ist, in seinem eigenen Kopf angegriffen zu werden. Wie es ist, über solche Kraft zu verfügen. Aber dennoch kaufe ich Abras Entwicklung nicht ganz ab. Sie ist nicht Carrie White, die wegen ihres Äußeren und ihres zweiten Gesichts gehänselt wird. Sie wächst behütet und in Liebe auf. Nur aus reiner Nächstenliebe und weil sie gesehen hat, wie der Junge aus Iowa umgebracht wird soll sie zu dieser Furie werden? Plausibel, aber nicht ganz Glaubwürdig.

Und dann ist da noch diese Sache mit Abras und Danny Torrances Kopf. Ähnlich wie bereits in ''Dreamcatcher'' vermittelt King das Bild von Kisten, Aktenschränken und anderen Behältern, die man schützen könnte. Ähnlich wie dort, unterschätzt die Kraft, die in diese Köpfe hinein will die Kraft derjenigen, die uns ans Herz wachsen sollen. Ein nettes Bild, aber ist es nicht vielleicht schon zu häufig genommen?

Alles in allem liest sich die Rezension eventuell etwas zu hart. ''Doctor Sleep'' ist eine gute Geschichte. Eine sehr gute sogar. Stellenweise ist sie spannender und auch unvorhersehbarer als alle Geschichten, die King in den letzten Jahren geschrieben hat. Stellenweise ist da wieder diese Magie der Geradlinigkeit und der abrupten Wendungen, die Kings frühe Werke so großartig gemacht haben. Und an vielen Stellen ist es einfach eine Geschichte, in der man sich verliert und die den Leser gefangen nimmt. In der man hofft und mit den Akteuren bangt. Eine typische Geschichte von Stephen King eben.
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